Latexdame Jannette moderne Korsettgeschichten 04.01.2020

Die Wege der Liebe

von Carn

Alle Rechte und weitere Nutzung beim Autor.

Übersetzung: Jannette

Kapitel Eins

Die Ampel wurde grün, und Janet löste die Handbremse. Sie fuhr in dem Moment los, bevor der Mann in dem Wagen hinter ihr seinen Daumen auf die Hupe drücken wollte. Während sie weiter fuhr, überdachte sie dieses immer währende Problem welches Frauen plagt: Was ziehe ich auf der Firmenfeier an? Auf der Einladungskarte hatte genau gestanden: "Für die Herren gilt Anzug- Pflicht; Damen kleiden sich entsprechend." Sie nahm an, dass der Gastgeber hilfreich sein wollte. Was wiederum bestätigte, dass die Einladung von einem Mann geschrieben worden war. Eine Frau hätte instinktiv die Verlegenheit erkannt, in die sie ihre Schwestern gebracht hätte.

Janet hatte es nie so leicht gehabt wie andere Frauen ihres Alters. Sie war, und ist es immer noch, sehr oft auf sich alleine gestellt. Und so hatte sie ihren eigenen "Dickkopf" entwickelt und stets das gemacht was sie für richtig hielt, was sich wie ein roter Faden durch ihr Leben zog. Ihr Vater war eine "wichtige Person" der Stadt und durfte nie gestört werden, wenn er vor dem Kamin saß und sein Kopf in die "Financial Times", dem "Wall Street Journal", anderen Wirtschaftszeitungen oder was auch immer steckte. Ihre Mutter war eine sehr angesehene Frau, denn sie war die Corsetiere des Königshauses. Damit konnte man kein höheres Ansehen bekommen!

Ihr Wohnhaus lag am angesehensten Platz der Stadt und war der Inbegriff der Diskretion. Reiche Frauen wurden von den Chauffeuren ihrer Männer mit Limousinen bis vor die Tür gefahren. Danach wurden die Autos diskret hinter dem Haus geparkt, wo die Fahrer auf deren Herrinnen warteten. Niemand sollte wissen, dass die Frauen die angesehenste Corsetiere aufsuchten.
In dem Haus wurden die alten und fetten Damen mit Tee und allerfeinsten kleinen Gebäckstücken gefüttert, während mit äußerster Diskretion das neueste Korsett für den aussichtslosen Kampf gegen die erbarmungslose Gewichtszunahme erörtert wurde. Das Resultat waren schwere maßgeschneiderte "Körperpanzer" aus natürlich den besten und teuersten Materialien, welche erfahrene Näherinnen in der rückwärtigen Schneiderei anfertigten, und ein kleines Vermögen kosteten.
Und "Ja", es war alles sehr edel und hoch angesehen, und natürlich ohne jeden Zweifel sehr rentabel. Andererseits wäre es aber auch schwer sich einen weniger geeigneten Ort für diese reichen und dicken Frauen vorzustellen.

Da die Eltern mit deren Karrieren beschäftigt waren, hatten sie ein Kindermädchen eingestellt, die mit Janet zu einem kleinen "Park" ging, der in der Mitte des Platzes lag. Dieser baumbestandene "Hafen der Freiheit" war nur für die Kinder der umliegenden Stadtvillen reserviert. Dort konnte sich Janet, sie war ein echter "Wildfang" geworden, ungestört mit den Kindern der anderen wohlhabenden Nachbarn austoben. Später wurde sie in einem der gehobenen Mädchen- Internate "verfrachtet". Die Schulferien verbrachten die Mädchen als Gäste in den Häusern der Schulkameradinnen. Janet war also für die "normalen" Menschen ihrer Stadt so unsichtbar wie möglich gemacht worden.

Wenn man ihre Eltern bezüglich ihrer Tochter gefragt hätte, dann hätte sie gesagt dass der nächste Schritt ein Erziehungsinternat in Paris wäre, wo man ihr den "Wildfang" austreiben würde. Anschließend hätte man sie auf eine Schule für "gehobene Töchter" geschickt, um sie auf den "Ehe- Markt" vorzubereiten. Der einzige Grund, warum Janet nach Cambridge gegangenen war um dort ein sehr erfolgreiches Wirtschaftswissenschafts- Studium zu absolvieren war ein Trick ihrerseits gewesen. Ihrer Eltern hatten ungelesen die Anmeldeformulare für die Uni, anstatt für das Erziehungsinternat unterschrieben. Später, als sie den Fehler bemerkt hatten, konnten sie es nicht mehr korrigieren ohne sich zu blamieren.

Jetzt wissen Sie, warum Janet Elspeth Watson ein einsamer, heimatloser Stern war.

Sie arbeitete inzwischen in einem immanent angesehenen Investment- Unternehmen in der Stadt, wo nichts anderes gemacht wurde als gewaltige Summen von Geld und Aktien in der Welt hin und her zu transferieren. Janet arbeitete sehr oft mit einem älteren geilen Mann zusammen, der irgendwie noch in der Vergangenheit lebte und seine feuchten Hände nicht an sich halten konnte. Die Tatsache, dass sie sehr intelligent war und somit über diesen Dingen stand und seine flackernde Begierde zu Lachnummern reduzierte, entlastete die anderen Partner sehr. Dies führte dazu, dass sie viel besser bezahlt wurde als die anderen, nur damit sie nicht auf den Gedanken kam sich eine viel angenehmere Stelle zu suchen. Andererseits führte das dazu, dass sie keine wie auch immer geartete Forderungen gegenüber dem Unternehmen stellen konnte. Denn wenn sie mit den ihr zustehenden gesetzlichen Mitteln gegen diesen geilen Bock vorgegangen wäre, hätte es eine Klageflut oder gar einen Massenexodus der anderen Frauen zur Folge gehabt.

Janet überlegte immer noch was sie auf der kommenden abendlichen Party tragen sollte, während sie den Wagen auf der Rückseite des Hauses parkte.
Ihre Eltern waren nicht zu Hause. So machte sie sich eine Tasse Kaffee und ging zur Schneider- Werkstatt hinüber. Janet wollte nämlich nicht alleine sein. Dort angekommen blieb sie stehen und frage sich warum die meisten dieser "seriösen" Korsetts aus diesem deprimierenden altrosafarbigen Material hergestellt wurden und wieso dieser Stoff auch noch "Teerose" hieß.

"Hallo Fräulein Janet. Du siehst sehr nachdenklich aus. Kann ich dir helfen?" Jill Pendle, die Werkstatt-Leiterin hatte Janet von hinten angesprochen.
"Hallo, Jill. Ich fragte mich nur, welches Kleid ich nächste Woche auf der Firmenfeier tragen soll." Janet drehte sich mit einem Lächeln zu Jill um. Sie kannten einander, seit sie eine junge Schülerin war und waren seit jener Zeit feste Freundinnen.
"Eine Firmenparty? Da trägt man doch das übliche kurze Schwarze. Wo ist das Problem?"
"Du kennst unseren alten Vizevorsitzenden nicht. Wenn der alte Sack ein paar Getränke intus hat, wäre eine Ritterrüstung angemessener."
Jill Pendle lachte. Dann überlegte sie kurz und fragte: "Ist er wirklich so schlimm?"
"Wäre er nicht der Sohn des Firmengründers und der Großaktionär, und deshalb sehr reich, wäre er schon längst rausgeschmissen worden. Leider hat er immer noch einen glänzenden Geschäftssinn und ist ein sehr cleverer "Bürotaktiker". Dem Vorstand bleibt also nichts anderes übrig als seine kleinen Eskapaden zu ignorieren. Sie sind schließlich auch allesamt Männer und haben keine Lust Maßnahmen bezüglich seiner ständigen lästigen sexuellen Belästigungen der Frauen aktiv zu werden."
Jill Pendle schüttelte nur den Kopf und dachte nach. Schließlich sagte sie: "Tja, wenn du den Kampf nicht vermeiden kannst, dann solltest du vielleicht doch eine Rüstung tragen."
"Wie meinst du das?"
"Das liegt am Unterschied der Geschlechter, meine Liebe. Männer tragen ihre Rüstung außen und sind die Angreifer. Wir Frauen tragen unsere Rüstung innen und sind ständig in der Defensive."

Diese leicht kryptische Bemerkung regte Janets Verstand an und lenkte sie auf einem insgesamt konstruktiveren Pfad. Um ehrlich zu sein, Janet hatte einen Hang zum schwarzen Humor und einen fast schon lausbübischen Drang für Abenteuer.
Somit begann Jill Pendle eine phantastischen, aber auch eleganten "Rüstung" für eine Dame zu nähen. Eine "Rüstung", von der nur eine junge Frau mit einem abenteuerlustigen Sinn für Humor träumte es tragen zu dürfen.

Die Firmenfeier sollte in einem lokalen Hotel stattfinden. Janet nahm ein Zimmer in der Etage darüber, wo sie mit Hilfe von Jill dieses Partykleid anziehen würde. Nur eine Frau mit dem hoch entwickelten Sinn für Humor und einem tapferen, fast leichtsinnigen Hang für Abenteuer, hätte sich getraut das zu tun.

Ja, es war ein schlichtes schwarzes Cocktailkleid. Es lag von den Knien bis unters Kinn hauteng an. Letzteres deswegen, weil es einen hohen, mit Korsettstäben versehenen Kragen im Stil der Zeit Eduards dem Siebten hatte. Das Kleid hatte obendrein lange Ärmel, um so viel wie möglich nackter Haut zu verbergen. Über dem Kragen trug sie ein breites Halsband, ebenfalls passend zu der Zeit von Eduards VII, aus Perlen auf goldenem Untergrund. Es gehörte einmal ihrer Großmutter. Das breite "Würgehalsband" wurde mit mehreren kniffligen Federklammern geschlossen und verbarg somit sehr wirksam den Reißverschlussschieber des Kleids vor bösen Fingern.

Der verborgene Teil war das Korsett. Nun, es wird eigentlich stets angenommen das Korsetts geheim sind. Aber diese war nun wirklich nicht dafür gedacht der allgemeinen Öffentlichkeit preiszugeben. Es ummantelte Janet von ihren Knien bis unter die Achseln. Eine kleine Technikfirma war damit beauftragt worden eine über die ganze Länge reichende Vorderschließe mit insgesamt zwölf Verschlussklemmen anzufertigen. Diese Schließe bestand aus viel dickerem Federstahl als üblich. Hinzu kamen nicht weniger als sechzehn entsprechend lange und stabile Korsettstäbe.
Jeder Ingenieur würde Ihnen bestätigen dass es im zugeschnürten Zustand nahezu unmöglich ist den Körper zu beugen.

Es war Kampf in das Korsett hineinzukommen. Und nachdem die über die ganze Länge reichende rückwärtige Schnürung fest angezogen, verknotet, sowie die überschüssigen Enden der Korsettschnur unter der sich kreuzenden Schnur zwischen den Ösen ordentlich durchgezogen und unten zwischen den Knien zusätzlich verknotet war, war Janet von den Knien bis zum Kopf steif wie ein Besenstiel. Das stellte die beiden Frauen natürlich vor eine große Herausforderung. Denn um in das Kleid hineinzugelangen, musste Janet zuerst ihre Füße dort hineinführen können. Aber das Korsett, und natürlich der Saum, wirkten wie ein Humpelrock. Abgesehen davon konnte Janet ihren Körper nicht in der Taille nach vorne neigen.
Sie "saß" schließlich auf der Kante des kleinen Schreibtischs, und hob ihre Füße hoch. Jill Pendle beeilte sich das zusammengeraffte Kleid über die Füße und Beine zu ziehen und zog Janet Lackpumps mit zehn Zentimeter hohen Absätzen an.
Nachdem das geschehen war, konnte Janet sich wieder hinstellen. Jill zog ihr das Kleid an und schloss den kurzen Rückenreißverschluss. Dann war das breite vergoldete Perlenhalsband an der Reihe, welches ebenfalls geschlossen wurde.

"Also", sagte Janet, während sie sich langsam vor dem Spiegel drehte. "Fast wie ein Elektrozaun. Ich kann mir nichts vorstellen das sicherer ist. Jill, du hast meine Erwartungen übertroffen."
"Wirst du damit klar kommen?", fragte Jill etwas besorgt. "Du bist nämlich viel enger geschnürt als ich es gedacht habe. Jetzt fällt mir nämlich auf dass ich alles zwei oder drei Zentimeter zu klein genäht habe. Das tut mir wirklich leid."
"Hmmm." Janet betrachtete ihren nun wahrlich kurvenreichen Körper. "Ich stecke jetzt da drin und kann nicht mehr ohne deine Hilfe raus. Ist dir eigentlich aufgefallen dass ich jetzt deine Gefangene bin? Ich fühle mich aber ganz gut in den Sachen, solange ich weiß dass du hier auf mich wartest um mich zu retten sobald der Kampf gewonnen ist."
"Du klingst sehr zuversichtlich, dass du gewinnst, mein Fräulein."
"Ich habe gerade mit dem Kampf begonnen. Jill, jetzt gibt es kein Zurück mehr! Nun denn! Sei bitte so nett und helfe mir zum Aufzug zu trippeln."

Im Foyer war vor den Aufzügen ein ziemliches Durcheinander. Hotelgäste gingen und kamen zu oder von den Aufzügen, Frauen und Männer gingen zu den Toiletten oder kehrten von dort zurück. Es bemerkte also kein Mensch wie ein Aufzug unten ankam und nur Janet heraus trat. Janet verließ den Aufzug und tauchte augenblicklich in dieser Menge ein, sodass niemand bemerkte wie sie mit winzigen Schritten das Foyer durchquerte.
Am Eingang zum Veranstaltungsraum nahm Janet einen trockenen Sherry von einem Getränketablett herunter und trippelte langsam mit winzigen Schritten, mehr als 15 Zentimeter waren nicht möglich, weiter.
Janet unterhielt sich mit dem einen oder anderen verteilt in dem Raum herumstehenden Kollegen, Kolleginnen und deren Begleitungen. Ihre erzwungenen winzigen Schritte fielen nicht auf, dafür aber ihre superbe Figur, was bei einigen Männern sehr spekulative Blicke hervorrief.

Janet musste nicht lang warten. Der steife Kragen, der ihren Hals und somit den Kopf unbeweglich machte, sowie das lockige Haar, welches ihr Gesicht umrahmte und fast wie Scheuklappen wirkte, schränkten das Gesichtsfeld derart ein, dass sie nur einen kleinen Bereich sehen konnte. Janet musste aber nicht ihren Kopf zur Seite drehen um zu sehen wem die Hand gehörte, die plötzlich ihr Gesäß streichelte.
"Guten Abend, Herrn Phlagott. Ich habe sie gar nicht hereinkommen gesehen." Janet hatte das Korsett vergessen, sodass ihr beim Reden fast die Luft ausging. Sie drehte sich herum, um den Eigentümer der umherziehenden Hand zu sehen.
Die anderen Damen hatten ihn allerdings schon längst hereinkommen gesehen und sich mit dem Rücken zur Wand oder nahe bei ihren Begleitern hingestellt.
Andrew Phlagott, stellvertretender Geschäftsführer und Vizevorsitzender des Vorstands kam in Janets Blickfeld.
"Hallo, Herr Phlagott. Wie ich spüre sind sie heute Abend mal wieder in Bestform." Janet schaute ihn dabei mit einem leicht wissenden Blick unter ihren langen künstlichen Augenwimpern an.
Andrew Phlagotts Anzug war einer der besten Anzüge, die ein Star- Designer herstellen konnte. Seine Handgefertigten Schuhe hatten mindestens zweitausend Pfund gekostet. Der Mann hatte eine gute Statur, war Mitte Sechzig, und sah für sein Alter immer noch sehr gut aus. Die leicht ergrauten Schläfen seines vollen Haars gaben ihm den Touch eines gereiften Manns.
Janet dachte, dass es grob unfair war. Die vergangenen Jahre, in denen Frauen stets unterdrückt wurden, hatten diesen Mann eine gewisse "Milde" oder "Vertrauenswürdigkeit" beschert. Wäre er nicht solch ein sexuelles Raubtier, er wäre unwiderstehlich gewesen.
"Janet, dein Glas ist leer. Das muss sofort geändert werden!"
"Danke, aber ich möchte nur ein Tonicwater, wenn sie so freundlich sind."
"Oh! Sind sie sicher dass sie nicht etwas Stärkeres haben wollen?"
"Nein danke. Ich denke, dass ich meinen Charme heute Abend nicht ruinieren möchte", sagte Janet mit einem bedeutungsvollen Lächeln.

Er kehrte fast sofort mit dem geforderten Tonicwater zurück. Das Glas war sehr voll, viel voller als ein Barkeeper es normalerweise in ein Glas einfüllen würde. Das gab ihm die "Entschuldigung" Janets Handgelenk zu halten, während er ihr das Glas übergab.
Sie sagte nichts. Sie stand mit einem geringfügigen Lächeln in dem Raum und wartete auf seine "Eröffnung" oder "Einladung". Jenes Lächeln brachte ihn anscheinend aus dem Konzept, denn normalerweise machte er stets eine Art von Eröffnung, mit der er die Aufmerksamkeit der auf sich lenkte um sie daran zu hindern sich von ihm weg zu bewegen.
"Du siehst heute Abend sehr schön aus, Fräulein Watson", sagte er schließlich.
"Danke, Herr Phlagott. Ich versuche mein Bestes."
In diesem Moment drückte sich eine ziemlich übergewichtige Frau an ihnen vorbei und gab ihm den Grund einen Schritt nach vorne zu gehen um der Frau Platz zu machen. Der Schritt warf natürlich größer als nötig, so dass er endlich Körperkontakt mit Janet bekam. Sie trat jedoch etwas zur Seite, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Und das wiederum gab ihm die "Entschuldigung" für das Legen seiner Hand auf ihre Hüfte, um sie vor einem "Sturz zu bewahren". Das Janet ihren Oberkörper nicht bewegen konnte, verschüttete sie bei jener Aktion etwas von dem Wasser.
"Meine Güte! Was für ein Gedränge", schimpfte er leise und ergriff Janets Ellenbogen um sie in die Richtung der Balkontür zu führen. "Lasst uns auf den Balkon hinausgehen. Dort ist es kühler und nicht so überfüllt wie hier drinnen."

Draußen auf dem Balkon waren sie alleine in der Dunkelheit. Für einen langen Moment stand er da und schaute zu den Sternen hinauf. Es war eine dieser klaren mondlosen Nächte. Auf dem Balkon schienen sie weit weg von der Hektik der Stadt zu sein.
"Der Himmel ist heute Abend so klar. Schau nur wie die Venus leichtet."
"Welches der Lichter ist die Venus?" Janet war sehr weit entfernt davon, eine Astronomin zu sein, aber sie war sich sehr sicher dass er etwas im Schilde führte. Sie stand vollkommen steif neben ihm und versuchte trotz des Halskorsetts ihren Kopf in eine "Sterngucker" Position zu bringen.
Er legte seinen Arm auf ihre Schulter, drückte sie sanft an sich heran, und zeigte mit dem anderen Arm nach oben. "Siehst du die Dreiergruppe aus großen Sternen? Man nennt sie auch den ‚Pflug'".
"Ich sehe sie. Und welche davon ist die Venus?"
"Unten rechts. Sie funkelt nicht so stark wie die anderen."
"Ah, ja. Es sieht gelblicher aus. Warum funkelt sie nicht so wie die anderen?"
"Weil es ein Planet ist. Und weil er näher an uns dran ist, sieht er genauso groß aus wie die anderen Sterne. Das Funkeln der Sterne kommt daher, weil deren Licht in den Turbulenzen unserer Atmosphäre gestreut wird. Und die Venus sieht deswegen gelblicher raus, weil ihre Atmosphäre das Sonnenlicht reflektiert."

