Latexdame Jannette 'historische' Korsettgeschichten 10.09.2011

Die Erbin von Mountbright

von Stephen K.

Alle Rechte und weitere Nutzung beim Autor.

Übersetzung: Jannette

Tee und Kekse auf der Terrasse von Mountbright Hall! Was könnte herrlicher sein? Sicher, der Tee war bitter und die Kekse hart, aber kein wahrer Gentleman würde dies gegenüber seiner Gastgeberin erwähnen. Abgesehen davon erwähnte sie es sehr zur Verlegenheit ihres Gastes selber.

„Ich nehme an, dass so etwas in ihrem Hause nicht vorkommt“, sagte Florence de Veraux, während sie für Guy Quicke Tee einschenkte. „Die arme Frau Barnes muss die Aufgaben des Kochs als auch ihre eigentliche Aufgabe als Hauswirtschafterin ausüben. Somit hat sie nicht genügend Zeit um auch darin gut zu sein.“
„Aber nicht doch“, sagte Guy und nahm einen weiteren Keks, den er eigentlich lieber nicht essen wollt. „Es schmeckt doch ganz gut, wirklich.“
Florence lächelte traurig. „Sie sind zu liebenswürdig, mein lieber Herr Quicke. Vielleicht wäre es besser gewesen, wenn ich in der Küche ausgeholfen hätte. Ich befürchte dass ich zu sehr damit beschäftigt war mich für ihren Besuch hübsch zu machen.“
„Darin“, versicherte Guy und schaute in ihre schönen dunklen Augen, „waren sie wahrlich sehr erfolgreich.“
„Ich danke ihnen.“ Florence lächelte, und ihre Wangen wurden bezaubernd rot.
„Aber Küchenarbeit...! Diese Hände“, er streckte seine Arme aus und nahm sanft ihre zarten blassen Finger in seine Hände, „sind nicht für die Küche bestimmt.“
„Sie wären überrascht, mein lieber Herr Quicke, wenn sie wüssten was jene Hände tun müssten. Es ist wahr, dass ich als eine Lady geboren wurde. Aber ich würde auf meine Knie gehen und würde eher die Fußböden schrubben, als Mountbright dem Ruin zu übergeben. Das könnte ich meiner Familie nicht antun.“

Guy Quicke erstickte fast. Das lag zum Teil daran dass er über jene Aussage schockiert war, aber auch daran dass er einem Krümel des harten Keks in die Luftröhre bekommen hatte. Er bemühte sich rasch auf eine höfliche Art und Weise seine ‚Entgleisung’ unter Kontrolle zu bekommen, was ihm jedoch nicht so richtig zu gelingen schien.

Als er sich erholt hatte, sagte er: „Ich hoffe sie haben jene erniedrigende Arbeit noch nie ausüben müssen! Ich würde mich sofort höchst persönlich darum kümmern, um sie vor einer derartigen Arbeit zu schützen. Und das sogar entgegen dem Rat meines Vaters, der stets sagt dass ein Herr nicht mit seinen Händen zu arbeiten hat.“
„Ich bezweifele nicht dass ihr Vater ist ein guter Mann ist, Herr Quicke. Ich hoffe, dass ich ihn eines Tages treffen darf. Vielleicht ist er unsicher, was seine Position in Gesellschaft betrifft. Mit einer achthundert Jährigen Familientradition in meinem Rücken habe ich nicht mehr die Angst dass mich ein wenig Gartenarbeit vulgär erscheinen lassen könnte.“

Miss de Veraux saß auf einem sehr breiten Stuhl ganz am Ende des Tischs und konnte ihre Teetasse gerade so erreichen, da ihr weit ausladender und wunderschön aussehender Reifrock nicht unter den Tisch passen konnte. Guy hatte ihr wunderbares Kleid bei jedem seiner Besuche heimlich bewundert. Doch nun betrachtete er es ohne seine Blicke zu verheimlichen und sagte: „Ich kann mir nicht vorstellen, Miss de Veraux, dass sie mit jenem Kleid im Garten sind um Rosen zu schneiden!“
„Nicht in diesem Kleid! Ich trage bei jenen Gelegenheiten andere, praktischere Reifröcke. Sie haben jene Kleider natürlich noch nie gesehen, Herr Quicke, denn ich achte darauf dass ich bei ihren Besuchen meine beste Kleidung trage!“
„Sie können es mir glauben, Miss de Veraux, ich weiß dies zu schätzen. Ich denke, dass keine Frau darin schöner aussieht als sie.“
„Sie sind zu liebenswürdig. Natürlich weiß ich, dass eine Lady meiner Herkunft keine Gartenarbeit tun sollte, aber wir können uns nicht mehr eine entsprechend große Dienerschaft erlauben. Wir lieben alle dieses Haus und wir tun alles um es in Schuss zu halten, aber das wird von Jahr zu Jahr schwieriger. Leider ist Mountbright Hall nicht mehr das Anwesen, was es zu meiner Kindheit war.“ Sie seufzte, und die blassen oberen Kurven ihrer Brüste bewegten sich verlockend innerhalb des tief hinunter reichenden Dekolletés des engen Oberteils.
„Ich möchte keinen weiteren Tee oder Kekse, Herr Quicke. Möchten sie noch etwas haben?“
„Nein danke, es hat gut geschmeckt.“
„Möchten sie vielleicht mit mir in den Garten gehen? Heute ist ein wahrlich schöner Abend.“
„Das wäre für mich ein großes Vergnügen.“
„Dann wollen wir mal. Barnes?“ Der betagte Butler, der die ganze Zeit im Hintergrund gestanden hatte, hob seinen Kopf. „Räumen sie bitte das hier ab und sagen sie Frau Barnes, dass ich ihr später beim Abwaschen behilflich sein werde.“
Barnes sah es als seine erste Pflicht an, seiner Herrin durch das Wegziehen des Stuhls behilflich zu sein, damit sie leichter aufstehen konnte. Aber Guy Quicke war zuerst da. „Gott ist mein Zeuge“, sagte er, sie werden nie mehr Geschirr abwaschen, wenn ich bei ihnen bin, Lady de Veraux !“
„Dann befürchte ich, dass sie es tun müssen, werter Herr Quicke.“
„Wenn es ihnen hilft, werde ich alles für sie tun. Geben sie mir die Ehre ihren Arm zu halten?“
„Gerne.“

Und so verließen sie das Haus und gingen im goldenen Schein der Abendsonne über den Rasen. Natürlich sehnte sich Guy Quicke danach seinen Arm auf Florence de Veraux’ Taille zu legen. Es war eine solch verlockende Taille, schlank wie ein Ast, geschmückt mit wunderschön bestickter Baumwolle, und Quelle eines enormen gerüschten Rocks, der sich wahrlich weit ausdehnte und verlockend schwang, als sie daher gingen. Doch das wäre eine sehr intime Berührung, das wusste er, und kein Gentleman würde das ohne Erlaubnis tun. Allein ihre hübsche kleine Hand des ausgestreckten Arms auf seinen Ellenbogen zu spüren, war schon Freude genug. Außerdem waren die Abmessungen ihres Kleides so groß, dass er sich nicht sicher war ob er überhaupt seinen Arm um ihre Taille hätte legen können, ohne auf ihre Röcke zu treten.

Es war ein wahrlich angenehmer Spaziergang. Die beiden schritten langsam an den Rosenbeeten vorbei, über die Florence bereits gesagt hatte dass sie jene Blumen beschnitten hatte. Dann flanierten sie unter alten Zypressenbäumen daher, wo es angenehm und kühl war, bevor sie den Steingarten betraten, der den südöstlichen Teil des Hauses umgab. Überall tat Guy charmant seine Freude über den gut gepflegten Garten kund, doch er nahm auch die vielen Anzeichen der Vernachlässigung zur Kenntnis. Die Rosen waren teilweise verwelkt, die Zypressen trugen hier und dort braunes Blattwerk, der Steingarten trug die Narben von entfernten Unkraut, welche jedoch nicht durch neue Anpflanzungen verdeckt waren.

„Einst“, sagte Florence und gestikulierte mit ihrer zarten Hand, „gab es hier ein Farbenmeer. Die Gärtner hatten dafür gesorgt, dass zu jeder Jahreszeit die Pflanzen blühten, und man konnte im Schatten der Bäume bis hinunter zur heimlichen Grotte gehen. Jetzt ist alles verwildert. Es soll sogar Wölfe geben, die dort leben. Wir haben nicht mehr die Kraft das Gebüsch klein zu schneiden.“
„Vielleicht könnte ich helfen... Ich bin mir sicher, dass ich etwas tun könnte...“
Da erschien wieder dieses süße, traurige Lächeln. „Oh, Herr Quicke, sie sind so liebenswürdig! Aber da ist mehr als ein normaler Mann tun könnte. Nur ein so starker Mann wie sie wäre dazu in der Lage.“ Das leichte Drücken an seinem Ellenbogen ließ sein Herz vor Freude höher schlagen. „Mountbright benötigt Kapital. Das ist die Wahrheit. Ich bin pleite. Nur eine Familie mit Reichtum kann dieses Anwesen aufrecht halten, und die Familie der de Veraux ist dazu nicht mehr in der Lage.“
„Verzeihen sie mir die Frage, Miss De Veraux, aber haben sie schon einmal über eine Hypothek nachgedacht?“
„Mein Vater hält nichts davon. Eines der letzten Worte, die er zu mir sagte war: ‚Verschulde niemals Mountbright'. Es könnte eine zeitlang hilfreich sein, aber die Probleme werden dadurch nur noch schlimmer.“ Wieder gab sie einen Seufzer von sich und Guy nutzte die Gelegenheit um ihr Antlitz von der Seite zu bewundern. „Sollen wir ihm einen Besuch abstatten, bevor sie gehen?“
„Natürlich. Und, Miss de Veraux“, er blieb hinter ihr stehen, damit sie ihre Röcke hoch raffen konnte, um die Treppe zur Terrasse hinaus gehen zu können, „ich verspreche dass wenn wir verheiratet sind, Mountbright wieder zu dem wird, was es einmal war.“
Waren es Tränen, in denen das Abendlicht glitzerte? „Sie sind so lieb“, sagte sie, „da sie ‚wenn’ und nicht ‚falls’ sagen! Ich bin sicher, Vater würde seine Genehmigung geben, wenn er dazu fähig wäre. Aber für ihren Vater habe ich nicht das Recht zu sprechen. So weit wie ich das sehe, hat er sich bisher geweigert mich sehen zu wollen.“
„Er ist ein verdammter alter Narr!“
„Sagen sie nicht so etwas, Herr Quicke. Ich bin sicher, dass ihr Vater seine Gründe hat. Kommen sie, gehen wir ins Haus hinein. Mir ist es etwas kühl geworden. Ich muss außerdem noch das Geschirr abwaschen. Und dann werden wir meinen Vater besuchen.“

Guy hätte niemals in Erwägung gezogen Mountbright zu verlassen, ohne vorher Sir Hugh seine Achtung zu erweisen. Als der Vater seiner Geliebten war der Junker von Mountbright eine Person von großer Bedeutung, und theoretisch durfte nichts ohne sein Wissen und Genehmigung getan werden. Natürlich übernahm Florence an seiner Stelle die Verantwortung für alles. Es war außerdem eine Frage der Höflichkeit den armen alten Mann zu begrüßen, der nach vorne gebeugt in seinem Stuhl saß, ihn in die Augen zu schauen und hoffen dass er verstand was man sagte. Florence schwor, dass er alles verstand, und dass sie anhand seiner Blicke wüsste was er antworten wollte. Aber Guy konnte nichts dergleichen erkennen.
So war es für Guy eine Erleichterung, als Florence sagte: „So, Vater, wir wollen dich jetzt nicht länger stören.“ Und dann verließen sie ihn mit ihren Gesten der Verehrung.

Guy war zufrieden, als sie schweigend nebeneinander daher schritten, denn so konnte er die sanften und weiblichen Geräusche seiner Geliebten hören: Das Rauschen ihrer Röcke, das Klackern ihrer Schuhe auf dem abgewetzten Parkett - die er natürlich nicht sehen konnte, weil es sich so für eine Lady gehörte -, sowie das leise aber unüberhörbare Knarren ihres Korsetts.
Sie atmete nach dem Besuch bei Sir Hugh in der Bibliothek heftiger, emotionsgeladen. Guy bemerkte auch dass sie ein Taschentuch zwischen ihren Fingern drehte, als ob sie es zerreißen wollte. Schließlich blieb sie in der großen Eingangshalle stehen und sagte mit lauter Stimme: „Das ist allein Dinahs Schuld!“

Es war nicht nötig nach dem Grund ihrer Erregung zu fragen. Man konnte deutlich ihre Aufregung erkennen, nachdem sie ihren Vater verlassen hatte. Guy sagte äußerst taktvoll: „Ich dachte es war der Schock, als er die Nachricht vom Tod ihrer Brüder erfahren hatte.“
Florence schüttelte ihren Kopf, und man konnte definitiv Tränen in ihren Augen glitzern sehen. „Nein, nein. Das war zwar eine Tragödie, aber sie starben einen ehrenvollen Tod. Dinah... rannte fort. Sie hat Vater wegen eines Durchreisenden verlassen. Das ist der dunkle Fleck in der Familienchronik, der niemals ausgelöscht werden kann. Es wäre besser gewesen, sie wäre verstorben.“
„Flor... Miss de Veraux! So etwas spricht man nicht aus!“
„Oh, das tut mir so leid, aber es ist wahr. Sie war ein paar Mal Fremdgegangen, und eines Tages war sie weg. Sie hatte einen Brief für Vater zurück gelassen. Es wäre besser gewesen, wenn ich ihn geöffnet hätte!“
„Bitte, Miss de Veraux, sie dürfen sich nicht die Schuld dafür geben.“
Florence drückte das Taschentuch so stark zusammen, dass ihre Fingerknöchel hervortraten. „Sie verstehen das nicht! Wenn ich ihm die Botschaft übergeben hätte, vielleicht...“ Sie holte tief Luft, jedenfalls so wie es mit der schmalen Taille ging, und atmete langsam aus. „Nun ja, sie hatte den Brief an Vater adressierte, so wäre es von mir unverschämt gewesen ihn zu öffnen. Barnes brachte wie immer den Brief mit der allgemeinen Post zu Vaters Privatgemach. Ich kam etwa eine Stunde später zu ihm und fand ihn so vor, wie er heute noch ist.“ Sie schüttelte ihren Kopf. „Wir haben viel Geld für Ärzte ausgegeben, aber keiner von ihnen konnte helfen. Die meisten von ihnen sagten, wenn es ihm bald nicht besser geht, wird er, warum auch immer, es nicht wollen. Und er hat sich seitdem nicht mehr verändert.“

Guy schien es das Herz zu zerreißen, als er seine Geliebte weinen sah. Er wollte sie trösten, doch es fielen ihm nicht die passenden Worte ein. Wissend dass es nicht ausreichend war, stammelte er: „Vielleicht... vielleicht wird Gott doch noch ein Wunder bewilligen.“

Florence brach in Tränen aus und drückte ihr Gesicht gegen seinen Brustkorb. Guy hob hilflos und ziemlich ungeschickt seine Arme hoch. Er wusste dass ein Gentleman eine solche Lage nicht ausnutzen durfte. Aber er legte dennoch seine Arme um sie. Schon so lange hatte er das tun wollen, warum also nicht in diesem Moment, wo sie es dringend nötig hatte? Er murmelte beruhigende Worte, versuchte gleichzeitig seine eigene Erregung zu verbergen, die er fühlte, da sie so nah bei ihm war. Er streichelte ihre zarten und schlanken Arme, die harte und schlanke Taille. Gleichzeitig fühlte er wie seine Beine von einer Wolke aus Stoff umgeben waren.