Er war ohne jeden Zweifel ein eleganter als auch interessanter Redner und beherrschte die Kunst seinen Arm so um sie zu legen, dass es ganz natürlich erschien. Für ihn schien es ganz normal zu sein, seinen Arm ganz fest in Janets "private Zone" einzudringen. Er berührte jene Teile ihres Körpers, von der jede Dame mit Recht "Eintritt nur mit Einladung" behaupten konnte. Nach einigen Momenten begann Janet zu begreifen dass ihre vollkommen steife Figur eine Wirkung auf ihn hatte. Er erwartete offensichtlich, dass sie auf das Gefühl seiner umherziehenden Hände reagierte; ihn eventuell abzuwehren, oder eine andere Art der Entrüstung bezüglich seiner Kühnheit zeigen würde. Also ein Verhalten, was Frauen normalerweise taten. Und er viel zu viel Erfahrung in diesem Spiel, sodass ihm unerwartete Dinge nicht aus der Bahn warfen.
Es war der Moment, als sie merkte, dass sie feststeckte. Sie hatte keine Möglichkeit der Flucht, außer ganz laut zu schreien, was zu einem fürchterlichen Gerede der Partygäste geführt hätte. Sie hatte keine Alternative, außer dort stehen zu bleiben und ihn ihren steifen Körper, eingeschlossenen in Palisaden aus eisernen Korsettstäben, mit einer überraschenden Klarheit rauf und runter erkunden zu lassen. Sie hätte nicht seinen über ihrem Körper streichenden Händen entkommen können, denn das Korsett ließ nur winzige Schritte zu. Er hätte nur seinen Arm ausstrecken müssen um sie wieder einzufangen.
Janets Arme waren eigentlich frei, und sie hätte ihn somit abdrängen können. Aber er war offensichtlich sehr stark war und würde sie nur umso fester umarmen. Sie hätte ihn ins Gesicht schlagen können, aber das wäre an sich gefährlich, denn er könnte möglicherweise heftig reagieren, da ihn inzwischen die Leidenschaft gepackt hatte. Nein, sie steckte fest. Sie und Jill Pendle hatten sich so sehr angestrengt, und nun schien alles vergebens. Immerhin war sie innerhalb dieser femininen Rüstung so sicher wie in einer Burg. Das hoffte sie jedenfalls.
So stand Janet stocksteif da und ließ ihn sein Bösestes tun. Sie hatte ihren ursprünglichen Plan total vermasselt! Sie hatte beabsichtigt, dass ihre totale Rigidität ihn abschrecken würde und sie siegesbewusst zu den anderen zurückkehren würde. Es war allerdings genau das Gegenteil eingetreten.
Sein Atem war schnaufend und viel zu nah, als er sie zu sich heran zog. Er drückte seinen Mund auf ihre Lippen und drückte seinen Körper voller Leidenschaft gegen ihren harten und unnachgiebigen Körper. Das war nicht gut. Ihr ach so gut geplanter Streich hatte sich in einen Alptraum verwandelt. Steif und unbeweglich wie sie war, hatte Janet keine andere Alternative, außer zu schreien.
Sie keuchte und holte so tief Luft wie es ihr das Korsett erlaubte und…

"Vater! Da bist du ja! Ich habe dich schon überall gesucht!" Eine ruhige, gebildete Stimme kam aus der Dunkelheit heraus. "Das wirst du mir nicht glauben. Aber dieser Typ, den du schon seit Wochen kontaktieren willst ist hier! Wenn wir uns beeilen, kannst du mit ihm deinen neuen Vorschlag erörtern. Hier und jetzt!" Ein großer junger Mann kam zum Vorschein, nahm den plötzlich wieder zur Vernunft gekommenen Andrew Phlagott am Arm und führte ihn zum Partyraum zurück. Sie unterhielten sich nur noch über das Geschäft und ließen Janet atemlos und alleine in der Dunkelheit zurück.

Kapitel Zwei

Sonntag, ein Tag zum Ausruhen. Janet war letzte Nacht zu ihrem Hotelzimmer geflüchtet, wo Jill Pendle sie aus der Gefangenschaft ihres "Körperharnes" befreit hatte. Sie blieb noch bei ihr und trank mit Janet eine Tasse Kakao, bis Janet nach dem Trauma auf dem Balkon einschlafen konnte.

Janet fuhr nachdenklich an diesem Sonntagmorgen nach Hause. Sie erklärte ihren Eltern, dass sie das Zimmer gebucht hatte, um nicht in den Morgenstunden Raub- oder gar Vergewaltigungsopfer zu werden. Es gab dennoch einige fragende Blicke. Eine Dame könnte schließlich eine andere Verwendung für ein Schlafzimmer direkt über der Party haben. Aber sie war schließlich ein großes Mädchen, und die Eltern wussten dass die Tage vorbei waren, wo sie auf "das kleine Mädchen" aufpassen mussten. Janet musste nun ihre eigenen Entscheidungen treffen.

Janet bewahrte eine Kopie des firmeninternen Telefonbuchs in ihrem Zimmer auf. Es war schließlich ein internationales Unternehmen in dem sie arbeitete. Und so kam es manchmal vor, dass sie zu Hause zu den unmöglichsten Zeiten angerufen wurde, nur weil ein Mitarbeiter auf der anderen Seite der Weltkugel ein wichtiges Geschäft tätigte.
Sie schlug im alphabetischen Abschnitt die Seite mit Andrew Phlagott auf. Wie von ihr erwartete war direkt darunter der Name Kenneth Phlagott aufgelistet. Er war Manager einer anderen kleinen Abteilung. Sie erinnerte sich daran, denn die stand in der Börsennotierung ziemlich weit unten.
Janet führte eine Internetsuche nach dem Namen 'Phlagott' aus, fand aber nichts. Eigentlich hatte sie gehofft wegen des recht ungewöhnlichen Namens mehr über ihren Retter erfahren.

Sie saß eine Weile vor dem Monitor und starrte gedankenversunken darauf, und versuchte den jungen Mann noch einmal in Erinnerung zu bekommen.
Sie hatte in der Dunkelheit auf dem Balkon nur einen kurzen Blick auf ihn werfen können. Aber was sie gesehen hatte, war ein Mann mit breiten Schultern, der einen makellosen Anzug trug und eine sehr angenehm klingende Stimme hatte. Er war auch nicht aufdringlich gewesen. Falls er die Situation wahrgenommen hätte, und dessen war sich Janet sicher, dann hatte er diesbezüglich geflissentlich geschwiegen. Er war aber dennoch sehr nahe gekommen um seinen Vater fortzuführen, was ihre Verlegenheit erhöht hatte.
Sie war dem jungen Mann dankbar. Da gab es keine Zweifel. Sie war aber auch eine Person, mit einer gewissen "angeborenen" oder "typischen" Neugier einer Frau. Somit wäre es unvorstellbar gewesen diese Neugier nicht zu erfüllen.

Es gab in ihrem Kleiderschrank große Schubladen, groß genug um das phantastische, lange Korsett aufzunehmen. Sie legte es nach ganz hinten, in der Hoffnung es zu vergessen. Es hatte seinen Zweck erfüllt, wenn auch auf einer ganz anderen Weise. Janet sah also keinen Grund es jemals wieder tragen zu wollen. Was für ein Witz! Ach, wenn es doch so leicht wäre darüber zu lachen.
Janet durchwühlte ihre Garderobe und überlegte was sie anziehen sollte. Es dauerte eine Weile, bis sie nachdenklich wurde und so langsam begriff dass sie nicht einmal wusste warum sie es tat. Sie musste doch nirgends hingehen. Ihr Terminkalender war für diesen Tag leer. T-Shirt und Jeans waren völlig ausreichend um im Haus herumzulungern.

Janet lief ziellos umher und wusste nicht einmal warum sie das tat. Sie war anscheinend die Einzige, denn selbst ein Blinder hätte es ihr angesehen. Dieser kurze Moment draußen auf dem dunklen Balkon, wo Kenneth Phlagotts erschienen war, hatte gereicht um sich tief in ihrer Seele einzubrennen. Janet hatte es nur noch nicht begriffen.

Sie war verliebt!
Janet war zuvor noch nie verliebt gewesen, jedenfalls nicht auf dem ersten Blick. Sie hatte gehört dass es Liebe auf dem ersten Blick geben würde, und dass es einem innerhalb einer Sekunde "umwerfen" würde. Und das war geschehen!

Janet wählte schließlich ein ziemlich elegantes Business- Kostüm aus und trug es zur Schneider-  Werkstatt, in der am Wochenende niemand anwesend war.
Sie kannte diese Werkstatt seit ihrer Kindheit an und wusste wo in den Regalen halbfertige oder sogar abholbereite Korsetts lagen, die aus welchen Gründen auch immer, auf eine Verwendung warteten. Ihre Mutter war ihr ganzes Leben lang eine der angesehensten Korsettmacherinnen gewesen. Das war der Grund, warum es so viele fertige Korsetts gab.
Janet fand schließlich ein Korsett in ihrer Größe. Es war ein sehr stabiles Halbbrust- Korsett mit Schulterriemen und reichte hinten und an den Seiten bis zu den Achseln hinauf.
Janet setzte sich an eine der Nähmaschinen und änderte den Rock als auch die Jacke entsprechend den Maßen des Korsetts.
Nachdem sie das Geschäfts- Kostüm gebügelt hatte, hängte sie es in ihrem Zimmer auf, da sie es am Montag tragen wollte. Für den Rest des Tages machte sie sinnlose Dinge. Sie setzte sich zu ihren Eltern dazu, beteiligte sich aber nicht an deren Unterhaltung, sondern starrte auf den Fernseher, wo allerlei politische Statements vorgetragen wurden.
Irgendwann gab sie auf und ging früh zu Bett. Es wurde eine endlos lange Nacht, in der sie immer wieder wach wurde.

*****

Janet stand an jenem fatalen Montagmorgen früh auf. Wenn sie noch länger wach gelegen und die Zimmerdecke angestarrt hätte, wäre sie verrückt geworden. Sie duschte sich und setzte sich danach an ihren Schminktisch, um die Haare zu frisieren und dezent zu schminken. Dabei musste sie an ihr Outfit denken und fragte sich warum sie es am Vortag nicht anprobiert hatte. Janet hatte nämlich noch nie den ganzen Tag lang ein Korsett getragen. Sie hatte es nie für nötig gehalten. Okay, sie hatte schon das eine oder andere Korsett ausprobiert. Als Tochter einer so bekannten Corsettiere wie ihrer Mutter war es schlichtweg unmöglich nicht der Neugierde zu erliegen. Ihre Mutter hatte ihr allerdings davon abgeraten das Korsetttragen zur Tagesgewohnheit werden zu lassen.

Und nun sahen die Dinge im kalten Licht des Morgens ganz anders aus. Das Korsett lag dort und schien sie anzustarren, so als wollte es Janet auffordern es wie geplant anzulegen. Dabei hatte es am Vortag ganz anders ausgesehen, so als hätte es ihr ein Abenteuer versprochen.
Und nun lag es dort da und wartete darauf dass Janet sich dem Korsett ergab!
Als Janet sich das Korsett am Körper anlegte, fühlte es sich schwer und kalt an. Janet mühte sich mit der ihr nicht vertrauten Aufgabe die sechs Verschlüsse der Vorderschließe einzuhaken. Danach taste sie mit den Fingern hinter ihr herum. Schließlich fand sie die Enden der breiten Schulterriemen, warf sie über die Schultern nach vorne, und befestigte sie unter den Achselhöhlen. Sie zog die Schulterriemen fest, wodurch ihre Schultern etwas nach hinten gezogen wurden.
Strümpfe! Normalerweise trug sie Strumpfhosen. Janet kämpfte aufgrund der ungewohnten Steifheit um ihre Beine in Strümpfe zu bekommen an den Strumpfhaltern des Korsetts zu befestigen. Es gab jeweils drei Strumpfhalter pro Bein. Dieser Akt war die erste Andeutung davon, wer der Chef in dieser für sie noch neuen Welt war.

Janet nahm ein Maßband zur Hand. Allein das Schließen des Korsetts hatte den natürlichen Taillenumfang um gut zwei Zentimeter reduziert. Sie hatte allerdings den Bund des Rocks wesentlich enger gemacht. Um den Rock anziehen zu können, müsste sie ihren Taillenumfang noch weitere zehn Zentimeter reduzieren. Das klang machbar.
Janet griff nach hinten, nahm die Schlaufen der Korsettschnur in die Hände, holte tief Luft, und zog. Das Korsett wurde langsam enger. Janet schaute über ihre Schulter in den Spiegel. Der Spalt zwischen den Schnürleisten betrug noch geschätzte fünf bis sechs Zentimeter. Und da es so nicht weiter ging, wendete Janet einen alten Trick an. Sie hakte die Schlaufen der Korsettschnur an den Türgriffen ein, griff nach hinten um die Schnur durch die Ösen nachzuziehen, während sie sich gleichzeitig von der Tür "wegstemmte". Nachdem das Korsett geschlossen war, hielt sie die Korsettschnur fest, ging zurück um die Bänder von den Türgriffen herunterzunehmen, und band schnell einen Knoten samt zweier Schleifen.
Nun war Janets Oberkörper richtig steif und sie drehte sich wenig später vor dem Spiegel hin und her.
Janet keuchte! Das war eine neue Janet. Sie sah eine wohlgeformte Figur mit einer schmalen Taille und flüsterte "Elegant", während sie sich von allen Seiten betrachtete. Ihre Körperhaltung war perfekt. Sie stand vor dem Spiegel und sah, die Schultern waren leicht nach hinten gezogen, dass das geänderte Business- Kostüm perfekt saß.
Janet war bereit.

Sie schlich sich durch die Hintertür aus dem Haus hinaus und sah sich sofort mit einem neuen Problem konfrontiert. Wie sollte sie in ihrem kleinen Wagen sitzen? Janet schob den Sitz nach hinten, neigte die Lehne ebenfalls ein Stück weiter nach hinten und kletterte recht umständlich in den Wagen hinein. Ein kurzer Check: Ja, das Fahren war möglich!
Sie fuhr ganz langsam und vorsichtig zur Arbeit, parkte den Wagen auf dem Firmenparkplatz und betrat das Gebäude.
Janet bekam auf dem Weg dorthin ein oder zwei neugierige Blick. Im Aufzug war es ebenso und ihre Sekretärin schaute sie auch erstaunt an. Aber niemand hatte eine Bemerkung von sich gegeben.
Auf ihrem Schreibtisch lagen ein paar Ordner mit unterschiedlichen "Post-It"- Vermerken, welche jedoch nach ein paar Anrufen rasch erledigt waren. Dann, wie jeden Morgen, checkte sie ihren "Outlook"- Terminkalender. Du "Ja", sie saß mit aufrechtem Oberkörper. Was sollte auch schon daran merkwürdig sein? Und doch war an jenem Morgen etwas anders. Das fiel selbst ihr auf. Es dauerte nur eine Weile, bis sie begriff dass sie zu Haus mit den Schulterriemen ihre Schultern nahezu unbeweglich gemacht hatte. Sie hatte einen Fehler gemacht. Sie hätte die Enden der Schulterriemen erst nach dem Zuschnüren des Korsetts festschnallen sollen. Da das Korsett während des Zuschnürens um sie herum "geschrumpft" war, wurden somit die Schultern viel weitere als geplant nach hinten gezogen. Das war ihr zuvor nicht aufgefallen, da sie zu aufgeregt als auch von dem Verkehr abgelenkt gewesen war. Doch nun, da sie in aller Ruhe vor ihrem Schreibtisch saß und wie gewohnt ihre Unterarme auf den Schreibtisch legen, oder dort etwas tun wollte wollte, fiel ihr dieses Missgeschick auf.
Die Auswirkungen der zu fest anliegenden Schulterriemen waren sogar noch weitaus größer. Das Korsett hielt sie von einer normalen Bauchatmung ab. Okay, das war zu erwarten. Aber die viel zu strammen Schulterriemen behinderten ihre Brustatmung. Mit anderen Worten: Es war nur die "normale" Atmung möglich, die man im körperlichen Ruhezustand, wie zum Beispiel Sitzen, tat. Ein tiefer Atemzug war also absolut ausgeschlossen.
Aber das war Okay. Janet beruhigte sich, denn sie wollte ja schließlich keinen Marathon laufen. Konnte es sein, dass sie etwas nicht bedacht hatte?
Und ob!
Es geschah, als sie aus dem links von ihr stehenden Büro- Rollcontainer die Tagespost herausnehmen wollte. Da das entsprechende Fach weiter unten war, musste sie sich stark nach unten neigen. Als sie das tat, blieb ihr die Luft weg! Janet setzte sich schnell wieder gerade hin und atmete mehrmals ein und aus. Dann hielt sie die Luft an und nahm die Tagespost aus dem Fach heraus. Es war nur ein einzelner Umschlag, ohne Briefmarke. Der Brief war also durch die interne Hauspost bei ihr abgegeben worden. Er war an "Fräulein Janet Watson" adressiert; mit Tinte, nicht mit Kugelschreiber oder Drucker. Es war eine elegante Handschrift in einer ungewöhnlichen, blauen/malvenfarbenen Tinte, die der Schreibkunst irgendwie eine Individualität gab. Janet wusste sofort, man kann es ruhig weibliche Intuition nennen, dass der Brief von Kenneth Phlagott kam!

Janet starrte eine gute Minute lang den Briefumschlag an, bevor sie den Brieföffner nahm, den Brief herausnahm und las:

Sehr geehrte Fräulein Watson,

Ich bedauere, dass die Dinge auf der Party aus dem Ruder gelaufen sind. Es war natürlich unentschuldbar, aber ich bitte Sie kein Urteil zu fällen, bevor Sie die traurige Geschichte hören. Ich bitte Sie heute Mittag mit mir zu essen.

Mit den besten Grüßen,
Kenneth Phlagott.

Janets Herz machte einen Freudensprung. Ihre Hand zitterte, als sie zum Telefon griff.
"Hallo, Janet Watson hier. Herr Kenneth Phlagott, bitte."
"Ich bedauere, Fräulein Watson. Herr Phlagott ist zurzeit in einer Besprechung." Eine effizient weiblich klingende Stimme hatte geantwortet. Aber so wie sie es gesagt hatte, klang es eher wie: "Und wer bist du, die es wagt mich zu fragen und obendrein die Unverschämtheit an den Tag legt um seine Exzellenz anzurufen?" Stattdessen fragte sie: "Soll ich eine Nachricht hinterlassen?"
Janet schluckte. Dann sagte sie: "Sagen sie ihm bitte, dass ich seine Notiz erhalten habe. Und Ja, ich werde zur Mittagszeit verfügbar sein."
"Ich informiere Herrn Phlagott."
"Danke."
Und mit einem Klick war die Leitung stumm.

Kenneth Phlagott war, das wusste sie, Manager einer kleinen aber hoch spezialisierten Abteilung. Janet durchsuchte die hausinterne Telefonliste und sah dass in seinem Team mehrere studierte als auch promovierte Personen waren. Das was sie taten, war hoch vertraulich und neu in der Welt der Hochfinanz. Und er, soviel war klar, befand sich schon mit einem Bein im Hauptdirektorium.
Und ER forderte sie auf mit ihm zu Mittag zu essen! Und sie setzte alles daran ihn für sich zu gewinnen! Allein der Gedanke klang so als wäre sie die ultimative Hauptgewinnerin! Nein, sie machte sich keine Hoffnungen. Der Griff ihres Korsetts sagte ihr, dass sie darin gefangen war. Sie hatte es sich sogar noch selber angetan. Aber nun gab es kein Zurück. So saß sie, steif wie ein Besenstiel, und überlegte was sie hatte getan. Sie war dazu verdammt ihren Plan auszuführen, zu versuchen ihn für sich zu gewinnen, so wie es die Frauen auf dieser Welt schon immer getan hatten.
Oh Gott! Was ist, wenn er ein Mann war, der Korsett- tragende Frauen verachtete!? Darüber hatte sie überhaupt nicht nachgedacht, nicht einen einzige Sekunde lang! Nun ja, nun war es zu spät.

Janet rutschte leicht auf ihrem Stuhl hin und her und das Korsett "sagte" ihr sofort: "Komme was mag, du bist gefangen für den Tag." Es war unbarmherzig. Es gab keine Flucht. Das Korsett war ihr Meister. Leise und unerbittlich hatte es die Kontrolle über sie genommen. Janet war ein Mädchen, das Neues liebte. Und das war ein neues Abenteuer. Aber es war etwas Anderes, vollkommen neu und außerhalb allem was sie sich jemals erträumt hatte.
Eine Frau in einem steifen, sie beherrschenden Korsett kann keine krumme Haltung haben. Was für ein Gedanke! Sie muss ganz gerade sitzen, wie eine Königin, und die Welt um sich herum verwalten. Der entspannte Umgang mit den Mitarbeitern, das Lächeln, der lockere Führungsstil ihres kleinen Teams, all das war Vergangenheit. Solange sich alle an die Regeln, ihren strengen und unnachgiebigen Regeln hielten, wäre sie die elegante Dame, deren Lächeln umworben werden sollte. Ihr Stirnrunzeln sollte aber gefürchtet werden.

Im Laufe des Vormittags begann Janet zu merken, dass sie sich in eine ganze neue Welt hatte treiben lassen. Und das lag nicht nur an ihrer Erscheinung alleine, ihre ganze Einstellung zu den Dingen hatte sich verändert. Diese Erkenntnis traf sie mit voller Wucht, als mit dem Lesen, Korrigieren und Abzeichnen diverser Dokumente fertig war. Ihr wurde gewahr wie ihre Sekretärin mit irgendeiner ärgerlichen Plage zurechtzukommen versuchte, welche unnötige Rückfragen zur Folge hatten. Janet machte eine winkende Geste und zeigte mit ihrem Zeigefinger auf das Telefon. Sie übernahm das Gespräch.
"Janet Watson, wie kann ich ihnen behilflich sein?"
Es entstand am anderen Ende der Leitung eine kleine Pause, bis jemand sagte: "Gott sei Dank! Endlich jemand mit einer kleinen Autorität!"
Janet kannte diese Stimme. Sie gehörte einem großen Kerl mit Bullennacken aus einer der Auslandsbüros. Der Typ strotzte nur so vor Selbstüberschätzung.
"Janet Watson am Apparat. Wie kann ich mit meiner kleinen Autorität ihnen behilflich sein?  Ich bin sicher, dass wir die Angelegenheit lösen können, ohne es an die große Glocke zu hängen."
Janet war erstaunt darüber wie sie sprach. Sie sprach ganz ruhig und sehr höflich. Mehr erlaubte ihr auch nicht das Korsett, denn um lauter sprechen zu können, hätte sie tiefer Luft holen müssen. Aber es funktionierte!
Der Typ beruhigte sich und erklärte sein Problem. Janet hörte geduldig und schweigend zu. Dann bat sie um Klärung verschiedener Punkte, bis es ihm langsam dämmerte dass sie ihn auf die Lösung des Problems gestoßen hatte, welches er verursacht hatte.
Mit einem Male war ganz kleinlaut, dankte ihr für ihre Hilfe und beendete das Gespräch.

Für einen Moment saß Janet schweigend da und wunderte sich. Das Gespräch war ganz anders verlaufen als bis zu jenem Tag. An diesem Tag konnte sie ihre Stimme wegen der Dummheit dieses prahlerischen Rüpels laut mehr laut erheben. Ein Tag vorher, oder genauer gesagt noch am vorherigen Freitag, da hätten sich die beiden fürchterlich aufgeregt, sich wohlmöglich auch noch angeschrien. Und das hätte letztendlich dazu geführt dass andere Personen und Instanzen mit hineingezogen worden wären. Alles in Allem: Eine fürchterliche Zeit- und Kraftverschwendung.
Janet schaute sich um und sah dass ihre Sekretärin das Gespräch mitgehört hatte. Sie legte den Hörer auf und sagte zu ihrer Vorgesetzen: "Das war clever!"
Janet neigte ihren Kopf etwas zur Seite und erlaubte sich ein kleines Lächeln. Dann sagte sie "Höflichkeit kostet nichts", und kehrte zu ihrer Schreibtischarbeit zurück.

Janet war nun seit mehreren Stunden streng geschnürt. Das hieß aber nicht, dass sie es nicht mehr so streng empfinden würde. Nur die Schulterriemen, an die hatte sie sich nicht gewöhnt. Das Korsett fühlte sich mit der Zeit sogar noch fester an, und es gab nicht einen Moment der Entspannung. Das Korsett war leise, nicht entfernbar, und ihr unerbittlicher Meister. Es gab keine Möglichkeit der Flucht.
Oh, warum hatte sie den Bund des Rocks nur so stark verkleinert? Warum war sie solch eine Närrin bei der Auswahl dieses massiven Korsetts gewesen? Sie hätte doch ein anderes, nicht so enges Korsett nehmen können. Eine Korsett- erfahrene Frau hätte ihr sicherlich geraten den noch unerfahrenen Frauen an ein weniger enges Korsett zu gewöhnen! Vielleicht war auch das der Grund, warum es im "Rückgabe"- Fach der Regale gelegen hatte. Aber dafür war es nun zu spät.
Doch dann erinnerte sich Janet daran wie sie vor ihrem Garderobenspiegel gestanden hatte. Ihr war die alte viktorianische Redensart eingefallen. "Wer schön sein will, der muss leiden." Und "Ja", sie sah schön aus. Und wiederum "Ja", sie litt fürchterlich!
Janet konnte nur noch hoffen, dass Kenneth Phlagott ihre gewählte Art der Schönheit gefiel. ging. Der Super- Gau wäre nämlich der, dass er ein Lächeln über die alberne Eitelkeit dieser Frau nicht verbergen könnte.

Janet holte tief Luft, jedenfalls so gut es ihr das Korsett erlaubte, und spürte dabei sofort die Schulter-, Beziehungsweise Achselriemen, die jedwedes nicht- damenhaftes Zappeln unterdrückte. Leise, unbarmherzig, unerbittlich und erbarmungslos kontrollierte das Korsett mit seinen Palisaden aus Stahlstäben jede ihrer Bewegungen. Janet ergab sich dem gleichen Schicksal, welches schon Generationen von Frauen bereits erduldet hatten, und arbeitete bis zur Mittagszeit weiter.

Schließlich war es so weit. Janet beendete ihre Arbeit und stand auf. Da wurde die Bürotür geöffnet und Kenneth Phlagott erschien. "Fräulein Watson, sie sehen heute sehr schön aus, wenn ich mir die Bemerkung erlauben darf", sagte er und hielt die Tür auf, damit sie an ihm auf ihren High- Heels, diese hatten zehn Zentimeter hohe Absätze, vorbei gehen und zum Aufzug gehen konnte.
Seine Manieren waren perfekt. Er wusste instinktiv das richtige zu sagen, beherrschte die richtigen Gesten und schaute diskret zur Seite als Janet sich in das Taxi "hinein quälte" und versuchte wegen des steifen Korsetts die richtige Sitzposition zu finden.
Er hatte ein abgeschiedenes kleines französisches Restaurant und einen Tisch hinten an der Wand gewählt. Der Tisch war weit genug entfernt von anderen Tischen gewählt, damit sie sich ungestört unterhalten konnten, aber dennoch im Sichtfeld der anderen Gäste lag, damit sie keine Angst vor verführerischen Aktivitäten haben musste.
Janet setzte sich auf ihren Stuhl. Sie hatte keine Chance sich anzulehnen. Sie konnte nur vollkommen steif auf der vorderen Hälfte der Sitzfläche sitzen. Aber das war kein Problem. Ihr Korsett, das mit den Stunden fester zu werden schien, warnte sie, dass es nur eine sehr kleine Nahrungsmenge in ihren zusammengepressten Magen ermöglichen würde. Er gab ihr nicht das Gefühl bevormundet zu werden, als er ihr bei der Speisenwahl aus der ihr nicht vertrauten Speisekarte half. Seine Konversation war während der Vorspeise als auch dem Hauptgang entspannte und stellenweise recht lustig. Janet stellte währenddessen fest, dass sie sich davon abhalten musste in seine Augen zu starren.

Plötzlich legte er eine Pause ein und sagte dann: "Ich muss mich bremsen. Sie fragen sich bestimmt warum ich sie hier her gelockt habe."
Janet wollte etwas sagen. Vielleicht wollte sie ihn höflich sagen dass sie gerne seine Einladung angenommen hatte. Aber er hielt seine Hand hoch, damit sie nicht antworten brauchte und sagte: "Nein, bitte. Ein Blick auf sie, und ich wusste dass sie sich schon längst auf dieses Gespräch vorbereitet hatten." Mit jenen Worten schaute er etwas länger auf ihre rigoros geschnürte Taille. "Bitte verstehen sie mich nicht falsch, aber es hat den Eindruck, als ob sie sich für einen Kampf gegürtet haben. Ich möchte aber auch sagen, dass ihnen das Resultat sehr gut steht."
Janet saß steif auf dem Stuhl und schaute ihn verwundert an. Er hatte also die ganze Zeit gewusst, dass sie sich bis an die Grenze des Erstickens streng geschnürt hatte! Er hatte allerdings den falschen Grund für ihre dramatische Erscheinung erraten.
"Ich möchte nicht noch mehr von ihrer kostbaren Zeit vergeuden", fuhr er fort zu sagen. "Wir sind aus zweierlei Gründen hier. Zuerst einmal möchte ich mich für meinen Vater entschuldigen. Darüber hinaus möchte ich sie bitten die Nachsicht zu haben mich ausreden zu lassen wenn ich versuche etwas zu erklären, das ihre Geduld oder ihr Verständnis stark strapazieren wird."
Janet war im Nachhinein dankbar für das Korsett, denn ohne die ihr gegebene erbarmungslose Disziplin wäre sie sicherlich aufgestanden, hätte Wort der Entrüstung von sich gegeben und hinausgegangen. Wie konnte es dieser Mann nur wagen die Kühnheit zu besitzen, um von ihr bezüglich dieses widerlichen Verhaltens in jener sternenklaren Nacht auf dem Balkon ein Verständnis zu haben? Doch nun war sie mehr oder weniger gezwungen mit unbeweglichem Oberkörper auf dem Stuhl sitzen zu bleiben. Sie war viel zu steif als auch "atemlos" als dass sie würdevoll aufspringen könnte. Jeder Versuch schneller Bewegungen würde sofort ihre körperliche Einschränkung offenbaren und zu einem sie demütigenden Gelächter seitens der anderen Gäste führen.
So saß sie vollkommen steif und äußerlich ruhig wirkend auf dem Stuhl und wartete darauf dass er weiter sprach.
"Mein Großvater war in mehrerer Hinsicht ein höchst ungewöhnlicher Mann gewesen. Er flüchtete mit seiner Frau sowie seiner Familie von Osteuropa in dieses Land, um sie vor Krieg und Hunger zu retten. Er rettete dadurch sehr wahrscheinlich ihnen und sich damit das Leben. Er kam mit nichts in der Tasche hierher. Er gründete ein Kleinunternehmen, welches etwas herstellte, was man heute Modeschmuck nennt. Damit konnte man sehr erfolgreich werden, wenn man wie er Tag für Tag viele Stunden lang hart arbeitete. Er war damit sehr erfolgreich. Da er nicht wollte, dass sein Sohn, also mein Vater, nicht die gleichen Entbehrungen erleiden sollte wie er, steckte er einen Großteil seines kleinen Glücks in die Bildung seines Sohns."
Kenneth schaute Janet mit einem "bittenden" Blick an.
"Mein Vater entwickelte an der Universität ein bemerkenswertes Talent für einen damals noch recht unbekannten Zweig der Mathematik. Ich nehme nicht an, dass sie davon gehört haben. Es gibt da nämlich eine Statistik- Berechnung, die nach ihm benannt wurde. Man kann, vorausgesetzt man hat genug Daten, zum Beispiel Wirtschaftsentwicklungen vorhersagen. Etwas, was man bis dahin noch nicht konnte und dementsprechend schlecht oder ungenügend auf das Kaufverhalten reagierte, oder nicht verstand warum der eine Wirtschaftszweig boomte und der andere nicht. Man kann damit aber noch mehr machen."
Kenneth Ausführung stockte kurz, so als ob er Janet um Erlaubnis bitten würde fortzufahren.
"Erzählen sie weiter", sagte Janet tatsächlich.
"Er traf dann die Dame, die seine Frau wurde." Er griff in seine Brusttasche und nahm seine Brieftasche heraus, aus der er ein altes schwarz- weiß- Foto zog und ihr gab. Es war ein Foto mit einem stehenden Mann und einer Frau hinter zwei Kindern. Der Mann sah Kenneth sehr ähnlich, so dass er sein Vater sein musste. Und die Frau glich der Vollkommenheit! Sie war die Personifizierung dieser abgedroschenen Phrase ‚Die Perfektion der Schönheit'.
"Sie war sehr schön", sagte Janet während sie das Foto betrachtete. Dann fragte sie: "Sind sie der Junge auf dem Bild?"
"Ja. Das bin ich neben meiner Schwester. Wir waren Zwillinge."
Als er das sagte, klang seine Stimme plötzlich ganz anders, und Janet spürte dass seine Stimmung kurz davor war in tiefer Traurigkeit zu versinken. Doch er bemühte sich so normal wie möglich weiterzusprechen und sagte: "Unsere Eltern waren wie für einander bestimmt. Sie war es, die endlich in der Lage war aus der Allgemeinen- Phlagott- Gleichung eine Spezielle- Gleichung zu machen. Das war in jenen Tagen ohne Computer sehr wichtig, da man monatelang Daten sammeln und auswerten musste.
Wie dem auch sei, sie waren in den Fachkreisen so sehr geschätzt, dass sie eine Forschungssubvention bekamen um die Möglichkeit zu untersuchen, ihre wissenschaftliche Arbeit auf ein soziales Problem in einem entfernten Teil der Welt anzuwenden. Der Ort, wohin sie gingen um Daten zu sammeln, lag in einem sogenannten ‚Dritte- Welt- Land'. Da meine Schwester und ich Schulferien hatten, durften wir sie begleiten. Bei einem der Ausflüge wurden meine Mutter und meine Schwester mit Pocken infiziert."
"Pocken gibt es nicht mehr!", protestierte Janet. Einer der Triumphe der modernen Medizin ist, dass eine einfache Impfung einen Körper lebenslang immun macht. Die Weltgesundheitsorganisation hatte weltweite Impfungen durchgeführt und damit diese Geißel der Menschheit ausgerottet. Janet wusste das ganz genau. "Aber du wurdest doch bestimmt vor Antritt der Reise geimpft?", fragte sie.
"Mein Vater und ich, ja. Wir waren geschützt. Sicher. Meine Mutter war, wie man so sagt, eitel. Ihre Eitelkeit war der Grund für die Katastrophe. Pockenimpfungen hinterlassen oft eine kleine Narbe am Oberarm. Und sie wollte das nicht haben, auch nicht bei meiner Schwester,  da ihre Schönheit immer mehr an der von ihrer Mutter herankam. Ein derartiger körperlicher Makel war also für meine Mutter undenkbar."
Er starrte eine Weile ins Nichts, denn die Erinnerung war zu grausam. "Es hatte die beiden schlimm erwischt. Sie starben zwar nicht, aber Pocken führen am ganzen Körper eiternde Pusteln hervor, die Ringnarben hinterlassen und die Haut wie die Oberfläche des Monds aussehen lassen. Zwei schöne Menschen wurden in derart hässliche Kreaturen verwandelt, dass es einen wehtat wenn man sie anschaute. Meine Mutter wurde darüber geisteskrank. Das ist die einzig mögliche Entschuldigung für das, was sie tat."
Kenneth Phlagotts Stimme wurde leiser und sachlich. Janet spürte dass er um Fassung rang, da etwas Fürchterliches geschehen sein musste.
"Eines Nachts nahm meine Schwester mit sich ins Badezimmer und tötete erst sie und dann sich selber. Ich hatte sie am nächsten Morgen entdeckt, als ich mir die Zähne putzen wollte."

Janet dankte ihrem Korsett. Sie wäre sonst impulsiv aufgesprungen, um den Tisch herum gelaufen und hätte ihn umarmt, um ihn in seiner Verzweiflung zu trösten. Plötzlich war es so wertvoll! So saß sie weiterhin, äußerlich ganz ruhig wirkend, ganz steif auf dem Stuhl und legte eine Hand auf seinen Arm. "Oh, es tut mir so leid." Janet schaute sich noch einmal die alte Fotographie an und sagte: "Sie war so schön, eigentlich sogar wunderschön! Mir fehlen einfach die Worte."
"Es gibt nichts, was man dazu noch sagen sollte", sprach er traurig und klang ziemlich resigniert. "Es ist jetzt schon sehr lange her und Zeit heilt viele Wunden. Ich war damals noch sehr jung und konnte es irgendwie verarbeiten. Meinen Vater hatte es allerdings viel schlimmer getroffen. Er hatte es nie verarbeiten können. Irgendwie ist alles was er tut so, als wäre sie immer noch bei ihm. Ich wurde damals sofort in ein Internat gesteckt und Papa vergrub sich in die von ihr und ihm noch unvollendete Arbeit. Er schaffte es diese neue Art der Statistik- Mathematik dahin zu vervollkommnen, dass man Aktienkurse besser vorhersehen konnte. Wieder daheim im Vereinigten Königreich mietete er eine Einraumwohnung in Notting Hill und entwickelte auf einem, aus heutiger Sicht sehr simplen Computer, ein Programm, mit dessen Hilfe er begann Aktien zu kaufen als auch zu verkaufen. Das Geld interessierte ihn nicht. Er tat es für seine verstorbene Frau. Seine Nachbarn sagten damals, dass sie ihn nachts mit jemanden reden hörten, so als würde er seine Frau erklären wie er deren gemeinsame Probleme gelöst hätte. Sie war immer noch in seinem gequälten Geist lebendig. Das Problem war, und ist immer noch, dass er sie in jeder Frau sieht, die sich in seinem unmittelbaren Umfeld aufhält. Es muss für ihn die reine Folter sein wenn er in einer großen Menschenmenge ist, da er in den unzähligen Frauen seine eigene Frau sieht. Er weiß ganz genau dass er halluziniert. Aber sie sind für ihn so real, dass er nichts dagegen tun kann. Er übernahm die Firma seines Vaters, als dieser starb, und wandelte sie langsam in die Firma um, in der wir beide arbeiten. Aus der Firma ist ein weltweites Unternehmen geworden, aber das bedeutet ihm nichts. Wie du weißt, läuft er ja ständig in der Firma herum, leidet aber bei dem Anblick der Frauen. Er ist ständig auf der Suche nach intelligenten Frauen, wie es seine Anne war. Und da wir nun mal genau jene Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen benötigen, macht das für uns alles nur noch schlimmer. Er hat die von ihm entwickelte mathematische Gleichung und deren Umsetzung für das Unternehmen derart spezialisiert, dass nur er es versteht. Das verhilft ihm fast immer die richtigen Entscheidungen zu treffen und macht ihn dadurch aus Sicht des Vorstands unentbehrlich. Er hat die besten Psychiater der Welt aufgesucht. Sie haben wohl ihr Bestes getan, aber ohne Erfolg. Wahrscheinlich versteht er das Problem selbst besser als sie. Sein Herz sehnt sich nach jener Liebkosung, die er einst bekam. Das ist der Grund, warum er sich nicht davon abhalten kann jede Frau zu streicheln, in die er in seiner gefolterten Seele seine verlorene Frau Anne, meine verstorbene Mutter, sieht."
Kenneth Phlagott schaute Janet mit einem flehenden Blick an, der tief in ihre Seele eindrang. Dann sagte er: "Mein Vater schämt sich so sehr über das was er an jenem Abend auf dem Balkon getan hat. Ich soll ihnen seine aufrichtige Entschuldigung ausrichten. Im Dämmerlicht haben sie für ihn wie seine geliebte Anne ausgesehen. Und da sie sich weder gewehrt noch laut geschrien haben wie andere Frauen, hatte er etwas getan, was ihn noch mehr beschämt. Sagen sie mir bitte was er tun kann um es wieder gutzumachen. Es ist ganz egal was sie möchten."
Janet schämte sich plötzlich für sich selber. Der alte Mann war also nicht ein ungenierter geiler Bock, wie alle dachten. Er war vielmehr ein Getriebener, der den Verlust seiner geliebten Frau als auch der Tochter nicht überwinden konnte. Oh Gott! Sie hatte alles vollkommen missverstanden als sie ihm absolut gedankenlos diesen Streich antun wollte.
"Nein! Bitte sage ihm dass alles gut ist! Ich fürchte, dass wenn es ein Fehler gab, dann war es meiner. Sie… Nein. Niemand wird verstehen was wirklich geschah, und ich bin viel zu verlegen es zu erklären." Plötzlich hatte sie einen Geistesblitz. "Sagen sie ihm bitte, dass ich es bin die ihm ein großes Unrecht angetan hat und dass ich es wieder gutmachen werde."
Kenneth Phlagott sah sie verwundert an. Und bevor er über eine Antwort nachdenken konnte, hielt Janet ihre Hand hoch um ihn zum Schweigen zu bringen. "Nein, sagen sie jetzt bitte nichts! Ich danke ihnen für das Mittagessen und dass sie mir alles erklärt haben. Ich habe ein sehr großes Unrecht begangen, und sie müssen mir Zeit geben einen Weg zu finden wie ich alles ins rechte Licht stellen kann… Falls das überhaupt möglich ist."