Schließlich löste sich Florence von ihm und trat ein paar Schritte zurück. Sie wischte sich die Tränen aus den Augen und sagte schniefend: „Ich bitte um Entschuldigung. Es ist nicht richtig, wenn ich solch ein Aufsehen mache...“
„Bitte. Ich wünschte mir dass ich ihnen helfen könnte.“
„Falls wir verheiratet...“
„Wenn, Miss de Veraux. Nicht ‚falls’.“
Ein flüchtiges Lächeln erhellte ihr Gesicht. „Wenn wir verheiratet sind, Herr Quicke, wenn sie Mountbright zu seinem früheren Status wieder herstellen können, wenn die de Veraux’ wieder erhobenen Kopfes zu Englands Adel dazu gehören, dann wäre das für mich mehr als ein Wunder.“ Sie hielt seine Hände fest. „Und nennen sie mich bitte Florence.“
„Dann müssen sie mich aber auch mit Guy anreden.“
„Ich bevorzuge ‚Mein Teuerster’ oder ‚Mein Liebling’, Guy.“
Er lachte. „Du bist so süß!“
„Nicht mehr oder weniger als du. Schön. Du musst dich beeilen, oder dein Vater wird böse auf dich sein, da du so spät nach Hause kommst.“
„Wütend“, sagte Guy. „Er mag es nicht, dass ich überhaupt hier her komme. Er sagt... Nein. Ich will nicht wiederholen was er sagt. Du allein bist es wert.“
„Bitte. Ich muss wissen, was die Familie meines zukünftigen Ehemannes über mich denkt.“
„Er sagt... Er sagt dass die Familie de Veraux der Vergangenheit angehört und unsere Familie der Zukunft. Er sagt dass die alten Geldquellen versiegen und nur diejenigen, die neues Kapital haben für mich wert sind. Er sagt, dass ich eine Ehefrau von einer der heutigen Industriellen Familie mein Eigen nennen soll, da nur dies eine gute Investition in die Zukunft wäre. Er sagt, dass eine Übernahme von Mountbright eine reine Geldverschwendung wäre.“ Dann seufzte er kurz und fügte hinzu: „Aber ich liebe DICH, Florence!“
„Das ist das Schönste, was du mir jemals sagen konntest.“ Sie lachte ein wenig. „Aber wir können nicht die ganze Nacht hier verbringen! Ich will zwar nicht dass du gehst, aber du musst.“

Sie glitt leise rauschend über den stumpfen Marmorboden zu einem Tisch hinüber, der neben der Haustür stand. Dort nahm sie die Messingglocke in die Hand und schellte.
Eine Tür wurde geöffnet und bald erschien der Butler.
„Barnes, hole bitte Herrn Quickes Pferd und führe es vor die Tür. Ich befürchte dass er uns jetzt verlassen muss.“
„Sofort, Miss Florence.“ Barnes verneigte sich etwas steif und begab sich zur Tür für das Personal.

Den Anwesenden war natürlich klar, dass es schneller gewesen wäre den Stall zu erreichen wenn er die Haustür benutzt hätte, aber der Butler öffnete die Tür nur um Gäste ein- oder hinaus zu lassen. Jene Tür als Abkürzung zu benutzen wäre für ihn unverzeihlich gewesen.

„Sollen wir draußen warten, Guy?“
„Müssen wir uns selber nach draußen hinaus lassen?“, fragte Guy, als sie die schwere Doppeltür erreichten.
„Wir haben keine Lakaien. In diesem Haus leben nur Herr und Frau Barnes, meine Nanny, welche gleichzeitig meine Zofe ist, und ich. Ich würde mich schämen, wenn ich eine von ihnen rufen würde, damit sie für uns die Tür aufmachen.“

Die Sonne ging langsam unter, als Guy schließlich auf sein Pferd aufsaß und sich noch einmal verabschiedete. Sein Herz klopfte, da Florence ihn zuvor auf die Wange geküsst hatte, und er in einem Überschwung der Erregung versprochen hatte, seinen Vater zu überzeugen.

Florence musste um jeden Preis der Welt seine Ehefrau werden. Während er über die lange Zufahrt daher ritt, versuchte er nicht daran zu denken, was ihn zu Hause erwarten würde. Als er an der Wegbiegung ankam, hielt er das Pferd an und schaute zurück, um seine Geliebte noch einmal sehen zu können. Die letzten Sonnenstrahlen erleuchteten die große alte Westfassade von Mountbright, und vor der dunklen Eichentür stand die kleine Figur von Florence in ihrem hübschen weißen Kleid. Es war kaum zu glauben dass auf ihren schlanken Schultern die ganze Last jenes Anwesen lastete!

Er winkte ihr ein letztes Lebewohl zu, wischte sich eine Träne aus dem Auge, und trieb das Pferd zu einem schnellen Galopp an. Es gab Niemand, der das große Tor für ihn öffnen musste, denn es stand schon seit langer Zeit offen und rostete vor sich hin. Der Gedanke dass es nichts gab, was Einbrecher davon abhielt Mountbright auszurauben oder vielleicht seine Geliebte im Schlaf zu überfallen erschrak ihn. Er musste unbedingt seinen Vater umstimmen.

Die Sonne war längst untergegangen, als er zu Hause war. So war es zu spät mit seinem Vater ein Gespräch zu führen, was wahrscheinlich auch ganz gut war.