Kenneth Phlagott saß für mehrere Minuten schweigend an dem Tisch und versuchte ihre Entschuldigung zu verstehen. Und Janet realisierte, so sehr es sie in Verlegenheit bringen würde, sie musste erklären warum sie, wenn auch versehentlich, den alten Mann in die Irre geführt hatte.

Kapitel Drei

Die wichtigste Erkenntnis, die ihr an jenem Tag während der Heimfahrt auffiel war dass sie richtig geraten hatte. Kenneth Phlagott mochte Korsett- tragende Frauen! Sie hatte es an der Art erkannt wie er sie angesehen hatte und wie er sie als eine spezielle und zerbrechliche Person behandelt hatte, als er sie nach dem Mittagessen zum Büro zurück begleitet hatte.
Das änderte alles. Natürlich war sie immer noch ganz fest von diesem sturen Korsett geschnürt. Dieses erbarmungslose Kleidungsstück mit seiner gnadenlosen Steuerung ihres Verhaltens. Diese festsitzende Form, welche in den vergangenen stunden immer enger zu werden schien. Aber jetzt hieß sie das Korsett willkommen, denn es war für IHN!

Janet parkte den Wagen hinter dem Haus und ging über die Hintertreppe zu ihrem Zimmer hoch, da sie die Stimme ihrer Mutter aus dem Anprobe- Raum vernahm und sie nicht bei der Arbeit stören wollte. In ihrem Zimmer angekommen zog sie den Rock und die Jacke des Business- Kostüms aus. Es folgten ihre Bluse und der Slip. Janet wollte die Kleidung für den nächsten Tag bereitlegen. Und die sollte noch besser werden.

Frauen können, oder wollen, jeden Tag etwas Anderes tragen. Aber dieses Kostüm war das einzige Kleidungsstück in ihrer Garderobe, welches zu ihrer neuen Figur passte. So durchsuchte Janet ihre Garderobe. Schließlich fand sie ein glattes, graziles Business- Kleid. Es glich einem grauen Nadelstreifenanzug eines Mannes. Der eigentliche Grund, warum sie es noch nie getragen hatte war der, dass es im Taillenbereich zu eng war. Aber nun war es eine offensichtliche Wahlmöglichkeit. Janet hielt das Kleid vor ihrem Körper und betrachtete sich damit im Spiegel.
"Janet! Du, äh, du trägst ja ein Korsett!"
Janet drehte sich herum und sah Jill Pendle, die an der Zimmertür stand. Sie ließ das Kleid etwas nach unten sinken und betrachtete ihren Körper erneut im Spiegel. Erst in diesem Moment begriff sie, dass sie im Spiegel eine ganz andere Person sah. Da stand nicht mehr die ihr bekannte Person, die ständig gegen ein leichtes Übergewicht ankämpfte. Diese Person sah schlanker aus. Es war offensichtlich dass diese Person streng geschnürt war, wahrlich sehr streng geschnürt. Und von allen Frauen dieser Welt war Jill Pendle die einzige, von der sie sich bereitwillig so freizügig betrachten lassen würde.
"Du hast es bemerkt. Nicht wahr?" Janet drehte sich herum und schaute Jill Pendle an. "Und? Was sagst du dazu?"
Jill Pendle hat ihr Leben lang Frauen in Korsetts gesehen, denn sie war fast immer dabei, um Janets Mutter im Anprobe- Raum zu helfen. Somit konnte sie nichts mehr überraschen. Aber Janet war die letzte Person, die sie jemals in einem Korsett erwartet hatte zu sehen, zumal das Korsett sehr eng geschnürt war.

Wenn Frauen unter sich sind, reden sie über die vertrautesten Dinge, viel mehr als es Männer untereinander tun. Somit kannte Jill innerhalb weniger Minuten die ganze Geschichte.
Sie vermaß Janets Taille, brachte das Kleid zur Nähstube und kehrte damit nach kurzer Zeit wieder zurück. Sie hatte den Taillenbereich des Kleids für die, sie hatte es exakt so gesagt,  neue Janet enger gemacht.

Als Janet mit ihrem Rücken zu Jill stand, spürte sie wie Jill den Knoten der Korsettschnur löste.
"Hey! Was machst du da?"
"Also, wenn das Korsett den ganzen Tag auf diesen Taillenumfang zugeschnürt war, kannst du es sicherlich ertragen wenn es jetzt noch etwas enger geschnürt wird. Und dann wird dieses Kleid deine schmale Taille so richtig zur Geltung bringen!" Die Stimme der Erfahrung hatte gesprochen!
"Verräter!", schimpfte Janet.
Es gab kein Zurück, denn Jill hatte die Seitennähte des Kleids aufgetrennt, den überschüssigen Stoff weggeschnitten, und alles wieder zusammengenäht.
Mit einem Knie gegen das Gesäß und einem kräftigen Zug an der Korsettschnur, verkleinerte das stabile Korsett ihre Taille. Es gab keine Möglichkeit dem zu widerstehen. Das Korsett, ihr erbarmungsloser Meister, führte ihren Taillenumfang mit Leichtigkeit auf einen neuen Umfang hinunter. Janet wurde es leicht schwindelig im Kopf. Deshalb merkte sie nicht was Jill tat, bis es zu spät war. Sie hörte ein "Schnipp" hinter ihr und sah im Spiegel wie Jill die langen Enden der Korsettschur um ihre Hand wickelte, bevor sie diese in den Papierkorb warf.
"Was tust du da?", fragte sie ganz aufgeregt und berührte mit zitternden Fingern die rückwärtigen Schnürleisten. Die Korsettschnur war verknotet, aber nicht mit einer Schleife, sondern mit kleinen, sehr festen Knoten. Janets Finger wurden zur Seite geschoben und sie sah im Spiegel wie etwas Nasses auf die Knoten aufgetragen wurde. Janet schaute genauer in den Spiegel und sah dass Jill ihren Nagellack verwendete um damit die Knoten zu versiegeln.
"Wie um Himmels Willen soll ich aus diesem Ding herauskommen?", fragte Janet leicht verärgert klingend.
"Du kannst es nicht. Das ist ja auch der Sinn des Versiegelns."

Janet konnte einfach nicht glauben was dann mit ihr geschah. In nur wenigen Minuten wurde ihr geholfen einen bequemen und nicht allzu engen Slip, sowie ein leicht gepolstertes Mieder anzuziehen. Danach wurde ihr ins Kleid hinein geholfen. Als der untere Teil des Kleids über Janets Oberschenkel hinaufgezogen wurde, spürte sie, was ihr zuvor bei der Betrachtung vor dem Spiegel längst hätte auffallen sollen. Das Kleid glich unten herum einem Bleistiftrock. Einem sehr engen Bleistiftrock, der ihre Beine regelrecht zusammen drückte.
Janet führte ihre Arme in die Ärmel hinein. Danach wurde es über ihre Schultern gezogen und der Rückenreißverschluss geschlossen.
Janet war irritiert. Sie begriff erst in diesem Moment dass sie keine Alternative hatte. Ihre Freundin Jill schien sich verändert zu haben, da sie die vollständige Kontrolle über sie hatte.
Janet hielt sich am Kleiderschrank fest, während Jill ihr half die Füße in moderne Stiefelletten hineinzuführen. Die knöchellangen Stiefelletten hatten 12 Zentimeter hohe Absätze und wurden von Jill zugeschnürt.

Nun war Janet vollständig neu eingekleidet.

Jede noch so geringe körperliche Anstrengung ließ Janet keuchen, während sie mit winzigen Schritten zum Spiegel trippelte. Was sie dort sah, nahm ihr fast den Atem. Janet befand sich gefangen in einer Welt der gnadenlosen Körperhaltung hervorgerufen von einem sie fast zu erstickenden Druck. Aber der Hüftschwung, verschönert durch das gepolsterte Mieder, gaben ihrer Figur eine schwungvolle Leichtigkeit, welche die stabilen Korsettstäbe vergessen ließ.
Die senkrechten Nadelstreifen, wie man sie von einem Herren- Anzug her kennt, folgten den dramatischen Kurven ihres neuen Körpers und hoben diesen zur Vollkommenheit. Ja, dieses Stoffmuster war der perfekte Touch.
Janet keuchte. Sie drehte sich vor dem Spiegel ziemlich steif von einer Seite zur anderen und starrte ungläubig auf ihre neue Figur. Sie war die perfekte Geschäftsfrau! Elegant, makellos bis ins letzte Detail. Janet stand voller Stolz vor dem Spiegel und kam sich dabei sogar ein wenig herrisch vor! Sie wäre eine Sensation im Büro. Daran gab es keinen Zweifel. Sie würde mit dieser neuen Persönlichkeit all die anderen dominieren. Janet erkannte aber dass es mindestens einen kritischen Moment geben würde. Wenn sie den Aufzug verlassen würde und elegant mit vielen kleinen Schritten, mehr würde das enge Kleid nicht zulassen, zu ihrem Büro ginge, würden alle Blicke auf ihr ruhen.
Wenn sie doch nur den Mut hätte das zu tun, dann wäre wahrlich alles perfekt!
Aber Janet spürte dass sie nicht diesen Mut aufbringen könnte. Allein die Vorstellung so im Büro zu erscheinen war Furchteinflößend. Es wäre eine öffentliche Zurschaustellung. Janet wusste dass sie das nicht tun konnte! Janet gab auf, bevor sie es überhaupt wagen könnte!
"Nein! Das kann ich nicht! Ja, das ist echt wunderschön. Ich sehe super aus. Aber ich weiß dass ich niemals den Mut haben werde so im Büro zu erscheinen! Lass' mich bitte wieder sofort aus den Sachen heraus!"
Es folgte ein langes Schweigen. Dann sprach Jill Pendle in einer Art und Weise als wenn sie ganz sachlich das Wetter vorhersagen würde. "Nein." Sie lächelte etwas wohlwollend. "Ich bedauere, Janet. Aber deine Mutter besteht darauf, dass so wie du jetzt du angezogen bist wartest, bis sie Zeit hat mit dir zu reden."

Was war geschehen?
Janets Mutter war durch einen Zufall gerade in dem Moment in der Schneiderwerkstatt erschienen, als Jill das Kleid an den Seiten enger gemacht hatte. Da sie das Kleid noch nie gesehen hatte, fragte sie warum Jill das tat. Und Jill hatte den Stein ins Rollen gebracht, als sie ohne zu überlegen Janets Mutter die ganze Geschichte erzählte. Janets Mutter hatte daraufhin kurz nachgedacht und anschließend leicht nickend gelächelt. Dann hatte sie gesagt: "Aha. Jill, ich hätte nie gedacht dass es geschehen würde! Du sagst, dass sie den ganzen Tag streng geschnürt in diesem doch recht steifen Korsett verbracht hat?"
"Ja, gnädige Frau, es eines dieser ‚Vixen'- Modelle. Es hatte der Kundin bei der letzten Anprobe eine derartige Angst gemacht, dass sie nicht mehr vorbei kam um es abzuholen", antwortete Jill.
"Das Vixen? Mein Gott! Wenn Janet bei den wenigen Gelegenheiten ein Korsett getragen hatte, dann war es nur halb so eng geschnürt gewesen! Nun denn! Wir dürfen diese goldene Gelegenheit nicht vergeuden. Wir werden jetzt das machen…"
Und das hatte Jill dann auch getan.

Janet schimpfte: "So! Mama will also mit mir reden. Und ich soll so lange in diesem mich erstickenden Ding gefangen bleiben, damit sie mir sagen kann was für ein Narr ich bin? Ich weiß schon! Ich hätte niemals den verdammten Weg dieser albernen Mode, oder was immer das auch sei, einschlagen sollen! Ja, ist schon gut! Da du das Korsett versiegelt hast, werde ich darin blieben müssen. Aber um Himmelswillen ziehe mir jetzt bitte dieses verflixte Kleid aus!"
"Deine Mutter hat gesagt dass du so bleiben sollst, mit dem Kleid und allem", erwiderte Jill.
"Einen Teufel werde ich tun!", schimpfte Janet. "Ziehe mir das Kleid aus! Sofort!"
Jill blieb ruhig stehen und schüttelte nur den Kopf.
Janet verlor ihre Geduld und versuchte den Reißverschluss zu erreichen, um das Kleid selber auszuziehen. Sie stellte aber sofort fest, dass sie ihre Arme im Bereich der Ellenbogen nicht weit genug anwinkeln konnte.
Jill hatte das Kleid nämlich nicht nur im Taillenbereich enger gemacht, sondern auf Geheiß von Janets Mutter auch die Ärmel enger gemacht, sodass Janet ihre Arme mehr oder weniger nur noch gerade halten konnte. Der am Hals befindliche Schieber des Reißverschlusses war für Janet außer Reichweite.
"Du hältst das wohl für lustig!", schimpfte Janet und stampfte mit einem Fuß auf dem Boden auf.
"Deine Mutter ist im Moment mit einer Kundin beschäftigt. Ich muss zum Arbeitszimmer zurückgehen", erwiderte Jill.
"Nein, das tust du nicht! Komm' her und öffne das Kleid! Jetzt! Sofort!", befahl Janet, aber Jill ging ungerührt hinaus und schloss die Tür leise hinter sich zu.

Janet war alleine und trippelte ziellos in ihrem Zimmer hin und her. "Okay", dachte sie, "die beiden haben an mir ein Exempel statuiert, mit allem Drum und Dran." Janet blieb vor dem Spiegel stehen und schaute sich die neue Janet Watson genauer an.
Die Schuhspitzen der glänzenden Stiefelletten ließen ihre Füße kleiner wirken, da sie mehr oder weniger nur auf den Zehen stand. Janets Blick wanderte weiter nach oben und blieb kurz an dem engen Saum des Kleids, welches irgendwie die Funktion eines Humpelkleids hatte, hängen. Dann betrachtete sie den wahrlich kurvenreichen Körper, der von dem Nadelstreifenkleid wirklich sehr gut betont wurde. Die Arme lagen an den Seiten an, so als wären die Ärmel an dem Kleid festgenäht. Das Kleid lag aber nicht nur an den Armen, sondern überall absolut faltenfrei ganz eng an und verbarg das darunter befindliche unversöhnliche Korsett, welches sie seit Stunden ‚quälte'.
Janet zappelte herum um sich aus dem Kleid zu befreien, erkannte aber sehr schnell dass es zwecklos war und obendrein lächerlich aussah. Sie legte ihre Arme an den Seiten an und schaute wieder in den Spiegel. Janet musste zugeben, dass sie wirklich schön aussah, eigentlich sogar sehr schön.
"Wenn Kenneth Phlagott mich jetzt sehen könnte", dachte sie.

Eitelkeit kennt keinen Schmerz.

Janet nahm ein Buch in die Hand und legte es auf ihren Kopf. Dann übte sie elegant durch den Raum zu trippeln ohne das Buch herunter fallen zu lassen, bis Jill zu ihr kam um sie zu ihrer Mutter hinunter zu bringen.

Janet war ziemlich resigniert und schalt sich eine Närrin, während sie in diesem Outfit das Zimmer verließ. Sie bereitete sich innerlich darauf vor von ihrer Mutter eine "Standpauke" zu bekommen.
Doch es sollte ganz anders kommen.

Ihre Mutter saß auf einem Stuhl, während ihre Tochter ganz genau betrachtete, als diese mit winzigen Schritten den Anprobe- Raum betrat. Als Janet näher kam, hob sie eine Hand und sagte: "Stopp!" Janets Mutter betrachtete ihre Tochter von Kopf bis Fuß. Dann sagte sie: "Drehe dich einmal um deine eigen Achse." Janet fühlte sich alles andere als eine selbstbewusste junge Frau und tat was ihre Mutter von ihr wollte. Anschließend sollte Janet in dem Raum auf und ab gehen. Schließlich sagte sie: "Janet, dieses Kleid steht dir wirklich sehr gut! Komm' her und setz' dich."
"Ich bleibe lieber stehen, falls du nichts dagegen hast, Mama", sagte Janet.
"Nein, du setzt dich dort hin. Du darfst dein Leben nicht vollständig von deinem Korsett beherrschen lassen", sagte Janets Mutter und zeigte auf einen niedrigen Sessel.
Janet schaute sich den niedrigen Sessel voller Entsetzen an, denn es gab keine wie auch immer geartete Hilfsmöglichkeit für das Hinsetzen. Janet ließ sich langsam und sorgfältig auf den niedrigen und ziemlich weich gepolsterten Sessel niedersinken. Sie stieß dabei an ihre Grenzen, denn das enge Kleid drückte ihre Oberschenkel noch fester zusammen und das Korsett schien sämtliche Luft aus den Lungen hinaus zu pressen.
"Okay", dachte Janet verzweifelt. "Ich sitze, aber werde bestimmt gleich ersticken, denn ich weiß nicht wie ich ohne Hilfe wieder aufstehen kann."

Janets Mutter, eine Frau mit einer unglaublichen Erfahrung bezüglich Korsett- tragender Frauen, betrachtete ihre Tochter mehrere Minuten lang und sagte dabei kein Wort. Janet saß derweil mit einem stocksteifen Oberkörper auf dem Sessel und hatte das Gefühl als ob sie jeden Moment ohnmächtig werden würde.
Schließlich sagte Janets Mutter mit einer anerkennende Stimme ganz ruhig: "Du siehst sehr schön aus, mein Schatz. Das Kleid steht dir einfach perfekt."
"Danke, Mama. Ich bin froh, dass es dir gefällt." Dieses Kompliment aus dem Mund ihrer Mutter hatte sie nie und nimmer erwartet.
"Oh ja, ich bin stolz auf dich." Dann schwieg sie einen Moment, denn sie wusste dass ihre nächste Bemerkung ihrer geliebten Tochter nicht gefallen würde. "Es ist ein sehr schwieriger Weg den du betreten hast, meine Liebe. Aber hast du an die Konsequenzen gedacht? Es gibt jetzt nämlich kein Zurück mehr für dich, denn du bist schon zu weit auf der Straße der Taillenreduzierung vorangekommen. Deine Umwelt hat dich, die neue Janet, bereits gesehen. Wenn du jetzt aufgibst, dann wird die eifersüchtige Umwelt erfreut sein und sie wird dich mit Hohn und Spott überhäufen. Du musst also weitergehen und all die ‚Geheimnisse des Gefängnishauses' kennenlernen, wie die Viktorianer zu sagen pflegten. Oder du wirst das wehrlose Ziel des Gespötts. Du kannst dich glücklich schätzen, dass du eine Mutter hast, die wahrscheinlich mehr als jede andere noch lebende Frau Erfahrung in diesen Dingen hat und bereit ist dir zu helfen, falls du es wünschst. Jetzt ist der Moment gekommen, wo du wählen musst."
Janet saß schweigen auf dem Sessel und dachte nach. Sie hatte nicht eine Sekunde daran gedacht dass ihre Mutter dahinterkommen könnte wie sie das Korsett aus dem Lager genommen, es angelegt und damit zur Arbeit gegangen war. Und dass Jill ihr Vertrauen missbrauchte hatte sie ebenfalls nicht vermutet. Aber daran gab es nun keine Zweifel mehr, denn die Tatsache, dass sie in diesem verdammten Korsett mittels eines festen Knotens versiegelt war, sprach für sich.
"Was meinst du genau mit ‚wählen', Mutter?"
"Wählen zwischen der Eleganz einer strikt- korsettierten Frau für den Rest des Lebens, oder Aufgeben und das Leben einer verlotterten modernen Schlampe führen, die von allen verachtet wird."
Janet dachte kurz nach. Ihre Mutter hatte Recht, sie könnte nie mehr in ihr komfortables, korsettfreies altes Leben zurückkehren, da man sie bereits in ihrer ‚Korsett- Eleganz' gesehen hatte. "Ich verstehe was du meinst, Mama. Daran hatte ich nicht gedacht. Ich denke, dass ich jetzt keine andere Wahl mehr habe außer so weiterzumachen wie du es unmissverständlich erklärt hast."
"Und genau darin liegen die Schwierigkeiten, meine Liebe. Ich werde dir so gut ich kann helfen, aber du hast damit eigentlich viel zu spät begonnen."
"Was meinst du mit ‚spät'?"
"In den viktorianischen Tagen, als Taillenreduzierung die Ambition jeder modischen Dame war, war es normal dass bereits die Mädchen beim Erreichen des Teenager- Alters in Korsetts ‚gesteckt' wurden. Je eher man damit begann, desto besser. Es war natürlich, dass ein Mädchen in diesem Alter versuchte dagegen zu rebellieren, und somit ein beträchtlicher Zwang erforderlich wurde. Die jungen Mädchen mussten sogar nachts Korsetts tragen. Das taten sie natürlich nicht immer und lockerten zumindest die Schnürung um einigermaßen gut schlafen zu können."
"Und das wurde unterbunden", warf Janet ein.
"Richtig. Die Korsettschnüre wurden mittels zusätzlicher und sehr fester Knoten gesichert, damit sie nicht mehr so einfach zu öffnen waren. Und wenn das nicht half, oder die jungen Damen die Korsettschnur einfach zerschnitten, war es die übliche Praxis dass man die Hände entweder in Handsäcke steckte oder festband, damit sie tags- als auch nachts streng geschnürt blieben. Das dauerte so lange, bis die jungen Damen sich an ihre Korsetts ‚gewöhnt' hatten und es nicht mehr als Folter betrachteten. Schließlich wurden Korsetts zu notwendigen Kleidungsstücken, da die Rückenmuskulatur verkümmerte und man Korsetts als notwendige Stütze benötigte."
"Um Himmels willen! Ist das wirklich wahr? Die ganze Nacht streng geschnürt?"
"Deine Großmutter, die mir alles beigebrachte, hatte in jenen Tagen miterlebt, wie ehrgeizige Mütter mit deren Töchtern umgegangen sind. Sie sagte mir, dass sie Töchter, die von ihren Müttern zwecks neuer Korsettanpassung zu ihr gebracht wurden, voller grüner und blauer Flecken waren. Die Mütter hatten also deren Töchter geschlagen, um deren Widerstandsfähigkeit zu brechen. Fast die Hälfte aller Ursachen waren zerschnittene Korsettschnüre gewesen."
Janets Mutter schwieg einen Moment und studierte die Parade der Emotionen, welche das Gesicht ihrer Tochter überquerten.
"Du hast nun sehr spät begonnen ein Korsett zu tragen, denn dein Körper ist nicht mehr so leicht formbar wie der eines Kindes. Eine Wespentaille ist jedoch immer noch möglich, aber es wird ein sehr harter und schmerzhafter Weg sein, den du betrittst um Erfolg zu haben. Ich werde dir meine Fähigkeit und die Kunst meiner Schneiderinnen anbieten um dir die Korsetts zu geben, die du wünschst. Jetzt liegt es nur noch an dir, ob du es willst."
Die Mutter legte wieder eine kurze Pause ein, bevor sie sagte: "Eines möchte ich dir noch sagen. Ich habe Pendle dich versiegeln lassen. Du kannst dich nicht selber aus dem Korsettbefreien ohne die Korsettschnur zu zerschneiden. Das kannst du natürlich tun und ich werde dich auch nicht daran hindern. Aber denke daran, wenn du es tust, dann gibst du dich auf. Du wirst nie die schöne Frau sein du sein könntest, wenn du jetzt versagst."
Janets Mutter erhob sich, ging auf Janet zu, gab ihr einen Kuss auf die Stirn und sagte: "Ich wünsche dir viel Glück, mein Schatz."

*****

Janet zog mit Jill Pendles Hilfe das Nadelstreifenkleid aus. Da es noch neu und schön glatt war, sollte es nicht durch unnötiges Tragen im Haus Knitterfalten bekommen. Danach hatte Janet das Bedürfnis etwas zu tun und nahm eine Hose aus ihrem Kleiderschrank heraus. Sie ging mit der Hose hinunter zur Schneiderwerkstatt und passte diese ihrer neuen Körperform an. Janet öffnete die Seitennähte und machte zuerst die Hosenbeine und dann den Bund enger. Anschließend kehrte sie zu ihrem Zimmer zurück um sich was Passendes für oben herum zu suchen. Es war ein hüftlanger Baumwollpulli, den sie in der Schneiderwerkstatt ebenfalls änderte. Janet hatte auch noch einen alten acht Zentimeter breiten Ledergürtel aus ihrem Kleiderschrank mitgebracht. Sie kürzte den Gürtel und stanzte neue Löcher für die Schnalle hinein.
Janet kehrte mit den geänderten Sachen zu ihrem Zimmer zurück, wo sie erst einmal die steilen Stiefelletten auszog. Danach zog sie die ‚neuen' Sachen an und zog den Gürtel so fest wie möglich zu. Die wadenlangen Schnürstiefel mit ‚nur' zehn Zentimeter hohen Absätzen anzuziehen war ein regelrechter Kampf.

Als Janet in den Spiegel schaute, musste sie ihrer Mutter rechtgeben. Sie sah lässig, aber dennoch smart aus. Das erbarmungslose ‚Vixen'- Korsett hielt sie immer noch in Form. Es gab ihr jene Körperform, die Janet beschlossen hatte für den Rest des Lebens zu halten.

"Du siehst wunderbar aus", sagte Jill zu ihr.
"Danke für dein Kompliment." Janet schaute noch einmal kurz in den Spiegel. "Mama hat mir erklärt auf was ich mich einlasse. Ich denke, dass ich damit beginnen muss mich daran zu gewöhnen. Andererseits habe ich das Gefühl, als ob das Korsett mich auffressen will!" Janet verstummte, denn sie hatte plötzlich eine Idee. "Kannst du auf mich warten, oder hast du heute noch etwas vor?"
"Auf dich warten? Du willst doch nicht etwa jetzt noch ausgehen?"
"Das ist genau das was ich vorhabe. Wäre ich nicht in diesem Ding versiegelt, dann hätte ich heute Abend eine alte Schulfreundin besuchen. Wir haben uns seit Jahren nicht mehr gesehen und sie hatte mich gefragt ob ich mal vorbeikommen wollte." Janet legte ihre Hände auf ihre schmale Taille. "Ich muss ja irgendwann und irgendwo beginnen, warum nicht jetzt? Warte auf mich, falls du kannst. Ich versuche nicht all zu spät heimzukommen."

*****

Janet verließ das Haus durch die Vordertür, ging um den vor dem Haus befindlichen großen Platz herum, bog in die Hauptstraße ein und lief bis zur U- Bahn- Station. Zehn Zentimeter hohe Absätze waren für Janet kein Problem und mit der Hose konnte sie ‚normale' Schritte machen. Die Hauptgeschäftszeit war lange vorbei, so dass sie in der U- Bahn sich einen Sitzplatz auswählen konnte. Janet widerstand der Versuchung stehen zu bleiben um zusätzlichen Folter zu entkommen, welche automatisch beim Sitzen dazukam, und wählte einen Sitzplatz neben der Tür. Sie setzte sich mit einer kecken Eleganz hin.

Die Leute starrten sie an. Janet hatte das erwartet. Es gab nichts, was sie dagegen tun konnte. Wenn sie sich so anzog, dann musste sie sich eben daran gewöhnen angestarrt zu werden. Janet saß kerzengerade. Das ‚Vixen'- Korsett ließ auch nichts anderes zu. Und als Janet saß,  akzeptierte sie das Unvermeidliche. Janet verstieß gegen kein Gesetz. Sie konnte schließlich anziehen was immer sie wollte. Abgesehen davon waren es ganz normale Sachen und die anderen in der U- Bahn interessierten sie nicht, denn es waren ja für sie vollkommen fremde Menschen.
Und doch hatte sie sich zuerst gewünscht dass sie eine Jacke angezogen hätte, um damit ihre neue Figur etwas zu verdecken. Doch als die U- Bahn Janets Ziel- Station erreichte, war sie mit sich und ihrer neuen Erscheinung im Einklang. Sie war die neue Janet und die anderen waren ihr egal.

Janet verließ die U- Bahn und ‚stolzierte' auf den hohen Absätzen bis zum Haus ihrer Freundin. Schließlich stand sie vor der Tür und klingelte. Doch dann wurde sie unsicher, denn ihre Schulfreundin würde die ‚alte' Janet erwarten.
Es kam aber ganz anders, denn Janets neue Erscheinung erzeugte eine aufgeregte und spannende Unterhaltung.
Als Janet wieder heimging, war sie ganz aufgeregt und spürte immer noch die Hände ihrer Freundin, die Janets schmale Taille erkundet hatten. Janets Freundin war schließlich ziemlich verwundert über die Tatsache, dass sie sich das ‚angetan' hatte. Aber das musste Janet halt akzeptieren.

Als Janet spät abends die U- Bahn - Station verlassen hatte und durch die dunklen Straßen nach Hause ging, vernahm sie Schritte die ihr folgten. Janet blieb vor einem Schaufenster stehen um darin das Spiegelbild ihres unerwünschten Bewunderers zu erkennen, dessen Bekanntschaft sie sicherlich nicht haben wollte. Schneller gehen oder gar Wegrennen war außer Frage. Die Schritte kamen näher! Janet geriet fast in Panik, bis sie erkannte dass es eine Nachbarin war, die mit ihrem Hund eine späte Runde um den Block machte. Janet begrüßte die Nachbarin und ging mit ihr ein lockeres Gespräch führend bis zu ihrer Haustür gemeinsam weiter. Erst als Janet im Haus war, fühlte sie sich wieder sicher.

Wenn Janet eine elegante, korsettierte Dame sein wollte, dann musste sie noch viel lernen.

Jill Pendle wartete oben bereits auf sie. Wenige Minuten später stand sie, nur noch das Korsett tragend, vor ihr. Janet trug inzwischen gut über sechzehn Stunden dieses verdammte eng geschnürte Ding. Sein unnachgiebiger ‚Griff' schien noch fester als zuvor zu sein.
"Ich nehme an, dass du vor hast Mamas Anordnung zu befolgen und mich die ganze Nacht in diesem Ding eingesperrt lassen wirst. Oder?", fragte Janet.
Jill Pendle stand schweigend mit Janets Nachthemd in den Händen.
"Ich kann auch ohne Nachthemd auskommen. Mir ist schon so warm genug, so eng wie es geschnürt ist", sagte Janet.
"Es ist wohl besser wenn du es trägst. Dann fällt es dir nicht so leicht mal eben ‚auf die Schnelle' das Korsett zu öffnen, also die Schnur zu zerschneiden", erklärte Jill.
Janet dachte nach. Sie wäre alleine, streng geschnürt in diesem gnadenlosen Korsett. Auf dem Schminktisch lagen ihre Nagelschere, der Rasierapparat mit dem sie die Achselhaare stets entfernte. Und die Schere in ihrem Nähkasten war auch schnell zur Hand. In einer endlosen, dunklen Nacht war die Versuchung vielleicht doch sehr groß. Und ein albernes Nachthemd konnte sie nie und nimmer aufhalten. Zur Hölle nein! Janet hatte nicht vor jetzt schon aufzugeben. Sie benötigte Hilfe.

Janet ging in die Hocke und hob den Papierkorb hoch. Dann fischte sie die langen Enden ihrer Korsettschnur heraus, welche Jill abgeschnitten hatte, und gab es ihr.
"Nimm' diese hier." Sie streckte ihre Hände aus, mit den Handflächen zusammen. "Verschnüren mich gut. Mama hat mir gesagt, dass viktorianische Mütter das mit ihren Töchtern gemacht hatten. Ich werde verdammt sein, wenn ich jetzt aufgebe."
Jill schaute Janet kurz erschrocken an, tat aber dann worum sie gebeten wurde. Sie band Janets Handgelenke mit mehreren Umwicklungen zusammen und sicherte die Fesselung mit zwei Windungen zwischen den Handgelenken, sodass eine Acht entstand, die so sicher wie Handschellen war. Danach nahm Jill die andere Schnur um Janets Daumen zusammenzubinden. Anschließend zog sie die Schnur durch die aneinander liegenden Handflächen hindurch und zog die Enden um Janets Taille herum und band diese auf Janets Rücken zusammen. Nun waren Janets Hände gesichert.

Jill half Janet ins Bett und deckte sie zu. An der Tür sagte sie "Gute Nacht", schaltete das Licht aus und verließ das Zimmer. Janet blieb in der Dunkelheit zurück. Nun gab es keine Möglichkeit der ‚Befreiung'. Janet Watson hatte die erste Nacht in ihrem streng geschnürten Korsett vor sich.
Die Vorhänge bestanden aus sehr schweren, blickdichten Stoff und überlappten sich in der Fenstermitte. Das Licht der Straßenlampen drang nur an sehr wenigen Stellen an den Seiten bis ins Zimmer hinein, erhellte dort aber so gut wie nichts. Die permanenten Geräusche der Stadt waren kaum noch zu hören. So schweifte Janets Gedanken in der Stille und der Dunkelheit umher.

Am nächsten Morgen musste sie wieder zum Büro gehen, und das mit dem grauen Nadelstreifenkleid! Bei dem Gedanken klopfte ihr Herz wie wild. Aus der Nummer kam sie nicht mehr heraus. Okay, die einzige Alternative wäre die, dass sie das Kostüm anzog, welches sie bereits getragen hatte. Nein, das wäre eine Niederlage sich selber gegenüber gewesen. Abgesehen davon sah sie in dem grauen Kleid wunderbar aus und sie wollte ja auch IHN beeindrucken!
Was für ein Dilemma! Das Korsett war viel zu eng! Janet gab sich geschlagen, denn sie spürte den unbändigen Drang sich daraus zu befreien. Aber am nächsten Morgen würde sie es bereuen. Das wusste sie. Doch jetzt, so ganz alleine, in dem Korsett gefangen… Janet wollte die Korsettschnur auf der Stelle zerschneiden. Sie hätte für diesen einen Moment der Entlastungen alles gegeben. Janet war kurz davor aufzugeben…

Nach einer Weile meinte sie, dass sie doch mit dem Korsett zurechtkommen könnte. Ihr Körper schien sich an seine Beschränkung zu gewöhnen. Das lag anscheinend an dieser zusätzlichen Reduzierung, die Jill getan hatte. Ja, das war schon ein großer Unterschied zu vorher gewesen, denn es hatte die unbarmherzige Mahnung dass das Korsett das ‚Sagen' hatte aufgefrischt.
Janet zerrte an ihrer Fesselung, aber die Schnur hielt stand. Janet erschrak, denn ihr wurde so richtig bewusst dass sie dazu verurteilt war diese endlos lange Nacht in dieser Lage zu verbringen. Und es gab keine Möglichkeit der Flucht…

Die Zeit schien still zu stehen. Ihre Gedanken schweiften von einer ‚Szene' zur anderen. Hatte sie wirklich vor ihr Arbeitsleben so zu verbringen? Wenn ‚Ja', dann würde sie noch viele andere passende Kleidungsstücke brauchen. In diesem Fall benötigte sie die Hilfe von Jill und ihrer Mutter. Mama hatte ja gesagt, dass sie ihr helfen würde.
Eine komplett neue Garderobe! Ja, es bedurfte einer großen Planung. Und Korsetts! Sie würden sich natürlich daran gewöhnen müssen. Aber es gab ja so viele verschiedene Stile von Korsetts. Okay, sie hatte sich durch einen reinen Zufall für das Modell ‚Vixen' entschieden. Es war zwar die reine Qual, aber es hatte sie stolz gemacht. Sie würde sich also an die endlose Steuerung durch ihre Korsetts gewöhnen müssen. Mama hatte es garantiert vorhergesehen. Daran hatte sie keinen Zweifel!
Janet hatte immerhin schon einen Tag lang erlebt wie sie, also ihre neue Person, den Job managen konnte. Es hatte ziemlich deutlich einige Vorteile gegeben. Viel wichtiger war jedoch die Tatsache, dass Kenneth Phlagott von ihr, und somit auch von ihrem Korsett, sehr angetan war. Allein dafür hatte es sich bereits gelohnt!
Janet dachte an das, was dieser Mann über seine Vergangenheit erzählt hatte. Er war aufgrund ihres Schönheitswahns und der folgenden Erkrankung in den Wahnsinn getrieben worden, weswegen sie seine Schwester und sich selber getötet hatte.
‚Vanitas vanitatum'. ‚Eitelkeit der Eitelkeiten', oder ‚alles ist eitel'. (Nach den Anfangsworten des Predigers Salomo im Alten Testament.)
Janet sie erinnerte sich an den alten lateinischen Spruch. Die Vollmacht der Eitelkeit, leistungsfähiger als das Leben selbst.
Janet bewegte sich etwas und spürte sofort die erbarmungslose Einschränkung des Korsetts. Sie hatte es sich selber angetan. Wie sollte sie also über Eitelkeit richten?
Aber Kenneth mochte sie in einem Korsett! Das allein war Machtvoller und Bedeutender als all die Eitelkeiten dieser Welt!
Andererseits war es nicht Eitelkeit, welche die ganze Welt von Andrew Phlagott, Kenneth Vater, zerstört hatte. Es waren tragische Umstände die zum Verlust der Ehefrau und der Tochter führten, die er so liebte. Ein Verstand, so überaus leistungsfähig wie der seine, kann leicht aus dem Gleichgewicht gebracht werden. Jetzt lebte er in einer Traumwelt, wo jede Frau die er sah, seine verlorene Anne war. Sein Leben drehte sich nur noch um sie, um ihre Berührung. Oh wie sehr wünschte sich Janet dass sie ihm nicht diesen Streich gespielt hätte, denn sie hatte dadurch seine ‚Folter' verschlimmert. Janet überlegte wie sie ihm helfen könnte und ahnte irgendwie dass eigentlich nur sie dazu in der Lage wäre ihm von seiner Pein etwas zu entlasten. Sie müsste es nur wagen.
Es wäre auf jeden Fall wert es zu tun. Und es würde bestimmt auch Kenneth gefallen.

Ihr Verstand kreiste schier endlos um dieses Problem. Janet war sogar in der grenzenlosen Dunkelheit kurz davor laut aufzuschreien, aber es wäre niemand dagewesen um sie zu trösten. Aber irgendwann meinte sie das Problem genauer zu verstehen, wusste nur nicht wie man es lösen konnte.

Janet war dann doch irgendwann eingeschlafen, denn als sie die Augen öffnete, waren die Vorhänge zur Seite gezogen. Der Morgen dämmerte und Jill stand mit einer Tasse Tee neben dem Bett.