Nachdem Guy fortgeritten war, hatte es seine Geliebte plötzlich sehr eilig. Kaum war sie wieder in der großen Eingangshalle, nahm sie die Messingglocke in die Hand und klingelte damit so laut es ging. Als niemand kam, fluchte sie und versuchte mit den Händen den Rücken zu erreichen. Was auch immer sie versuchte zu tun, es klappte nicht. Sie fluchte erneut und durchquerte mit laut rauschendem Rock die Eingangshalle, um den großen Spiegel zu erreichen. Dort stellte sie sich mit dem Rücken vor den Spiegel, schaute über die Schulter nach hinten, und versuchte mit einer Hand die kleinen Perlmuttknöpfe ihres eng anliegenden Oberteils zu erreichen.
„Miss Florence!“, erklang eine Frauenstimme aus dem oberen Stockwerk. „Tun sie das nicht! Sie werden die Knöpfe abreißen!“
„Dann komm schnell herunter und mach es selber!“, rief Florence leicht eingeschnappt klingend.
Ihre Zofe und Kindermädchen hob ihre Röcke hoch und beeilte sich die Treppen hinunter zu schreiten.
„Da bin ich, meine Liebe“, sagte sie. „Sie dürfen sich nicht aufregen, sonst fallen sie noch in Ohnmacht.“
„Ein weiterer Grund, um dich zu beeilen“, murrte Florence. „Ich dachte schon dass er gar nicht mehr gehen würde. Ich kann jene 45- Zentimeter- Taille keine weitere Minute mehr ertragen. Oh, lockere das Korsett. Bitte, beeile dich!“
„Ich gebe mein Bestes“, sprach die Zofe beruhigend. „Aber ich muss sorgfältig sein. Das ist eines ihrer wenigen guten Kleider. Ich will es nicht ruinieren.“
„Du wirst MICH ruinieren, wenn du mich nicht bald aus dem Panzer heraus lässt! Ich spüre nicht einmal mehr meine Rippen!“
„Schhht, meine Liebe. Denken sie lieber daran wie gut wir es gemacht haben. Er konnte sie kaum verliebter anschauen. Wenn er nach Hause kommt, wird er mit seinem Vater sprechen. Und wenn eure Familien vereinigt sind, wird Mountbright...“
„Bitte, Nanny! Schnüre jetzt endlich das Korsett auf!“
„Aber Miss! Ich habe doch noch nicht alle Knöpfe geöffnet!“
„Dann reiß sie ab! Ich kann nicht mehr!“
„Das glaube ich nicht...“
„Tu es!“

Die Zofe gab einen gequälten Blick von sich. Ein Blick, den eine Dienerin niemals einer Lady der Aristokratie geben durfte, nicht einmal wenn sie hinter ihrer Herrin stand.
Noch während sie darüber nachdachte, wer das Malheur wieder in Ordnung bringen müsste, nahm die Zofe das halb geöffnete Oberteil des Kleids in ihre Hände und riss es ganz auf. Dabei rissen die vielen kleinen Knöpfe ab und kullerten auf den Marmorboden.

Die Zofe arbeitete so schnell wie sie konnte. Sie half Florence das Oberteil auszuziehen, sodass das abgetragene aber exquisit gefertigte Korsett zum Vorschein kam. Die Zofe löste die Schnur, welche den herrlichen Rock an Florences schmaler Taille fest hielt. Florence half der Zofe den Rock über ihrem Kopf zu ziehen.
Dann war der mächtige Reifrock an der Reihe. Zuerst musste der stählerne Taillenreif gelöst werden, der an Florences 45- Zentimeter- Taille angepasst worden war und die vielen Stäbe hielt, die unten an dem Abschlussring endeten, der einen Umfang von über vier Meter hatte.
Nachdem das schwere Ungetüm geöffnet war und fast von alleine auf dem Fußboden stand, konnte Florence endlich daraus heraus schreiten. Es folgte ein letzter Unterrock, und das furchtbare Korsett war endlich freigelegt.
„Wie lange brauchst du denn noch?“
„Die Korsettschnur sitzt ganz stramm, meine Liebe. Und der Knoten ist furchtbar festgezogen.“
„Zerschneide die Schnur!“
„Nein!“
„Mit wem glaubst du eigentlich zu sprechen? Ich bin die Herrin von Mountbrights!“
„Meine Liebe! Gute Korsettschnüre wachsen nicht im Garten! Wir müssen sie kaufen! Ah! Ich hab’s!“

Die unter Spannung stehende Korsettschnur glitt mit einem sanften Flüstern durch die Ösen, und das Korsett knarrte fürchterlich, da die enormen Zugkräfte plötzlich von dem Korsett genommen wurden.
Florence schloss ihre Augen und seufzte: „Ich danke dir. Ich lebe wieder.“
„Ich habe es aber nicht vollständig gelöst“, sagte die Zofe. „Sie wissen, dass sie große Schmerzen bekommen, wenn ich das Korsett zu schnell löse.“
„Wie locker ist es denn jetzt?“
Die Zofe nahm ein Maßband aus einer verborgenen Tasche ihres bodenlangen und nicht gerade wenig ausladenden Rocks heraus und legte es um die immer noch sehr schlanke Taille ihrer Herrin. „Etwas über 55 Zentimeter.“
„Damit kann ich leben. Damit kann ich sogar schlafen.“ Florence seufzte und fügte hinzu: „Ich habe schon immer jene jungen Frauen bewundert, die mit großer Hingabe strengstes Korsetttraining ausüben. Ich hatte bisher nicht gewusst was für eine harte Arbeit das ist.“
„Niemand hat ihnen jemals gesagt dass es leicht ist, meine Liebe. Sie dürfen aber nicht vergessen, dass sie es für eine gute Sache machen und nicht aus purer Eitelkeit.“
„Ja, aber nur wenn es mich für Guy unwiderstehlich macht, damit er mich heiratet. Und wer mich heiratet, der heiratet auch Mountbright.“

Die Zofe begann die Kleidungsstücke aufzusammeln, welche während des schnellen Befreiungsversuchs auf dem Fußboden gelandet waren. „Sind sie auch sicher, dass dies der richtige Weg ist, meine Liebe? Sie dürfen ihn nicht wegen seines Gelds heiraten, um dann herauszufinden das er ein Tyrann ist.“
„Dummerchen!“ Florence lachte. Doch dann legte sie schnell eine Hand auf ihre Taille und zuckte zusammen. „Autsch! Ich glaube fast dass du mich zerquetscht hast, als du mich für Guy so streng geschnürt hast.“
„Ich bitte um Entschuldigung, meine Liebe, aber sie wollten unbedingt 45 Zentimeter erreichen.“
„Ja! Und es war richtig. Nein, du musst dir keine Sorgen über Guy machen. Er betet den Fußboden an, auf dem ich gehe. Er würde meine Füße küssen, wenn er sie unter meinem Reifrock sehen könnte.“
„Das reicht aber nicht, meine Liebe. Lieben sie ihn?“
Das war eine schwierige Frage. Florence blieb stehen und überlegte. Schließlich sagte sie: „Ich denke schon.“
„Sie denken? Sollten sie sich nicht viel lieber sicher sein?“
„Nanny. Zu sehen was richtig ist und dennoch nicht das Richtige tun, grenzt an Feigheit. Guy liebt mich. Er wird alles tun, um mich glücklich zu machen. Und seine Familie hat das Geld Mountbright und die de Veraux wieder an ihrem richtigen Platz in der Gesellschaft zu bringen. Meine Schwester heiratete aus Liebe, das sagte sie jedenfalls. Und was hat sie nun davon? Sie wohnt wahrscheinlich in einem schmutzigen Zigeunerwagen in Irland, ißt gekochte Kartoffeln und geklaute Kaninchen. Sie hat ihre Familie ohne Erlaubnis verlassen. Ich dagegen kenne meine Pflichten.“
„Ja“, sagte die Zofe, doch es klang nicht überzeugt. „Da wir schon einmal dabei sind darüber zu reden was richtig ist: Sie sollten unbedingt ein Korsettleibchen zwischen dem Korsett und ihrem Kleid tragen.“
„Das würde aber meine Taille zusätzlich um fast einen halben Zentimeter reduzieren“, sagte Florence. „Das kommt nicht infrage.“
„Aber das Kleid liegt so eng an, dass man die Abdrücke des Korsetts darauf erkennen kann, Miss Florence! Das sieht nicht anständig aus!“
„Ich bin mir wirklich sicher, dass Guy nicht erschüttert ist, weil ich ein Korsett trage, Nanny. Selbst wenn er nicht die Abdrücke der Korsettstäbe und der Korsettschnur auf meinem Kleid sehen könnte, wäre er nicht so naiv zu glauben eine junge Dame hätte von Natur aus eine 45- Zentimeter- Taille. Wenn wir verheiratet sind, wird er es sowieso sehen.“ Sie lächelte mit hochgehoben Augenbrauen.
„Miss Florence, seien sie bitte nicht so ordinär!“
„Du nennst mich immer Miss Florence, wenn du böse auf mich bist. Nicht wahr? Ich bitte um Verzeihung, meine liebe Nanny. Und jetzt werde ich etwas für dich tun. Ich werde auf dem Fußboden herum kriechen, um die Knöpfe aufzulesen, die du aufgrund meiner Ungeduld abgerissen hast. Danach möchte ich, da nun mein Magen nicht mehr zerquetscht ist, ein kleines Abendessen zu mir nehmen.“
„Sie hätten heute Morgen besser frühstücken sollen...“
„Wenn ich das getan hätte, dann hätte ich niemals 45 Zentimeter erreicht. Aber Mountbright ist es wert. Komm’, lasst uns die Knöpfe aufsammeln.“

*****

Als Guy sich dem Herrenhaus näherte, hatte er es sehr eilig. Er hätte sich nicht getraut Florence zu besuchen, wenn er hätte zugeben müssen, dass er nicht mit seinem Vater gesprochen hatte. So hatte er schließlich all seinen Mut aufgebracht und mit seinem Vater gesprochen. Er musste einfach Florence heiraten, koste es was es wolle. Und sein Vater hatte gesagt...!

Es war schon spät, und die Schatten der Alleebäume erreichten fast Mountbright, als er die letzte Kurve nahm. Er spornte sein Pferd noch einmal an, denn er befürchtete dass Miss de Veraux bereits im Bett liegen könnte.
Da sah er seine Person. Aber das konnte nicht sein. Er sah jedenfalls eine Frau in einem dunklen Kleid im Garten neben den Rosen knien. Das musste Frau Barnes sein. Doch dann hätte die Haare grau und nicht schwarz sein müssen! Das konnte eigentlich nur seine Geliebte höchst persönlich sein!
„Florence!“, rief er verzweifelt, als sein Pferd über die von Moos übersäte Kiesauffahrt trabte. „Florence!“
Die nicht deutlich zu erkennende Person hob den Kopf und schaute ihn erstaunt an. Guy war bereits so nah, dass er jenen Gesichtsausdruck erkennen konnte. Doch dann ließ sie ihr Werkzeug fallen und rannte ins Haus hinein.

Kurz darauf hatte Guy das Haus erreicht und wartete vor dem Haupteingang. Er erwartete dass Florence jeden Moment heraus kommen würde. Als sich nichts tat, schaute er sich erstaunt um. Guy stieg vom Pferd ab und führte es um das Haus herum zu dem Rosengarten, wo er Florence zuletzt gesehen hatte. Dort lagen aber nur ein Paar harte, abgetragene Lederhandschuhe neben einem Häufchen abgeschnittener Rosenzweige auf dem Boden.
Nun ja, sie hatte ihm gesagt, dass sie im Garten arbeiten müsste und sich deswegen nicht schämte. Warum war sie also ins Haus gelaufen?

„Hallo! Herr Barnes! Wo sind sie?“ Das Echo seiner Stimme hallte von der Hauswand wider. Guy erhielt keine Antwort. Es kam auch niemand heraus um sein Pferd zu nehmen, und er wusste nicht einmal wo der Stall war.
Guy fluchte leise und band die Zügel an dem halb verrotteten Rosenspalier fest. Er wusste genau, dass nur ein kräftiger Zug reichen würde, und sein Pferd könnte fort laufen.

Guy betrat das Haus.
Mountbright hatte stets ein leeres Gefühl in Guy erweckt. Solch ein großes und großartiges Haus mit nur vier Bewohnern! Doch irgendwie fühlte es sich diesmal noch viel leerer an als jemals zuvor. Die Uhr tickte laut, und es waren entfernte murmelnde Stimmen zu hören, die aber weder lokalisiert noch zu identifizieren waren.
Guy nahm in der Eingangshalle die große Handglocke von dem kleinen Tisch und ließ sie laut erklingen. Nach einer halben Minute schlug eine Tür zu, und er sah Herrn Barnes langsam vom Hausflügel der Dienerschaft auf ihn zukommen.
„Komm schon du vertrottelter alter Narr“, murmelte Guy ungeduldig vor sich hin. Er verfluchte seine höfliche Erziehung, die es ihm gebot zu warten bis der Diener ihn begrüßte.
„Was kann ich für sie tun, Herr Quicke?“, fragte Barnes mit tiefer Stimme, als er endlich in der Eingangshalle stand. Er schien Guys Blicken auszuweichen.
„Wo ist Miss de Veraux? Ich muss sofort mit ihr sprechen!“
„Ich weiß nicht. Ich habe sie seit einiger Zeit nicht gesehen. Sie sagte, dass sie in den Garten gehen wollte. Haben sie dort unsere Miss gesehen?“
„Sie WAR im Garten. Sie lief ins Haus, als sie mich kommen sah. Etwas wirklich Furchtbares ist geschehen, und ich muss mit ihr sprechen.“
„Es tut mir wirklich leid, Herr Quicke, aber ich weiß wirklich nicht wo sie ist. Ich war die ganze Zeit im Dienstbotenbereich tätig und...“
„Ich habe jetzt keine Zeit für derartige Ausflüchte“, knurrte Guy und ging an Barnes vorbei.
Er hörte Barnes hinter sich sagen: „Wirklich, Herr Quicke, sie müssen nicht...“
Aber Guy nahm davon keine Notiz. Er lief in den Hauptkorridor hinein und öffnete eine Tür nach der anderen. Er sah Florences unglücklichen Vater, der ganz alleine in seinem Sessel saß und den Sonnenuntergang betrachtete. Guy fand aber niemand, der ihm weiter helfen konnte.

Als er an einer verdeckten Tür vorbeikam, die zu dem Flügel der Dienerschaft führte, blieb er stehen. Florence könnte sich erniedrigt haben, indem sie auf Aufgaben jenes Bereiches tätigte, aber er konnte sich nicht dazu durchringen dort einzutreten. Und falls sie dort wäre, hätte Barnes sie sicherlich gesehen.
So lief Guy zurück und stieß fast mit Barnes zusammen, der ihm langsam gefolgt war.
„Bitte, Herr Quicke, ich bin sicher dass ich Miss Florence finde, wenn sie mir die Zeit geben...“
„Keine Zeit! Ich habe keine Zeit!“ Guy lief zurück und ging die großartige Treppe mit dem mottenzerfressenen Teppich hinauf. Oben angekommen, waren die seltsamen Geräusche viel besser zu verstehen. Es war eine Stimme... eine Frauenstimme... eine gequält klingende Frauenstimme... es war die Stimme von...
„Florence!“
Guy schien um sein Leben zu rennen. Er betrat einen Korridor, den er niemals zuvor gesehen hatte.
Links gab es zwei Türen, rechts eine. Guy entschied sich für die Tür mit dem abgenutzten Türgriff. Er drückte die Klinke herunter, öffnete die Tür und...

Das hatte er noch nie gesehen, oder davon gehört. Eine waagerechte Holzstange hing an zwei Deckenseilen. Das sah fast genauso aus, wie die Trapezstange eines Zirkusartisten.
Florence hing mit ihren Händen daran, als würde sie jeden Moment eine Gymnastik- Vorführung machen wollen. Ihr Gesicht war blass, ihre Augen weit aufgerissen, ihr Mund weit geöffnet und sie gab einen verzweifelt klingenden Laut von sich, da ihre Zofe gerade hinter ihr stand und einen Fuß gegen Florences Hintern drückte und gleichzeitig an der Korsettschnur zog.