Kapitel Vier

Janet ‚kämpfte' sich aus dem Bett heraus und stand schließlich geduldig wartend daneben, während Jill die Handfesselung aufknotete. Anschließend rieb sie ihren Taillenbereich und fühlte dabei auf ihrem Rücken das Gewirr der Schnürung, sowie den festen und zusätzlich verklebten Knoten. Janet trug immer noch das Korsett und es war keinen Millimeter weiter oder enger geworden. Dann sah sie aus dem Augenwinkel heraus wie Jill die Nagelschere in die Hand nahm.
"Was hast du damit vor?", fragte Janet.
"Na was wohl? Die Korsettschnur zerschneiden", antwortete Jill.
"Oh nein! Das tust du nicht!", rief Janet und nahm Jill die Schere aus der Hand um diese wieder auf den Schminktisch zu legen. "Ich bin jetzt seit vierundzwanzig Stunden in diesem Ding verschnürt und werde, falls ich nicht vorher verrückt werde, damit den heutigen Tag im Büro verbringen. Es gibt also keinen plausiblen Grund mich daraus zu befreien um mich sofort wieder darin zu verschnüren. Und ich habe nicht vor dir die Zufriedenheit zu geben, eine neue Korsettschnur einzufädeln, damit du das Korsett noch enger schnüren kannst. Mein gegenwärtiger Taillenumfang reicht mir vollkommen und passt genau für das graue Nadelstreifenkleid. Vielen Dank."
"Willst du denn nicht duschen?", fragte Jill.
"Oh! Vergiss das Duschen. Ich habe nichts Anstrengendes oder dergleichen getan, sodass ich nicht wirklich schmutzig bin. Abgesehen davon hätte ich niemals so viel tun können um in Schweiß zu kommen." Janet nahm einem Schluck von dem Tee und ging ins Badezimmer um sich dort das Gesicht und die Hände zu waschen, sowie die Zähne zu putzen. Danach setzte sie sich an den Schminktisch um ihr Haar zu machen und sich dezent zu schminken. Anschließend zog sie sich neue Nylons an und Jill half ihr das Kleid anzuziehen. Der Rückenreißverschluss wurde geschlossen und Janet war angezogen.

Janet stand vor den Spiegel und betrachtete sich mit einem kritischen Blick. Es gab jedoch nichts an ihrer Erscheinung auszusetzen. Alles war makellos. Genauso wollte sie aussehen, wenn sie im Bürogebäude den Fahrstuhl verließ, den langen Gang durchquerte und ihr Büro betrat. Sie konnte sogar die plötzliche Stille, gefolgt von Tuscheln und leisen Kichern vorstellen.

Oh, oh! Der letzte Gedanke hätte nicht sein dürfen. Janets ganzer Mut brach in sich zusammen. Oh nein! Sie konnte es nicht tun. Es ging einfach nicht. Sie versuchte ihre Arme zu verdrehen um an den Reißverschluss zu gelangen, aber das war nicht möglich. Die enger gemachten Ärmel in Verbindung mit dem stabilen Stoff ließen das gewünschte Anwinkeln der Arme nicht zu. Okay, um am Schreibtisch zu sitzen um von dort ihr Büro- Team zu leiten reichte es. Andererseits würde sie bei jeder Bewegung daran erinnert dass sie eine Gefangene in dem grauen Nadelstreifenkleid war.
Aber sie musste doch zur Arbeit gehen!

"Ich weiß nicht, wie ich den Mut aufbringen soll um mich so zur Schau zu stellen. Aber ich muss. Jill, bringe mich nach unten und schiebe mich aus der Haustür heraus. Schließe sie sofort hinter mir zu und verriegele die Tür. Dann habe ich keine anderen Alternativen als mich ins Auto zu setzen und zur Arbeit zu fahren, oder wie ein Narr vor der Tür zu stehen", sagte Janet halb flehend.
"Du möchtest bestimmt nicht vor der Tür stehen, nicht mal für einen kurzen Moment", sagte Jill.
"Warum? Was ist denn heute, äh, an diesem Morgen anders als sonst?", fragte Janet.
"Es regnet!", antwortete Jill.
Janet schaute aus dem Fenster heraus. Tatsächlich! Es regnete. Es war zwar nur ein leichter Sommerregen, doch es reichte um die Straßen feucht aussehen zu lassen. Janet war gerettet!

*****

Janet trug einen leichten regensicheren Gabardine- Mantel und einen passenden Hut als sie den Fahrstuhl verließ und den langen Flur mit vielen kleinen Schritten elegant ‚daher gleitend' durchquerte. Sie betrat unbemerkt von den anderen Mitarbeitern ihr Büro. Dort zog sie den Mantel aus, hängte ihn an einem Garderobenständer auf, nahm den Hut ab und setzte sich an ihren Schreibtisch. Janet saß kaum auf ihrem Bürostuhl, als das Telefon klingelte. Nach Beendigung des Telefonats kam ihre Sekretärin mit der Post herein. Sie blieb wie versteinert stehen und starrte Janet an. Dann stammelte sie: "Wow! Miss… sie, sie sehen heute Morgen wunderbar aus!"

Janet stand auf und kam um ihren Schreibtisch herum, um ihrer Sekretärin das komplette graue Nadelstreifenkleid zu zeigen. "Danke. Es freut mich dass es dir gefällt", sagte Janet.
"Es ist so schön! Es passt einfach perfekt zu ihnen", sagte die Sekretärin.
Janet nahm die Chance wahr und legte ihre Hände auf ihre schmale Taille, während sie gleichzeitig ihre Hüften leicht seitwärts bewegte. Es war sofort offensichtlich, dass sie unter dem Kleid ein sehr steifes Korsett trug. "Ich versuche mein Bestes. Jemand muss ja schließlich mit einem guten Beispiel vorangehen", sagte sie.
Das war ihre Erklärung, dass sie ein Korsett trug. Ab jetzt gab es für sie kein Zurück mehr. Janet war sich obendrein sehr sicher, dass ihre Sekretärin es sofort ihren Freundinnen unter dem Mantel des ‚streng Vertraulichen' erzählen würde. Und dann würde es nicht mehr lange dauern und jeder in der Firma würde es wissen.
"Diese Frau Watson! Ich weiß nicht. Wie kann sie nur den Nerv haben sich so darzustellen?" So, oder so ähnlich würde es ablaufen. Janet konnte das Geflüster fast schon hören.
Es gab kein Zurück.
Janet setzte sich wieder sorgfältig auf ihren Bürostuhl hin. Das Korsett sorgte wie üblich dafür, dass sie kerzengerade sitzen musste. Während sie langsam die übliche Morgenroutine abarbeitete, begann sie zu begreifen, dass sie das Richtige gemacht hatte. Sie war eben keine Frau die ein Korsett trug um den ‚Speck- Gürtel' zu kaschieren, sondern eine elegante Dame, die freiwillig ein Korsett trug. Und eine Dame wurde mit Achtung und Respekt behandelt. Angriff ist also immer noch die beste Form der Verteidigung. Und so kam ihr eine Idee…

Eine der routinemäßigen Tätigkeiten einer Abteilungsleiterin war die Erstellung der jährlichen Mitarbeiterbewertung. Dazu gab es aus der Personalabteilung einen mit wahrlich bürokratischer Sorgfalt erstellten Fragebogen mit dem jeder Aspekt der Tätigkeit, der Qualifizierung und anderer Dinge erfasst wurde. Und es waren zehn Punkte für jeden Aspekt.
Janet nahm zum Ärger aller Beteiligten die Sache sehr ernst. Sie nahm sich die Zeit und füllte die Formulare mit großer Sorgfalt aus. Danach schickte sie den betreffenden Personen jeweils eine Photokopie der Fragebögen zu. Das geschah natürlich nur in Umschlägen auf denen ‚Privat und Vertraulich' drauf stand. Sie gab ihren Mitarbeitern Zeit ihre Entscheidungen zu lesen und zu überdenken, sowie einen Termin mit ihr zu vereinbaren, falls es Diskussionsbedarf gab. Erst danach wurden die Mitarbeiterbewertungen der Personalabteilung übergeben.
Das gefiel den Mitarbeitern der Personalabteilung natürlich überhaupt nicht, da sie der Meinung waren, Janet würde mit diesem Vorgehen deren Handlungsvollmacht beschneiden. Sie mussten aber zugeben, dass es fair und sehr aussagekräftig war. Das war aber auch die Chance für Janet um sich, und somit ihre neue Erscheinung, all ihren Mitarbeitern zu präsentieren.

Janet hatte gerade ihre Frühstückspause beendet, als ihre Sekretärin ein Mädchen herein führte. Janet hatte sie schon einmal gesehen. Sie hatte gerade die Schule beendet und war ein Beispiel für das, was im Britischen Schulsystem falsch lief. Das Mädchen latschte in Janets Büro hinein und ließ sich ohne Aufforderung auf einen der Besucher- Sitzplätze fallen.
"Kommen sie herein und setzen sie sich", sagte Janet ohne aufzusehen. Sie hatte bereits auf dem ersten Blick alles gesehen, was sie über das Mädchen wissen musste. Sie trug ein zerknittertes Etwas, das weder Hemd noch Bluse war. Die Jeans waren abgenutzt und an den Knien als auch am Gesäß schon sehr dünn. Die Sohlen der Turnschuhe begannen sich langsam zu lösen. Um das Erscheinungsbild abzurunden: Sie kaute Kaugummi.

"Haben sie die Mitarbeiterbewertung gelesen, die ich ihnen zugeschickt habe?"
Das Mädchen nickte zwanglos.
"Es liest sich wenig Erfolgversprechend. Nicht wahr? Also, was hast du dazu zu sagen?"
Das Mädchen fuhr einen Moment lang ganz zwangslos fort auf dem Kaugummi zu kauen, bevor es wegen des Kaugummis ziemlich undeutlich sagte: "Sie dürfen mich nicht so schlecht beurteilen. Mein Papa hat gesagt dass ich mich beim Betriebsrat beschweren soll."
"Du meinst also, dagegen anklagen willst?"
"Genau. Das hat mein Papa gesagt."
Janet drückte auf einen Knopf der Sprecheranlage und sagte zu ihrer Sekretärin: "Gehen sie bitte zu Robert McGonagall und sagen sie ihm dass er jetzt bitte so gut sei sich dem Gespräch in meinem Büro anzuschließen."
Danach machte sie mit ihrer Schreibarbeit weiter und ignorierte das Kaugummi kauende Objekt, welches sich auf einem der Besucherstühle herumfläzte.

Janets Sekretärin kehrte mit dem Betriebsratsvorsitzenden zurück. Er war ein stämmiger Mann, so um die fünfzig Jahre alt, und kümmerte sich um die wenigen Mitglieder des Gewerkschaftsbunds, die in der Firma arbeiteten. Er hatte noch die alten Zeiten der ‚mächtigen' Gewerkschaften erlebt, wusste aber dass es sich nicht mehr lohnte für aussichtslose Fälle zu kämpfen.

"Hallo Bob! Komm' rein. Setz' dich doch und", Janet zeigte auf den zweiten Stuhl, "lese doch das hier bitte."
Nachdem er die Zeit hatte alles zweimal zu lesen, sagte sie: "Dein Mitglied hier sagt, dass sie denkt, dass mein Bericht über sie unvernünftig ist und deine Hilfe benötigt. Berate sie bitte."
"Ist das alles wahr?"
"Ich denke schon. Es ist nicht meine Praxis Lügen über meine Mitarbeiter zu erzählen."
"Du hast ihr Zeit gegeben zu allen Punkten etwas zu sagen?"
"Nein, denn sie hat sofort auf ihr Recht bestanden von einem Gewerkschaftsmitglied vertreten zu werden."
Bob McGonagall las die Mitarbeiterbewertung noch einmal. Dann schüttelte er traurig seinen Kopf. "Da steht mehr als genug drin, um fristlose Entlassung zu rechtfertigen." Er wandte sich der gelangweilt dreinschauenden Person zu, die neben ihm saß, und sagte: "Ich fürchte, Fräulein, das ich nichts für dich tun kann." Danach schaute er zu Janet hinüber und sagte: "Ich könnte jetzt die übliche Rhetorik über die 'Rechte der Arbeiter' von mir geben, aber das wäre in diesem Fall von keinen Nutzen. Du hast die Fakten auf deiner Seite."
"Ich gebe nicht so leicht auf, Bob", sagte Janet.
"Wie meinst du das?", fragte er.
Schau sie dir doch noch einmal an. Sie hat eigentlich vor einen guten Job zu machen. Die Fähigkeit hat sie jedenfalls, aber sie macht nichts daraus. Mein Job ist, das Beste aus den Mitarbeitern heraus zu holen." Janet wandte sich dem Mädchen zu. "Ist es das, was du wirklich willst?" Janet tippte mit dem Zeigefinger auf die Bewertung. "Diese Mitarbeiterbewertung gibt nur die Leistung des Personals wider. Selbst wenn wir dich weiterhin bei uns beschäftigen, wirst du für immer nur eine Bürogehilfin bleiben. Du wirst Tag für Tag die niedrigsten Tätigkeiten machen. Willst du dass es für immer so bleibt?"
Das Mädchen blickte mürrisch, aber auch defensiv drein und sagte: "Sie wollen doch nur dass ich noch mehr für die Firma schufte."
"NEIN! Sieh mich an, wenn ich mit dir rede! Nein! Das ist genau das, was ich nicht will! Du kommst nicht Tag für Tag hier her damit du nicht verhungerst wenn du es nicht tust. Wenn dein Leben nur darin besteht Samstagnacht mit deinen Freunden auszugehen um was zu trinken und dich dann am nächsten Tag krank fühlst, dann kann ich nichts für dich tun. Das ist der direkte Weg in die Arbeitslosigkeit. Schau mich an! Denkst du etwa, dass ich meine freien Stunden damit verbringe?"
"Nein, Miss."
"Natürlich nicht! Und du solltest es auch nicht!" Janets Stimme wurde leiser und nahm einen sanften Ton an. "Ich schufte hier nicht, um eine Abteilung in einer großen unpersönlichen Firma zu leiten, die nur meine Arbeitskraft haben will. Ich komme hierher, weil ich die Ehre habe, jawohl die Ehre, ein Top- Team zu führen. Ich bin glücklich, und auch stolz, das tun zu dürfen! Mein Team ist stolz auf das was es tut. Und wir sind ein glückliches Team. Schau mich an! Sehe ich wie ein von oben getretener Lohnsklave aus?"

Das Mädchen schaute Janet an. Erst in diesem Moment verstand sie was sie sah: Eine elegante Dame die wusste dass sie schön war, aufrecht und stolz, innerhalb der strengen Kontrolle eines erbarmungslosen Korsetts. Und die grauen Nadelstreifen schrien: "Erfolgreiche Geschäftsfrau!"

"Ich habe ein stolzes Team, stolz auf die Arbeit die es tut. Und ich will, dass du eine von ihnen bist", fügte Janet hinzu. Dann wandte sie sich Bob McDonegall zu und sagte: "Bob, sie ist dein Mitglied. Ich bin mir sicher dass sie dir mehr vertraut. Du redest mit ihr. Vielleicht hört sie auf dich. Aber eines kannst du mir glauben: Wird ihre nächste Mitarbeiterbewertung genauso wie diese ausfallen, dann ist das ihr Ende in dieser Firma."

Als die beiden hinausgingen, hörte Janet zufällig Bob sagen: "Also, für einen Moment hatte ich gedacht dass du im hohen Bogen rausfliegst. Ich hoffe dass du verstanden hast dass dies deine letzte…"

*****

Ken Phlagott führte Janet zu einem anderen diskreten kleinen Restaurants zum Mittagessen aus. Er hielt offensichtlich einen Geheimwitz zurück. Er wartete bis sie sich hingesetzt hatte und setzte sich dann ihr gegenüber hin. Als er das tat, lächelte er immer noch.
"Okay. Nun komm'. Raus mit der Sprache. Ich habe etwas getan, das dich amüsiert. Was ist es? Ist es etwas Schlüpfriges?"
Ken überleget kurz wie er sein Belustigung besser verpacken konnte. Dann sagte er: "Der Vesuv, die Atombombe, die Bismarck und du; Ihr seid eine Klasse für sich."
"Ich bin nicht sicher ob ich mich über deinen Vergleich mit einem Vulkan oder einer Massenvernichtungswaffe geschmeichelt fühlen soll, aber den Vergleich mit einem alten Schlachtschiff lehne ich ab", erwiderte Janet.
"Nun, die Breitseiten, die du heute Morgen im Büro abgeschossen hast, haben so richtig eingeschlagen!"
"Ach ja?"
Ken lächelte vor sich hin. Dann schaute er Janet an und wurde plötzlich ganz ernst. "Tja, es war wohl mehr ein eine leichte Brise vor dem Sturm, mit der alles begann. Zuerst einmal erschienst du in diesem wunderbaren Kleid, welches du trägst. Dann, als deine Sekretärin dir dazu gratuliert, bist du aufgestanden und hast mit deinen Bewegungen der ganzen Welt gezeigt dass du unter dem Kleid ein Korsett trägst. Gleichzeitig hast du der Welt erklärt, dass du aus freien Stücken ein Korsett trägst. Damit hast du allen Spöttern hinter deinem Rücken den Wind aus den Segeln genommen. Allein das war schon eine Glanzleistung." Er verstummte für einen Moment und überlegte sich was er als nächstes sagen wollte. "Ich habe auf deine Chance gewartet, dass du dieses kleine verlotterte Biests rausschmeißt, welches dir von der Personalabteilung vor einiger Zeit aufdrängt wurde. Und dann hatten wir den Atem angehalten als sie die Unterstützung der Gewerkschaft gefordert hat. Aber du hast es zu deinem eigenen Vorteil gemacht. Die ganze Firma weiß es inzwischen und jeder fragt sich was du als nächstes machen wirst."
"Oh, alles gut."
"Warum gut?"
"Also, Bob McGonagall ist ein verdammt guter Sachbearbeiter, jedenfalls vom Standpunkt seiner Leistung aus betrachtet. Er hat ihre Mitarbeiterbewertung gelesen und hat sie mehr oder weniger freiwillig unter seine Fittiche genommen. Es dürfte sehr interessant sein zu sehen, wie es weitergeht."
Ken Phlagott sah ratlos aus.
Janet ignorierte es fuhr fort zu sagen: "Das Wichtigste an der Sache ist, dass es mir die Chance gab vor Zeugen zu sagen dass sie das Glück hatte Teil von dem zu sein, welches eines der besten Teams ist, meines Teams. Meine Sekretärin hatte die ganze Zeit mittels der Sprechanlage mitgehört. Ich konnte es an der kleinen grünen LED sehen. Da bin ich mir sehr sicher. Sie ist nämlich eine richtige Schnüfflerin. Das kleine verlotterte Biest, der Betriebsratsvorsitzende und sie. Das reicht vollkommen um alle in der Abteilung zu informieren, dass ich der Meinung bin mein Team wäre das Beste. Hätte ich alle zu einer Besprechung einberufen und es ihnen direkt gesagt, dann hätten sie es als belangloses Gerede einer Vorgesetzten abgetan. Aber jetzt sie es aus einer zuverlässigen Quelle des Vertrauens und sind stolz auf sich. Und glaube mir, das ist war, ich bin wirklich stolz auf mein Team. Es kann auch mal Zeiten geben wo es anders ist, aber wenn ich die menschliche Natur richtig beurteile, werden sie jetzt den Ansporn haben es allen, auch mir, zu zeigen dass sie die Besten sind. Eine echte Win-Win-Situation. Nicht wahr?"
Janet schaute ihn an. Er war offensichtlich mit ihrer Erklärung beschäftigt. Janet nahm einen Schluck von ihrem Kaffee, dachte kurz nach, und ließ die nächste "Bombe platzen".
"Leider, von deinem Standpunkt aus betrachte, bedeutet es aber auch, dass die ganze Firma nun weiß, dass die Frau, mit der du zum Mittagessen gehst, eine eitle ‚Modenärrin' ist, die sich beinahe zu Tode quetscht um sich aufgrund einer albernen Überzeugung schöner zu machen."
Ihre Bombe war ein Versager, denn das brachte Ken kein Deut in Verlegenheit. Er lächelte Janet nur an und sagte: "Oh, das ist kein Geheimnis mehr. Ich habe es sofort bemerkt, als wir uns das erste Mal begegnet sind. Ich habe von dem Wissen allerdings keinen Gebrauch gemacht, da ich dich nicht Verlegenheit bringen wollte. Es war auf dem ersten Blick offensichtlich, dass du diese wunderbare Form nur mit künstlichem Mitteln erreichen konntest. Es schmeichelt meinem männlichen Ego zu denken dass du es wenigstens zum Teil für mich tust."
Eine von Ken Phlagotts merkwürdigen Marotten war seine Gewohnheit, plötzlich das Thema ohne Vorwarnung zu wechseln. Denn bevor Janet an eine Antwort auf diese verheerend offene Enthüllung seiner wirklichen Gefühle denken konnte, sagte er: "Ach, und wo wir gerade bei dem Thema sind. Ich habe es geschafft ein Paar zurückgegebene Karten für das neue Theaterstück im Royal Court Theater zu ergattern. Sie sind für morgen Abend. Ich weiß, das kommt jetzt überraschend. Aber wenn du es einrichten könntest, wäre ich sehr erfreut. Ich bestelle auch für hinterher einen Tisch in einem kleinen Restaurant, welches eine exquisite Französische Küche haben soll."

*****

Dieses besondere Theaterstück war ausverkauft. Die Karten waren für die zweite Reihe im Parkett. Für die Herren war natürlich schwarzer Anzug und Krawatte obligatorisch, aber für Janet bedeutete es eine echte Herausforderung. Jill Pendle machte mehrere Bleistiftskizzen von möglichen Kleidern, bis sie auf eines ihrer Meisterwerke kam. Es glich fast einem Cocktailkleid, glich aber vielmehr einem exquisiten Abendkleid. Wie dem auch sei, es bedurfte einer weiteren Reduzierung des Korsetts. Das Kleid stand Janet überaus gut.

Welche Dame, die wunderschön aussieht, in den ersten Reihen eines ehrwürdigen Theaters sitzt, sowie während der Pause am Arm eines sehr gut aussehenden und aufmerksamen Herrn zwischen der sozialen Elite verweilt, kann sich anders als euphorisch fühlen?

Und dann geschah es endlich! Im Taxi, auf der Fahrt nach Hause, zog er sie langsam und sanft zu sich heran und küsste sie. Dieser Moment war der Beginn für all das, was noch folgen sollte.

*****

Janet begann sich zu fragen, warum Jill Pendle so viel Zeit und Mühe auf sich nahm. Sie erhielt weder eine zusätzliche Bezahlung für all die zusätzlichen Arbeitsstunden, noch für die Bemühung, wenn sie sich um sie selber kümmerte. Dass sie dieses wunderbare Kleid in weniger als vierundzwanzig Stunden genäht hatte, war bemerkenswert, zumal sie das in ihrer Freizeit getan hatte.
Als sie Janet aus ihrem Abendkleid heraushalf, dankte ihr die immer noch ganz glücklich wirkende Janet für all das was sie getan hatte. "Du bist wirklich so lieb und nett zu mir gewesen. Ich viel dankbarer, als du jemals glauben kannst. Aber warum nimmst du so viel Mühe auf dich um mir, der Tochter deines Arbeitgebers, zu helfen? Das werde ich nie verstehen."

Und dann kam es alles heraus.

"Tja, meine Liebe. Wenn du es wirklich wissen willst. Ich arbeite für deine Mutter seit dem ich die Schule beendet habe. Ich war ihr allererster Lehrling. Ich war nicht lange verheiratet. Mein Mann starb sehr früh und ich war ganz alleine. Ich lebte ein paar Straßen weiter in einer kleinen Zweiraumwohnung. Ich hatte immer eigene Kinder gewollt. Du warst zu jener Zeit noch ein Kleinkind und deine Eltern waren sehr beschäftigt. Und du warst so ein süßes Ding. Tja, wenn ich mich recht erinnere, hast du die Stelle des Kindes eingenommen, welches ich nie hatte."

Janet erinnerte sich an jene Zeit. Von dem Kindermädchen, welches freundlich und sanft war, aber immer als eine unpersönliche bezahlte Dienerin behandelt wurde. Janet erinnerte sich wie ihre Mutter war. Sie war eine elegante Geschäftsfrau, die absolut korrekte Korsettmacherin des königlichen Hofes. Sie hatte stets dieses freundliche aber dennoch künstlichen Lächeln wenn sie mit wenigen Worten zu ihrer Tochter sprach. Und von ihrem Vater hatte sie so oft gehört: "Papa ist heute Abend müde, mein Schatz. Er wird dir morgen eine Gutenachtgeschichte vorlesen."  So war es immer Jill Pendle, die Freundin im Arbeitszimmer gewesen, zu der sie mit all ihren Problemen gegangen war.

Die beiden waren noch nicht müde. So tranken sie Tee und unterhielten sich schließlich über dieses Abenteuer, draußen auf dem Balkon unter dem Sternenhimmel, welches schief gelaufen war und wie sie von Ken aus den Fängen seines Vaters gerettet wurde.
"Dieser verflixte Mann! Ich kann wirklich nicht verstehen, warum er nicht rausgeschmissen wird!", gab Jill empört von sich.
Janet rührte mit dem Löffel in ihrem Tee herum und überlegte sich sehr sorgfältig was sie sagen wollte. Schließlich fragte sie: "Kannst du ein Geheimnis für dich behalten, Jill? Es ist ein sehr wichtiges und auch trauriges Geheimnis."
Jill Pendle schaute Janet kurz erschrocken an, doch dann nickte sie und sagte, dass sie fast ihr ganzes Leben lang die Geheimnisse der Kundinnen für sich behalten hatte.

Und so kam es, dass Janet die wahre Geschichte der Katastrophe erzählte, die Andrew Phlagotts Verstand verrückt gemacht hatte. Janet, die eine Frau auf dem Höhepunkt der natürlichen Schönheit war und die damit verbundene Auswirkung auf ihre Umwelt genoss, konnte das Entsetzen mitfühlen, welches die arme Frau und ihre Tochter entstellte.
Jill konnte es ebenfalls nachvollziehen. In Gedanken war sie bei den Auswirkungen auf Andrew Phlagotts Verstand. Sie wusste wie intelligent er war, aber das half alles nichts wenn einem eine derartige Katastrophe aus der Bahn warf. Es war also kein Wunder, dass er immer noch nicht darüber hinwegkam. "Oh, der arme, arme Mann", gab sie schließlich von sich.

"Ich schäme mich fürchterlich für diesen albernen Schabernack. Das muss für ihn die reine Folter gewesen sein", sagte Janet.

Sie beiden tranken eine zweite Tasse Tee und redeten über Andrew Phlagott, aber diesmal unter einer anderen Sicht der Dinge. Janet erzählte Jill von dem Keim einer Idee, den sie seit einiger Zeit in sich trug. Das bedurfte allerdings einer umfangreichen Vorbereitung und barg ein großes Risiko in sich. Aber die beiden wussten dass sie es versuchen würden. Es bedurfte einer guten Planung und müsste auf Anhieb funktionieren, sonst gäbe es eine Katastrophe. Letzteres würde Ken ihr nie verzeihen. Janet wollte es aber unbedingt versuchen.

Schließlich war es Zeit schlafen zu gehen. Das Korsett blieb weiterhin so eng zugeschnürt wie es den ganzen Tag gewesen war. Janets Hände brauchten aber nicht mehr gefesselt werden. Das Korsett war nicht mehr ihre Herrin, sondern eine Freundin geworden. Janet hatte sich daran gewöhnt. Sie hatte diese Stufe der Sucht erreicht, wo ein Korsett Quelle des Vergnügens, sogar eines großen Vergnügens wurde.

*****

Janets Mutter beobachtete mit der Erfahrung vieler Jahre wie ihre Tochter Fortschritte machte eine korsettierte Frau zu werden. Das war nicht leicht, denn es gab auch Tage, an denen Janet so schlecht gelaunt war, dass man am besten einen großen Bogen um sie machte. Jill Pendle arbeitete unermüdlich und nähte ein Kleid oder Kostüm nach dem anderen, oder änderte Teile der vorhandenen Garderobe entsprechend um.
Marktforscher haben herausgefunden, dass eine durchschnittliche Frau dasselbe Kleid etwa siebenmal trägt. Das bedeutet dass man zweiundfünfzig Büro- Outfits pro Jahr benötigt. Okay, ein Kleid oder Kostüm kann durch Hinzufügen von Schals, Broschen, oder ähnlichen Dingen anders aussehen. Es ist aber dennoch notwendig eine große Auswahl im Kleiderschrank zu haben.

Es gibt eine Größe, unterhalb der die Taille einer Frau ihre Gracie verliert. Man kann dann das Korsett so eng zu schnüren wie man will, es sieht einfach nur noch künstlich und hässlich aus. Will man aber trotzdem den Pfad der Taillenreduzierung weiter folgen, ist es besser die Form einer ‚stem- waist" (Rohrtaille) zu wählen, um damit die "Kurven" hervorzuheben. Aber das ist selbst mit der Hilfe einer erfahrenen Korsettherstellerin alles andere als einfach.

Janet wählte entgegen dem Rat von Jill und ihre Mutter einen acht Zentimeter breiten Taillenbereich aus. Wenn sie gedacht hatte, dass ihr bisheriges Korsett mit dem passenden Namen "Vixen" sehr anstrengend war, dann war das gar nichts gegenüber dem, was sie im ersten Monat erlebte! Andererseits, zugeschnürt in dieser neuen Taillenform, war ihre erste Erscheinung im Büro eine Sensation. Nun wurde nicht mehr hinter vorgehaltener Hand über sie gelästert. Das war der letzte Triumph von Fräulein Janet, der stolzen Abteilungsleiterin einer stolzen Abteilung.

Janet ging durch einen der Büro- Korridore und war mit den Gedanken bei ihrer Tätigkeit, als ihr eine junge Frau auffiel, die ihr entgegenkam. Es war dies verlotterte junge Angestellte, die bei dem Personalgespräch den Beistand des Betriebsrats gefordert hatte.
Janet blieb vor ihr stehen und betrachtete sie von oben bis unten. Sie trug eine fleckenfreie weiße Hose mit einem hüftlangen Pulli, der mit einem breiten elastischen Gürtel eine schmale Taille andeutete. Sie trug ‚vernünftige', aber saubere und polierte Oxford- Pumps. Ihr Haar war sauber und fiel in sanften Wellen bis auf die Schultern herunter. Janet lächelte und sagte: "Du siehst heute Morgen sehr smart aus, meine Liebe. Das gefällt mir."
Danach ging sie weiter und ließ das Mädchen sie erstaunt hinterherschauend zurück. Janet war angenehm überrascht wie schnell ihr eigenes Vorbild Früchte trug.

Janet suchte Robert McDonagle. Als sie ihn traf, sagte sie: "Bob, du hast bei diesem Mädchen Wunder bewirkt. Herzlichen Glückwunsch."
"Vielen Dank, Miss. Ich gebe für meine Mitglieder das Beste", antwortete er. Er konnte es einfach nicht sein lassen und musste seine Gewerkschaftsfunktion betonen.
"Und natürlich für die Abteilung", korrigierte Janet.

Kapitel Fünf

Das Direktorium entschied in seiner unendlichen Weisheit, dass es eine großartige Firmenveranstaltung für die Kunden geben sollte. Es sollte eine riesige, keine Kosten sparende Lustbarkeit, eine Wochenendevent in einer ländlichen Villa mit großen Gärten werden, und obendrein mehrere Tage lang dauern. Ken Phlagott reichte Janet eine Photokopie des Programms. Darin war auch ein Plan von dem Haus, dem großen Anwesen und einem Garten enthalten.
Als Janet das sah, wusste sie sofort, dass dort ihre große Chance war um den einzigen Versuch ihres Plans zu riskiert. Dort wollte sie es versuchen die dunklen Barrieren zwischen Andrew Phlagotts Verstand und der realen Welt durchbrechen.

Sie erklärte Ken bei dem nächsten diskreten Mittagessen ihren Plan, doch er war unnachgiebig. "Ich bin absolut dagegen! Du willst mit Papa ganz alleine in den von Mauern umgebenen Garten sein und mit Absichtlich seine Leidenschaften auslösen? Das würde einem Selbstmord gleichkommen", sagte er.
"Nein Ken, bitte, ich muss. Es kann daneben gehen. Dessen bin ich mir bewusst. Aber wir können ihn doch in dieser endlosen Qual alleine lassen. Ich habe gelesen, dass wenn wir ihn, ich lasse jetzt mal die medizinischen Begriffe außen vor, an jene psychische Grenze bringen, könnte Mauer kippen. Die Lehrbücher besagen, dass sein rationaler Verstand wieder die Oberhand erhält und er seinen Weg zu psychischen Gesundheit zurück findet."

Das Gespräch führte die beiden an den Rand des ersten Beziehungsstreits. Aber Janet ließ nicht locker und Ken konnte ihr den Plan nicht ausreden. Ken war sich aber auch nicht wirklich sicher, und so arrangierte er ein gemeinsames Abendessen mit dem Psychiater, der seinen Vater behandelt hatte. Der Mann war Professor der Psychiatrie an einem der großen Universitätskrankenhäuser.
Der Professor war zuerst von der Idee entsetzt, und dann fasziniert. "Sie sind sich sicher, dass dieses fabelhafte Korsettding, das sie tragen wollen, ausreichenden Schutz vor einem verwirrten Mann gibt, der wohlmöglich absolut unkontrollierbare Handlungen machen kann? Das klingt für mich äußerst gefährlich."
"Oh ja. Sobald ich da drin stecke und dieses stabile Halskorsett zugeschnürt ist, bin ich steif wie ein Besenstiel und seine Leidenschaften werden nicht ausreichen um mich zu verletzen."
Der Psychiater überlegte lange hin und her. Schließlich sagte er: "Ich würde eine derartige Behandlung niemals verordnen. Andererseits, ja, sie haben Recht. Es könnte theoretisch funktionieren. Das ist schon einmal in einer medizinischen Fachzeitschrift diskutiert worden. Aber nur als eine theoretische Diskussionsvorlage, denn das ist noch nie erprobt worden, da es extrem gefährlich ist." Der Professor schaute Janet an und dachte nach. Diese Frau in all ihrer eleganten Schönheit bittet darum, in eine Position großer Gefahr platziert zu werden. Schöne Frauen sollten geschützt werden. So habe ich es seit meiner Kindheit in Erinnerung. Andererseits, wenn es funktioniert, wäre es eine Sensation in der Welt der Psychiatrie. Der Professor wollte das Experiment wagen und sagte: "Aufgrund ihres Einverständnis und dass sie es auf eigene Gefahr machen wollen, muss ich ihnen ohne jeden Zweifel zustimmen. Oder anders ausgedrückt, wie es Rechtsanwälte gerne sagen, ich ihnen zur Seite stehen."
Damit war klar, dass Ken keine wirkliche Alternative mehr hatte außer mitzuwirken. Aber er plante den Schutz seiner Dame mit größter Sorgfalt. Er liebte und respektierte seinen Vater, würde aber niemals zulassen dass er seine Geliebte verletzen würde.

*****

Janet war in den folgenden Tagen und Wochen wie verändert. Ihre Abteilung fühlte es. Und da sich die Chefin so stark in dieses ‚Präsentationsding' einbrachte, wollte ihr Team es ihr gleichtun und ‚bewegte Berge' um alles perfekt zu machen.

Die alte Villa war riesig. Sie wurde vor langer, langer Zeit erbaut, als in Großbritannien noch der Adel regierte und seine Macht und sein Reichtum in Gebäuden wie diesen, mit riesigen Grundstücken, präsentierte. Janet interessierte sich allerdings nicht dafür, sondern kontrollierte alles bis ins letzte Detail; Sei es das Besteck, die Zimmer, bis hin zum Kopfkissenbezug. Die Lieferfirmen wurden von ihr genauestens instruiert, damit bei Eintreffen der Gäste alles bis zur Vollkommenheit erledigt war.

Um die Gäste auf das kommende Wochenende besser einzustimmen, waren der Nachmittag und der Abend nur für entsprechende Gastfreundschaft reserviert. Die großen Präsentationen und Vorführungen waren für den nächsten Tag geplant. Uniformierte Mitarbeiter eines namhaften Catering- Unternehmens führten die Gäste zu ihren Zimmern. Unten, in einer großartigen Halle, wohl dem ehemaligen Ballsaal, standen Getränke und Snacks bereit. Es war auch eine Dame der Eigentümer anwesend, welche interessierten Gästen die Geschichte des altehrwürdigen Anwesens erzählte. Da sie das schon oft gemacht hatte, war ihre Präsentation nicht trocken, sondern eher anregend und mit vielen amüsanten Anekdoten gespickt.
Janets Abteilung mischte sich unter die Gäste, hieß sie willkommen und plauderte mit ihnen über die faszinierenden Dinge, die sie am nächsten Tag noch sehen würden.

Vor dem Abendessen hielt Andrew Phlagott, perfekt gekleidet, eine Begrüßungsansprache.
Etwas, das sein Sohn beim Vorbeigehen gesagt hatte, brachte ihn auf einen anderen Gedanken und seine Rede wurde knackig, lustig und kurz. Er war nämlich dem alten Rat von Moderatoren gefolgt, der da hieß: "Sei redlich und sei fleißig, bleibe stets unter Eins Dreißig."
(Anmerkung: Ein Beitrag soll nicht länger als eine Minute und dreißig Sekunden lang sein.)
Er setzte sich anschließend inmitten lächelnder Gesichter hin und führte anregende Gespräche. Ein Teil seines Verstandes war jedoch bei der endlosen Suche unter den Damen nach dem Gesicht seiner verlorenen Anne.

Janet schlich sich vor dem Abendessen weg. Jill Pendle wartete in ihrem Schlafzimmer auf sie. Dort hatte sie das Outfit für den großen Versuch bereit gelegt. Janet schaffte es nur mit ihrer Hilfe sich umzuziehen. Es ein Kampf, aber das hatten die beiden erwartet. Janets Korsetttraining war natürlich sehr hilfreich. Wie dem auch sei, dieses Outfit war eine ganz andere Herausforderung, denn es musst fest, sehr fest sein! Das neue Korsett wurde von oben bis unten komplett zugeschnürt, was seine äußerste Steifheit sogar noch verstärkte. Das war auch nötig, denn das Korsett sollte Janet vor den wildesten Handlungen der Leidenschaft dieses Mannes schützen. Um das zu gewährleisten, war das Halskorsett, es war Teil des Korsetts, sogar noch verstärkt worden. Der Psychiater hatte Janet nämlich gewarnt, dass dies eine nicht zu unterschätzende Möglichkeit war. Laut Polizeiberichten gehörte das Erwürgen bis hin zum Genickbruch zu den meisten tödlich verlaufenden Vergewaltigungen dazu.

Das Kleid war eine Kopie von einem alten Foto, auf dem Kenneths Mutter in ihren schönsten Tagen abgelichtet war. Es war ein sanftes, fließendes Weiß, das aus einem durchscheinenden Material gemacht war und die Trägerin aussehen ließ, als ob sie durch die Luft gleiten würde.

Janet schaffte es nur mit großer Schwierigkeit und der Hilfe von Jill sowie einer zufällig entgegenkommenden Frau des Catering- Personals die Hintertreppe hinunter zu gehen, die Einfahrt zu überqueren, und den von hohen Mauern umgebenen Garten zu betreten. Danach wurde die große alte Eichentür hinter ihr geschlossen.