Es war ein Moment lang ruhig, bevor beide Frauen Guy erblickten. Die Zofe ließ voller Überraschung die Korsettschnur los und fiel mit dem Rücken auf den Fußboden. Florence starrte Guy mit einem Blick der Bestürzung an. Doch dann änderte sich ihr Gesichtsausdruck und sie sah verärgert aus.
„Was tust du hier? Hinaus!“
„Aber... aber mein Liebling. Ich habe dich gehört... und es klang so als ob du Schmerzen hättest...“
„Nanny hat mir geholfen mich anzuziehen! Hast du noch nie gesehen, dass eine Lady zuvor in ein Korsett geschnürt werden muss?“
„Meine... meine Mutter und meine Schwestern haben eigene Umkleideräume. Sie haben mich selbstverständlich nicht hinein gelassen!“
„Und du solltest mich ebenfalls nicht in dieser Lage sehen. Hinaus!“
„Nein! Da stimmt doch was nicht! Warum hast du vorhin aufgeschrien?“
Florence sanfter Mund hatte sich in zusammen gepresste dünne Lippen verwandelt. „Das Erreichen einer 45- Zentimeter- Taille ist nicht leicht, Herr Quicke. Und das versuche ich gerade zu erlangen, damit ich für dich in meinen Kleidern schön aussehen kann. Gehe jetzt bitte hinaus.“
Guy schüttelte etwas verwirrt seinen Kopf. Dieses Gespräch verlief in eine ganz falsche Richtung. Er hatte noch kein Wort von dem gesagt, warum er zu Mountbright gekommen war. „Nein, das kann ich nicht. Ich muss dringend mit dir reden...“
„Das kann warten, bis Nanny mich angezogen hat! Diese Situation ist für mich sehr unangenehm, Herr Quicke. Du darfst mich nicht in meiner Unterwäsche sehen, bevor wir verheiratet sind!“
„Das ist ja der Punkt, Florence! Ich muss mit dir darüber reden...“
Florence ließ die Stange los und hielt ihm ihre Hand entgegen. „Warte. Du hast mich schon genug Zeit gekostet. Lass bitte zuerst meine Zofe ihre Arbeit beenden und mein Korsett schließen. Sage bitte kein Wort, bis wir fertig sind. Dann können wir miteinander reden.“

Guy schloss seinen Mund und schaute zu. Florence streckte sich wieder zu der Stange hoch, hielt sich daran fest, und Nanny packte die Korsettschnur, drückte einen Fuß gegen Florences Rücken, und zog an der Schnur.
Das Korsett knarrte und ächzte, Florence keuchte und stöhnte, und Guy begann sich zu fragen ob er es besser tun könnte. Schließlich war er stärker als die Zofe. Er war kurz davor einen Vorschlag zu machen, als er sich daran erinnerte dass Florence ihm befohlen hatte zu schweigen. Der Anblick faszinierte ihn aber schon. Guy hatte nicht gewusst, dass es so viel Anstrengung, einer so harten körperliche Anstrengung bedurfte, die wunderbare Figur seiner Geliebten zu erreichen. Es bestand aber eine deutliche Kluft zwischen jenen Damen, die Korsetts normal trugen, so wie es seine Mutter und seine Schwestern taten, und jenen Damen, die wahrlich die kleinst- mögliche Taille erreichen wollten.
Eigentlich war es unhöflich sich zu setzen, während eine Dame stand. Aber Guy fand es dennoch besser sich leise hinzusetzen und den beiden Frauen schweigend bei der Arbeit zuschauen zu wollen.

Schließlich war der Kampf mit dem Korsett vorbei und die Zofe band in der nun sehr lang herunter hängenden Korsettschnur einen Doppelknoten und eine Schleife. Florences kleinen Brüste war weit nach oben gedrückt worden. Sie ließ langsam die Stange los und schaute Guy ins Gesicht. Ihr hübsches Gesicht zeigte noch Spuren der Verärgerung. Ihre Wangen glühten jedoch nur so.
„Also“, sagte sie und musste Luft holen. „Was gibt es?“
„Ich habe mit meinem Vater gesprochen. Ich sagte ihm, dass ich dich als meine Ehefrau haben muss, ganz egal wie er über Mountbright denkt. Er antwortete, dass wenn ich dich heirate, er mich enterben will.“
Florence wurde ohnmächtig.

Guy wartete lange, bis Florence den Umkleideraum verließ und wieder zu ihm kam.
„Mein Liebling, fühlst du dich nicht wohl? Gibt es da irgendetwas, das ich für dich tun kann?“
Florence lächelte halbherzig. „Das liegt an dem engen Korsett. Ich konnte jene Hiobsbotschaft nicht mit einer 45- Zentimeter- Taille verkraften. Ich muss mir eines meiner... bequemeren Kleider anziehen, um mit dir darüber zu sprechen.“

Sie trug wieder das dunkelgrüne Kleid, das er gesehen hatte, als er auf das Haus zugeritten kam. Ihre Taille war so schlank wie die schmalsten Taillen seiner Schwestern, wenn sie ihre Ballkleider trugen. Aber wenn Guy die Figuren seiner Schwestern mit jener verglich, die er bis dahin bei Florence gesehen hatte, waren seine Schwestern geradezu unförmig und dick.
Der Rock des dunkelgrünen Kleids erschien jedoch nun nicht mehr so füllig. Florence sah mehr wie eine Hausdame oder Zofe aus, nicht wie eine Königin. Da Guy seine Geliebte nun aus nächster Nähe sah, fragte er sich, warum sie zuvor weggelaufen war und musste sie einfach nach dem Grund fragen.
„Weil ich nicht wollte, dass du mich so siehst, Herr Quicke, nicht mit einer Taille von 55 Zentimeter. Das ist nicht jene Wespentaillen- Lady, in die du dich verliebt hast.“
„Ich liebe dich immer noch, meine teure Florence“, sagte Guy tapfer.
„Aber du vermisst meine Taille von 45 Zentimeter, liebster Herr Quicke. Du musst es nicht verleugnen. Ich sehe es an deinem Blick. Also, kommen wir zu deinem Vater. Was wird nun aus uns?“
„Nichts wird mich davon abhalten dich zu heiraten, Florence!“
Sie hob ihre Augenbrauen ein wenig hoch. „Aber es könnte dennoch etwas geben, was mich abhält dich zu heiraten, Herr Quicke.“
Eine leichte Verwirrung ergriff Guy. „Was meinst du damit? Dein Vater kann mich nicht zurückweisen, er ist... er ist...“
„Er lebt in einer anderen Welt. Ich weiß.“
„Das habe ich nicht gesagt!“
„Aber du hast es gedacht. Jedenfalls ist mein Vater nicht das Problem. Ich bin es.“
Guys Verwirrung wurde noch größer, und er fragte sich, ob er nicht genauso wie all die modischen Schönheiten ohnmächtig werden würde. Er brachte nur ein Wort heraus: „Du?“
Florence seufzte. „Ich kann nicht über meinen Schatten treten, Herr Quicke. Ohne deine Erbschaft oder ohne dem Geld deines Vaters kann ich dich nicht heiraten.“
„Aber... Aber ich liebe dich!“
„Das ist nicht der Punkt. Liebe allein kann Mountbright nicht retten.“
„Liebst du mich denn nicht?“

Es entstand eine lange und bedrückende Pause.

„Liebling, ich liebe dich... aber ich liebe Mountbright noch viel mehr.“
Guy ballte voller Enttäuschung seine Hände zu Fäusten. „Ich habe mit meinem Vater geredet, ich habe argumentiert... Er sagte jedoch immer nur das gleiche. Er sagt dass du nur hinter unserem Geld her bist.“
Florence lachte bitter. „Oh! Ich BIN hinter deinem Geld her! Ich bin sogar hinter dem Geld eines jeden anderen her. Ich würde natürlich Geld und Liebe bevorzugen. Aber, wenn ich beides nicht haben kann, würde ich Geld der Liebe bevorzugen. Alles, was du mir ohne dem Segen deines Vaters anbieten kannst, ist Liebe ohne Geld.“

Guy holte tief Luft und versuchte sein heftig schlagendes Herz zu beruhigen. Er überlegte schweigend. Dann sagte er: „Ich verstehe deine Gefühle und Handlung. Deine Familie hat hier seit mehreren Jahrhunderten gelebt. Unsere Familie zog dagegen nur in einem Gutshof ein, nachdem meine Eltern verheiratet wurden. Aus Sicht deines Vaters ist das hier ein großartiger Ort um zu leben, ein Ort um Besucher zu beeindrucken, ein Zeichen seiner Würde und seiner Herrschaftlichen Herkunft. Und genau von jenem Standpunkt aus betrachtet, ist Mountbright eine reine Geldverschwendung. Unser Gutshof ist in einem besserem Zustand, und es ist viel mehr, wie soll ich es ausdrücken, viel edler. Bezüglich deiner Familiengeschichte... Hunderte von Jahren in Mountbright…“. Er schnippte mit seinen Fingern, als ob er sagen wollte, dass die Zeit des alten Landadels abgelaufen war. „Mein Vater sagt, je eher, desto besser.“

Florence schritt in dem Zimmer nervös auf und ab. „Wenn ich wenigstens mit ihm darüber reden könnte...“
„Er hat mich nie verstanden. Ich hatte es versucht...“ Guys Stimme wurde leiser, denn er dachte nach. Dann rief er: „Florence, du musst meinem Vater nicht deine Gedanken sagen!“
„Wie soll ich das verstehen?“
„Du kannst dich doch so schön unwiderstehlich herrichten. Glaubst du, dass er dir dann widerstehen kann?“
„Ich weiß nicht. Ich... Du hast stets gesagt dass dein Vater ein harter Mann und ein sehr praktisch denkender Mann ist. Er wird sich nicht von einem hübschen Mädchen beeindrucken lassen, welches in einem aufwändigem Kostüm erscheint.“
„Da solltest du erst einmal meine Mutter sehen. Nicht zu vergessen meine Schwestern. Er ist dessen bezüglich mehr anfälliger, als du glaubst.“ Guy schlug mit seiner rechten Faust auf seine linke Handfläche. Das war die eindringlichste Geste, die Florence jemals bei ihm gesehen hatte. „Ja! Florence, mein Liebling, gehe wieder in dein Ankleidezimmer und lasse dich von deiner Zofe in dein engstes Korsett schnüren und in dein hübschestes Kleid hinein zwängen. Unsere Zukunft hängt an einem seidenen Faden.“

******

Es entstand eine sehr lange Zeit des Wartens. Und diesmal nahm Guy die schmerzhaft oder qualvoll klingenden Laute von Florence, als sie in ihr schmalstes Korsett hinein geschnürt wurde, kaum wahr. Er saß derweil mit zusammen geballten Händen in einem der unteren Räume und versuchte nicht daran zu denken was sein Vater sagen würde.

Als Guy trippelnde Schritte näher kommen hörte, sprang er hoch und starrte mit klopfendem Herz zur Tür.
Die Tür öffnete sich, und Florence kam laut raschelnd hinein. In der zunehmenden Dämmerung sahen ihre Augen viel schöner und dunkler aus als jemals zuvor. Sie trug ein Traum von Kleid, welches nur ein Abendkleid sein konnte, das ihre Schultern und den oberen Bereich ihrer Brüste entblößte. Ihre Arme waren mit zartem Tüll bedeckt, der kurze Ärmel andeutete. Das eng anliegende Seidenoberteil verjüngte sich nach unten zu einer Taille, die kaum dicker war als ihr Hals.
Darunter weitete sich das Abendkleid zu einer radikalen Weite aus Röcken, Rüschen und Verzierungen, sodass der Rocksaum einen riesigen Umfang einnahm.
„Deine Schönheit“, sagte Guy, „nimmt mir den Atem.“
„Während ich“, sagte Florence und machte einen leichten Knicks, „überhaupt nicht atmen kann.“
Guy war erstaunt. „Bitte, mach noch einmal diese Verbeugung.“
„So wie diese, Liebling?“
„Tiefer.“
Florence machte einen Knicks, der einem König gebührte. „Ist das so recht?“
„Weißt du überhaupt, mein Liebling, wie schön du aussiehst, wenn du das tust? Dein Rock verbreitet sich um dich herum wie die Blütenblätter einer Rose!“
„Oh! Guy, mein Liebling, du bringst mich in Verlegenheit!“ Sie neigte ihren Kopf nach unten, und ihre dunklen Ringellocken flossen vornüber, um ihr Gesicht zu bedecken.
Guy schlug das Herz bis zum Hals. Er war fast rasend vor Verlangen, vor Liebe, vor Besorgtheit und vor Hoffnung. „Und jetzt lege deine Handflächen zusammen. Ja, so ist es richtig. Drücke deine Hände ganz fest zusammen, als ob du voller Verzweiflung bist. Schaue mich mit einem flehenden Blick an. Ja! Liebling, du zerreißt mir das Herz.“
„Wir können nur hoffen, Guy, dass ich auch das Herz deines Vater erweichen kann.“
„Sein Herz mag hart sein, Liebling, aber es ist nicht aus Stein. Und jetzt, der letzte Schritt. Kannst du weinen?“
„Aber ja! Natürlich! Hast du etwa geglaubt, dass ich dir Letztens etwas vor gemacht habe...“
„Bitte, Liebling, rege dich nicht auf. Wir wollen doch nicht, dass du wieder ohnmächtig wirst. Natürlich hast du echte Tränen der Trauer vergossen. Die Frage ist, ob du es auch im richtigen Moment tun kannst, so wie eine Schauspielerin? Wenn du vor meinem Vater auf die Knie fällst, und ihn anflehst dass er dich als seine Tochter nimmt, kannst du dann auch weinen?“
„Ich habe noch nie auf Befehl geweint“, sagte Florence voller Zweifel. „Ich denke, dass ich an etwas Trauriges denken muss. Zum Beispiel an die Botschaft über den Tod meiner Brüder, als sie bei einem Feldzug gestorben sind. Oder daran wie meine Schwester uns verließ. Oder an die Nachricht, als meine Mutter fort war, worauf mein Vater in Agonie verfiel. Oder daran dass Mountbright ruiniert ist und der Name der de- Veraux in Vergessenheit gerät...“

Da liefen die Tränen über ihre Wangen und tropften auf ihre Brüste. Ihr Schluchzen wurde jedoch von dem viel zu engen Korsett unterdrückt.
„Halt ein, mein Schatz, halt ein! Komm in meine Arme.“
Florence erhob sich wieder und Guy eilte auf sie zu. Er achtete aber sorgfältig darauf nicht auf ihre herrlichen Röcke zu treten.
Guy hielt Florence in seinen Armen, und sie drückte ihr Gesicht gegen seine Schulter.

Als sie sich erholt hatte, blickte sie hinauf und lächelte kraftlos. „Jetzt ist all meine Schönheit ruiniert!“ Sie schluckte. „Meine Augen sind rot, mein Haar ist unordentlich. Ich muss schrecklich aussehen.“
„Du siehst wie ein schönes Mädchen aus, das eine harte Zeit erlebt hatte“, sagte Guy. „Und das trifft ja auch exakt zu. Jetzt ist es Zeit zu gehen. Komm mit mir.“
„Und wie soll ich zu euch gelangen?“, fragte Florence.
„Du wirst mit mir reiten.“
„In diesem Kleid?“ Florence griff in den kostspieligen Ozean aus Rüschen, der sich unterhalb ihrer äußerst schmalen Taille ausweitete.
„Ihr habt hier keinen Wagen, richtig? Und du kannst niemals achteinhalb Kilometer mit einer 45- Zentimeter- Taille gehen. Ich werde dich auf das Pferd heben, und du wirst vor mir sitzen, während ich dich festhalte. Du wirst so sicher sein, wie in einem Bett.“
„Dann wird uns dein Vater erst Recht aus dem Haus jagen.“

Guy lächelte ein schlaues Lächeln. „Meine Familie besteht nicht nur aus meinem Vater. Er mag zwar sehr praktisch veranlagt sein, aber meine Mutter hat eine sehr romantische Natur. Sie liebt es Romane zu lesen. Sie sehnt sich danach ein wahrhaft romantisches Leben zu führen. Sie möchte mehr erleben als nur diese Tee- Parties, Sticken und den Haushalt überwachen. Was könnte romantischer sein, als wenn ihr Sohn mit seinem Geliebten in den Armen auf einem Pferd angeritten kommt? Was könnte tragischer sein, als eine so schöne junge Dame von einer adeligen Familie, die auf dem Fußboden kniet und darum bittet von mir geheiratet werden zu dürfen? Vaters Wort mag im Stadtparlament und den Fabriken Gesetz sein, aber zu Hause gibt es zwei Meinungen.“

Florence nahm seinen dargebotenen Arm und ließ sich von ihm zur Tür führen. Dort stellten sie jedoch fest, dass sie aufgrund des Kleides nicht nebeneinander hinaus gehen konnten. Florence lachte, und Guys Herz hüpfte vor Freude, als er ihr heiteres und somit noch schöneres Gesicht sah.
Er trat zur Seite und folgte ihr. Dabei beobachtete er voller Entzücken ihre Röcke, die unterhalb der winzig erscheinenden Taille schwangen.

In der Halle nahm Florence die Glocke in ihre zarten weißen Hände, welche so viel kräftiger waren als man es ihnen ansehen konnte, und klingelte laut. Dann öffnete sie die Tür und ging nach draußen, ohne zuvor auf eine Reaktion aufgrund des Schellens gewartet zu haben.

Guy beeilte sich ihr zu folgen und schaute sich nach dem Pferd um. Das verrottete Klettergerüst, an das er sein Pferd angebunden hatte, war zerbrochen. Zum Glück war das Pferd nicht fortgelaufen und weidete auf dem ungepflegten Rasen.

Florence lachte erneut, als er das Pferd zurück führte. „Wir konnten uns niemand leisten, der den Rasen mäht. Wenn du hier leben möchtest, könnte dein Pferd diese Aufgabe erledigen.“
„Vater würde das niemals erlauben. Pferde auf dem Rasen... niemals! Wir sollten...“
„Sie haben geschellt, Miss Florence?“ Es war Barnes, der sich nach draußen begeben hatten und noch verwirrter aussah als gewöhnlich.
„Ja, Herr Barnes. Ich gehe aus dem Haus... mit Herrn Quicke.“
Barnes schaute zum Himmel hinauf, der bereits tiefrot bis dunkelblau war und die nahende Nacht ankündigte. „So spät, Miss Florence?“
„Viel später. Ich werde heute Nacht nicht zurück kommen, aber ich bitte dich für mich ein Licht in der Halle aufzustellen. Ich muss mit Herrn Quickes Vater sprechen.“
„Über Mountbright, Miss Florence?“
„Ja, Herrn Barnes. Über Mountbright.“
Das faltige Gesicht des Butlers zuckte und deutete ein Grinsen an. Er drehte sich herum, ohne darauf gewartet zu haben dies tun zu dürfen. Er hatte es offensichtlich eilig jene gute Nachricht den anderen zu übermitteln.
Doch da stoppte ihn Guys Stimme: „Herr Barnes!“
„Ja, Herr... Herr Quicke?“
„Ich benötige deine Hilfe. Komme bitte hier her und halte das Pferd für einen Moment fest.“
Barnes nickte, sah jedoch etwas verwirrt aus.
Guy bestieg das Pferd und setzte sich in den Sattel. Dann schaute er Florence an und sagte: „Ergreife meine Hand. Barnes, du hebst sie hoch.“
„Hoch heben, Herr Quicke? Ich bin nicht sicher, ob ich das kann. Als sie noch ein ein kleines Mädchen war...“
„Sie ist nicht viel größer geworden. Ich bin sicher, dass sie leicht ist wie eine Feder.“
„Und die Hälfte meines Gewichts ist mein Kleid, Herr Barnes.“ Florence kicherte vergnügt.

Barnes blickte kurz entsetzt drein, denn eine solche Impertinenz hatte er von der Erbin von Mountbright nicht erwartet. Doch dann ging er dennoch auf sie zu und legte seine Hände auf ihre Taille.
Als Guy Florence nach oben zog, und Barnes die Lady hoch hob, scheute kurz das Pferd, doch Florence saß schließlich halbwegs vor Guy auf dem Pferderücken.
„Bist du sicher, dass es uns beide tragen kann?“, fragte Florence.
„Du wiegst nichts, meinen Liebling. Du solltest meinen Vater reiten sehen. Wir beide zusammen wiegen nicht einmal soviel wie er, und es sind ja nur ein paar Kilometer. Du brauchst dir keine Sorgen machen.“

Auf ihrem Gesicht konnte man dennoch ihre Sorgen erkennen. „Ich könnte herunter fallen.“
„Nein, das wirst du nicht. Lasse mich meinen Arme um dich legen.“
„Das fühlt sich so schön an!“ Florence schmiegte sich an Guys Brustkorb an.
„Du kannst dir gar nicht vorstellen wie schön es sich für mich anfühlt, Florence.“
„Ich fühle mich so wohl. Ach, wenn mein Korsett nicht so eng wäre! Ich könnte ohnmächtig werden, bevor wir am Ziel sind!“
„Wenn dein Korsett wirklich zu eng wäre, Liebling, wärst du nicht so widerspenstig. Wir müssen uns jetzt beeilen. Wir dürfen nicht nach Einbruch der Dunkelheit ankommen.“
„Je später, mein Liebling, desto besser. Was könnte romantischer sein, als das ganze Haus in Aufruhr zu versetzen und voller Sorge auf dich warten lassen? Deine Mutter steht besorgt mit einer Lampe am Fenster... Deine Schwestern sitzen in ihren Nachthemden auf der Treppe... Und dein Vater steht drohend mit der Reitgerte in Hand an der Tür...“
„Bitte nicht!“ Guy drückte seine Fersen in die Flanken des Pferds, und ließ es los traben.

Als sie über den Kiesweg daher ritten, hörte Barnes Miss Florence rufen: „Hey! Pass auf! Mein Korsett!“

Ende