Von Mauern umgebene Gärten waren seinerzeit der Luxus reicher Engländer gewesen. Jene Gärten waren von bis zu drei Meter hohen Backsteinmauern umgeben und mit fruchtbarer Erde gefüllt. In ihnen entstand ein Mikroklima, da es die Wärme der Sonnenstrahlen speicherte. Das wiederum gab die Möglichkeit Obst und Gemüse aller Art, stellenweise sogar sehr seltene Gartenfrüchte, zu erzeugen um damit die Gäste zu beeindrucken. Das war sehr arbeitsintensiv und seiner Zeit dementsprechend teuer. Dieser Luxus wurde jedoch inzwischen durch das riesige Angebot in den Supermarktregalen ersetzt, da es dort das ganze Jahr hinüber Obst und Gemüse aus allen Teilen der Welt zu kaufen gibt.
Die massiven alten Mauern stehen oft heute noch und wurden stellenweise in prächtige Rosengärten verwandelt. An der Nordseite stand ein großes Sommerhaus, welches sich als das perfekte Versteck für den Psychiater anbot. Er stand dort an einem Fenster und wollte das Paar mittels eines Nachtsichtgeräts beobachten, da es inzwischen dunkel geworden war. Er war allerdings mit seiner Beobachtungsposition nicht wirklich zufrieden, da der Garten mit Loggias und Gittern voller blühender Rosen vollgestopft war. Bei ihm befanden sich zwei kräftige Krankenpfleger, bereit im Falle aller Fälle sofort einzugreifen. Auf einem Beistelltisch lagen zusätzlich vorbereitete Spritzen mit schnell wirkendem Beruhigungsmittel bereit. Während seiner Beobachtung schlich sich Kenneth durch die West- Tür hinein und versteckte sich in der Dunkelheit neben dem Eingang. Er hatte sich nach dem Abendessen nach draußen geschlichen und war bereit seiner Dame sofort zur Hilfe zu eilen. Jill war mit Janet in den Garten gekommen und stellte sich in eine dunkle Ecke des Südeingangs.

Da das Umziehen so lange gedauert hatte, war das Abendessen nun vorbei und die Gäste saßen in kleinen Gruppen in dem großen Saal, tranken Kaffee und unterhielten sich. Da übergab ein Ober Andrew Phlagott sehr diskret und ganz leise die Botschaft, dass eine Dame im Rosengarten auf ihn warten würde. Andrew konnte es zunächst kaum glauben! Er erhob sich trotzdem und verließ leise und heimlich den Saal.

Janet sah, wie er den Rosengarten betrat und stehen blieb. Er schaute sich leicht irritiert um. Sie stand derweil verborgen hinter einem niedrigen Gitter voller Kletterrosen und beobachtete wie er langsam zur Mitte des Gartens ging.
Dann sagte sie leise: "Andrew!"
Andrew blieb wie versteinert stehen und fragte: "Wer ist da?"
"Rate mal, Andrew", gurrte sie. "Es ist schon lange her!"
Andrew drehte sich hin und her und versuchte die Richtung zu bestimmen, aus der die Stimme kam, denn das Echo von den Mauern machte es ihm nicht leicht. "Bitte, wo bist du? Ich kann dich nicht sehen!"
Janet trat hinter dem Rosengitter hervor. Der Mondschein erhellte das durchscheinende weiße Kleid und es sah fast so aus, als ob Janet durch die Lüfte gleiten würde, bevor sie aus seiner Sicht verschwand. Er begann vorwärts zu gehen, aber sie verschwand hinter einer Loggia voller Rosen um kurz darauf auf der anderen Seite des Gartens wieder zu erscheinen.
"Anne?" Sein verwirrter Verstand stellte die Verbindung her, die sie beabsichtigt hatte.
"Es ist schon so lang her, mein Teuerster, so lange." Janet sprach ganz leise. Janet vermied es aber wohlweislich seine Frage mit ‚Ja' zu beantworten. Das musste seine eigene Manie bewerkstelligen.
Janet neckte ihn mehrere Minuten lang und gab, wegen der Filzpantoffeln, keine Gehgeräusche von sich. Sie ließ ihn immer wieder einen kurzen Blick von sich erhaschen und gab leise Ermutigungen von sich.
"Anne, oh Anne! Bitte!" Er blieb in der Mitte des Gartens, wo sich zwei Hauptwege kreuzten, stehen. Sein Körper schwankte vor Erschöpfung aufgrund seines Strebens nach diesem weißen Phantom. Da vernahm er in seiner schnaufenden Erschöpfung einen leichten Atem an seinem Ohr und eine sanfte Stimme sagte: "Andrew, mein Darling."
Er drehte sich herum und berührte sie fast, denn Janet stand ganz nah bei ihm.

Da explodierte etwas in Andrew Phlagotts Gehirn.
Er hatte seine lang vermisste Anne gefunden! Die Geschwindigkeit mit der er seine Arme um sie herum schlang hatte die Geschwindigkeit einer angreifenden Mamba und die Festigkeit seines Griffs glich der einer Boa Konstriktor. Die Heftigkeit seines ersten Kusses beschädigte ihre Lippen drückte ihren Kopf gegen die stabile Stütze des Halskorsetts. Janet erschrak, denn sie wusste sofort dass sie jedwede Kontrolle verloren hatte. Er hatte die Kraft eines Gorillas. Da kam ihr das alte Zitat "Denjenigen, den die Götter zerstören wollen, machen sie zuerst verrückt" in den Sinn, während sie innerhalb seiner eiserenen Umarmung nach Atem rang.

Im Sommerhaus sprangen die beiden Krankenpfleger auf, wurden aber von dem Psychiater gestoppt. Er sah durch sein Nachtsichtgerät dass Janets Körper immer noch stockstreif gerade war. Janet schaffte es sogar, seine Schultern und sein Haar zu streicheln, während er sie umklammerte. Der Psychiater hatte die Krankenpfleger deswegen zurück gehalten, weil er der Meinung war dass sie die paar Meter zu den beiden rechtzeitig schaffen würden, bevor das Experiment aus dem Ruder lief, denn im Moment lief alles genau so, wie Janet es vorhergesagt hatte.

Andrew Phlagotts Leidenschaft gerieten jedoch so langsam außer Kontrolle. Andrew legte Janet auf den Boden, der zum Glück aus weichem Gras am Wegesrand bestand. Janet lag nun vollkommen hilflos unter seinem schweren Körper, während er vor Leidenschaft stöhnte. Janet konnte nur noch hoffen, dass ihre Aufpasser in der Dunkelheit rechtzeitig eingreifen würden.
Kenneth wurde entsetzt. Er schlich sich heran und blieb hinter einem besonders großen Rosenbusch stehen, bereit jeden Augenblick einzugreifen, falls sie um Hilfe rufen würde. So war es jedenfalls abgesprochen worden. Jill kam leise herbei und blieb neben ihm stehen.

Andrew Phlagotts Leidenschaft erreichte seinen unvermeidlichen Höhepunkt und blieb auf ihr liegen. Sein Zittern und Stöhnen ließ langsam nach, aber es folgte nicht die übliche Entspannung der zufriedenen Sättigung. Es glich eher einer Bewusstlosigkeit. Janet war besorgt dass er einen Herzinfarkt gehabt haben könnte, da seine Leidenschaft unglaublich stark war. Als er jedoch von den beiden kräftigen Krankenpflegern hochgehoben wurde, fühlte der Psychiater einen stabilen Pulsschlag. Er hob sanft Andrews Augenlid hoch und sah dass sein Auge verdreht war. Andrew Phlagott befand sich in einem tiefen Komma.

Der Psychiater begleitete die beiden Krankenpfleger, die Andrew Phlagott die Hintertreppe hinauftrugen und ihn in seinem Zimmer auf das Bett legten. Es gab nichts, was er in diesem Moment für den Mann tun konnte. Der Professor wusste, dass tief in seinem Gehirn die Blockade zerbrochen war. Jene wütende Aktivität hatte begonnen das Gewirr in seinem ihm quälenden Gedächtnis zu entwirren. Es würde nun einige Zeit dauern bis der Psychiater mit der erforderlichen "Instandsetzung" beginnen könnte, falls es möglich war.
Danach schloss er sich den anderen an und kehrte zu der Party zurück, während die beiden Krankenpfleger auf den alten Mann aufpassten.

Kenneth und Jill hatten derweil Janet auf die Beine geholfen und sie gestützt, während sie leicht taumelnd zum Haus zurückging. In Janets Zimmer angekommen zog Jill ihr das Kleid aus und befreite sie aus dem massiven Korsett.
"Bist du in Ordnung, Fräulein?", fragte Jill besorgt.
"Ich denke schon", sagte Janet, während sie vorsichtig versuchte, ihre lang gelähmten Muskeln zu strecken. "Ich bin als Kind und später als Teenager in so manchen verzweifelten Clinch mit Jungs verstrickt gewesen, aber das…!"
Sie nahm ein heißes Entspannungsbad, verteilte eine Salbe auf ihre beschädigten Lippen und legte sich anschließend ins Bett, wo sie rasch vor Erschöpfung tief einschlief.

Jill räumte derweil ganz leise auf. Das weiße Kleid war zerknittert, zerrissen, schmutzig, voller grünen Grasflecken und mit dem Ergebnis von Andrews Leidenschaft verschmiert. Jill faltete es zusammen, wickelte es in Packpapier ein und legte es ganz unten in den Koffer hinein, da es später entsorgt werden sollte. Das Kleid war völlig ruiniert, aber es hatte seinen Zweck bewundernswert erfüllt.

Am nächsten Morgen ging Janet, bekleidet mit einer Hose und einem Pullover, die Treppe hinunter. Sie freute sich auf ein Frühstück und wurde von einem besorgten Kenneth und dem Psychiater begrüßt. Der Grund? Andrew Phlagotts Zimmer war leer! Er hatte irgendwann in der Nacht seine Sachen gepackt und war dann abgereist!

*****

Der Mond war untergegangen. Andrews Zimmer war pechschwarz als er das Bewusstsein wiedererlangte. Sein Verstand war glasklar. Es war, als ob während der Stunden seines tiefen Kommas sein bisheriges Leben wie, vielleicht konnte man das mit dem Begriff "Rückblende aus der Filmbranche vergleichen, vor seinen inneren Augen vorbeilief. Die Wahnvorstellungen der vergangenen Jahre verblassten langsam und sein Verstand kehrte in die Wirklichkeit zurück. Er verstand plötzlich was geschehen war, was sie, Janet, sein Sohn und der Psychiater für ihn getan hatten. Er war dankbar, daran gab es keine Zweifel. Er hatte aber auch gleichzeitig großen Respekt vor dieser Frau, denn sie hatte großen Mut bewiesen. Er musste auf jeden Fall das wieder gutmachen, was er ihr angetan hatte. Aber das musste warten, denn er wusste was er zuerst tun musste, sofort, mitten in dieser Nacht.

Andrew Phlagott rief ein Taxiunternehmen an und bestellte ein Taxi, welches ihn noch in der Nacht zum Bahnhof fahren sollte. Als das Taxi vor der Tür stand, war er bereits umgezogen und hatte alles gepackt. Mit dem Zug und der U-Bahn kehrte er zu seiner Wohnung zurück, packte dort einen kleinen Reisekoffer und steckte seinen Reisepass ein. In London- Heathrow buchte er einen Langstreckenflugflug zu dem Land, wo er und seine geliebte Anne gemeinsam an deren Forschung gearbeitet hatten. Nach der Landung stieg er in eine Cessna um und ließ sich zu dem Dorf fliegen, wo sie seinerzeit gelebt hatten.

Die Dorfältesten begrüßten ihn herzlich. In seinen Jahren dort vor Ort hatten er und seine Frau, mit der Unterstützung der Gesundheitsorganisation der Vereinten Nationen, der örtlichen Bevölkerung sehr viel geholfen. Und das hatten sie nicht vergessen. Nach der Begrüßung erklärte er den Grund seines Besuches.

Es schien, dass das ganze Dorf ihm zum Friedhof folgte. Sie blieben mit einem respektvollen Abstand und schauten schweigend zu, wie er vortrat. Ein Mädchen folgte ihm mit einem großen Strauß tropische Blumen in den Händen. Das Grab war von der Dorfgemeinschaft aus Respekt vor seiner Frau stets ordentlich gehalten worden. Andrew Phlagott blieb am Grab seiner Frau mehrere Minuten lang schweigend an sie denkend stehen. Dann kniete er nieder und küsste das Grab. Anschließend flüsterte er seinen Abschied. Das Mädchen gab ihm die Blumen, welche er unter das schlichte Kreuz legte.
Danach erhob er sich und verließ das Dorf, um mit der Cessna wieder zurück zu fliegen.

Am Flughafen angekommen, buchte er den nächsten Rückflug und begab sich in die Abflughalle. Andrew Phlagott konnte sich zum ersten Mal seit seinem Erwachen in der Dunkelheit seines Zimmers in der alten Villa entspannen. Er setzte sich hin und beobachtete die anderen Passagiere für seinen Flug, welche langsam eintrudelten. Ganz allmählich dämmerte es ihm was er sah um sich herum sah. Die Hälfte der Passagiere waren Frauen. Junge Frauen, alte Frauen, große Frauen, kleine Frauen, dicke Frauen und dünne Frauen, attraktive Frau, verwahrloste Frauen… Eben Frauen. Er sah schaute sich nicht mehr nach seiner Anne suchend um und war sogar ein wenig verwundert, dass er nicht mehr in jeder Frau seine Anne sah. Sie war weg, schließlich hatte er Abschied von ihr genommen.

Im Flugzeug saß er zwischen einer etwas älteren Frau, sie saß auf dem Fensterplatz, und einer Geschäftsfrau. Die ältere Frau erzählte ihm von ihren Enkelkindern, während die andere Frau auf der Suche nach wichtigen Dokumenten den Inhalt ihrer Aktentasche bis auf seinen Schoß verteilte. Er gab hin und wieder eine Bemerkung bezüglich dem Erfolg der Enkelkinder von sich, und sammelte die Papiere der Geschäftsfrau ein um sie ihr zurück zu geben. Die meiste Zeit des Fluges verschlief er allerdings, denn um ihn herum waren schließlich einfach nur ganz normale Frauen.

Wieder in seiner Wohnung angekommen, öffnete Andrew die Post, die unter anderem Kopien des Protokolls des letzten Treffens vom Direktorium enthielt. Andrew verließ nachdenklich seine Wohnung und bestellte in einer nahen Pommes- Frites- Bude ‚Fish and Chips". Er setzte sich hin, aß das Essen direkt aus der Papiertüte und gab ein paar Daten in seinen modifizierten Handcomputer ein. Das Ergebnis gefiel ihm nicht und nahm ein Taxi zum Büro. Es war bereits später Freitagnachmittag. Somit war er ganz alleine. Er setzte sich an seinem Schreibtisch und schaltete den PC an. Nach Eingabe seines Passworts und arbeitete sich in die vertraulichen Berichte ein, die der Vorstand der Firma in letzter Zeit geführt hatte.
Wie von ihm erwartet, war alles in Ordnung. Das hatte er schließlich auch von einem kompetenten Vorstandsgremium erwartet. Aber, da sein Verstand nicht mehr von dem Tod seiner Frau belastet und somit vollkommen klar war, analysierte er alles noch einmal sehr genau und kam zu einem deprimierenden Ergebnis. Er arbeitete bis tief in die Nacht hinein und entwickelte dabei eine neue Idee.

Am nächsten Morgen erkannte er, dass seine neue Idee der richtige Weg war. Aber es musste noch bis zum letzten Punkt und Komma überprüft werden. Am späten Vormittag rief er seinen Sohn an: "Kenneth, wir haben viel zu tun. Komme schnell vorbei. Ach, und bringe etwas zu Essen mit."

Die beiden verbrachten den Samstag als auch den Sonntag um die Massen von Daten zu ordnen und zu analysieren. Sie ernährten sich ausschließlich von Fastfood. Die beiden rechneten hin und her, überprüften alles doppelt, bis sie keine Zweifel mehr hatten dass die Firma diesen neuen Weg gehen musste. Es gäbe also viel zu tun, aber der Gewinn würde sich innerhalb eines Jahres verdoppeln. Um das zu erreichen müsste man die eingefahrenen Wege verlassen und alles neu organisieren.
Während sie das alles taten, erkannte Andrew, dass sein Sohn nicht nur mit seinem schnellen Verstand mithielt, sondern auch seine eigenen Ideen mit einbrachte. Das schweißte sie zu einem unschlagbaren Team zusammen!

*****

Dieses Mädchen, welche vor nicht allzu langer Zeit fast rausgeschmissen wurde, wartete vor Janets Büro, als diese am Montagmorgen hereinkam. Janet warf einen schnellen Blick auf sie. Sie trug einen smarten Rock und eine Bluse, sowie eine kurze Bolero- Jacke. Perfekt für das Büro. Aber da war noch etwas anderes, was Janet bemerkte.
"Darf ich mit ihnen sprechen, Miss?", fragte das Mädchen.
"Ja natürlich. Komm' herein", antwortete Janet.
Das Mädchen folgte ihr ins Büro und blieb dort abwartend stehen bis sie aufgefordert wurde sich hinzusetzen.
"Setz' dich", sagte Janet und zeigte auf einen der Besucherstühle. Sie bemerkte, dass sich das Mädchen nicht nur angezogen war, um im Büro smart auszusehen. Nein, sie sah wie eine attraktive Frau aus. Der Grund war offensichtlich. Und so sagte Janet: "Du hast einen Freund. Herzlichen Glückwünsch."
Das Mädchen wurde rot. "Ja, Miss. Seit ich begonnen habe… mich zu…"
"Etwas aus dir zu machen?"
"Nun ja. Ja, Miss. Seitdem schauen die Jungs mir hinterher. Es ist nichts Festes, aber es gefällt mir."

Janet imitierte Humphrey Bogart und sagte: "So ist es nun mal, Süße." Sie ließ es aber schnell wieder sein und fragte freundlich lächelnd: "Wo ist das Problem? Wie kann ich dir helfen?"
"Nun ja, Miss, ich frage mich… Also… Ich möchte jetzt nicht anmaßend klingen, Miss, aber ich frage mich ob ich mir auch ein Korsett zulegen sollte und… Also, sie sind…", stotterte das Mädchen, bevor es verstummte.
Janet lachte. "Du möchtest also den Rat einer Expertin haben."
"Ich wollte nicht unhöflich sein, Miss, aber… Ja."
Das war so ein Fall, zu dem man "Blinder Eifer schadet nur" sagen konnte. Janet benötigte etwas Zeit um dem Mädchen zu erklären dass das Tragen eines Korsetts keine leichte Angelegenheit wäre. Ein Korsett würde zwar "Wunder" bewirken, doch der Preis würde gerade für eine Anfängerin sehr hoch sein. Es wäre also unklug sich in dieses Abenteuer hineinzustürzen. Andererseits würde ein gut sitzender Miedergürtel gerade bei ihr wahre Wunder bewirken.
Janet nahm einen Schreibblock und schrieb einen kurzen Brief. Anschließend übergab sie das Schreiben mit den Worten: "Bitte sehr. Das ist für die Dame, welche auf der Hauptstraße die Zweigstelle einer Damenunterwäschekette leitet. Ich kenne sie sehr gut, da sie hin und wieder für meine Mutter arbeitet. Gebe ihr den Brief und sage dass ich dich zu ihr geschickt habe. Sie wird dir den besten Miedergürtel geben, mit dem du deine Figur noch schöner machen wirst. Ich wünsche dir viel Glück."

Sie wartete bis das Mädchen ihr Büro verlassen hatte und rief dann den Gruppenleiter ihrer Abteilung an. Jene Person musste regelmäßige Berichte über Lehrgänge, Ausbildung als auch Weiterentwicklung der Mitarbeiter verfassen und Janet zukommen lassen. Janet wollte dass das Mädchen, welches damit begann einen Miedergürtel zu tragen, weiterführende Lehrgänge besucht. Das war Janets Art sich um das Mädchen zu kümmern und Teil eines Top- Teams zu werden.

Kapitel Sechs

Im Vorstand brodelt es!
Die Phlagotts, Vater und Sohn, hatte ihre Vorschläge peinlich genau detailliert aufgeschrieben und jedem Vorstandsmitglied zukommen lassen. Das Ergebnis war, dass an diesem Montag- Nachmittag eine außergewöhnliche Vorstandssitzung einberufen wurde. So schnell hatte man sich noch nie zu einer Sitzung getroffen.
Sie saßen hinter verschlossenen Türen und hörten schweigend zu wie Andrew seine Analysen bis ins letzte Detail vortrug, während Kenneth entsprechende Diagramme auf den Overheadprojektor legte und Kommentare hinzufügte, um die ganze Sache offensichtlich zu machen. Es gab kein Gegenargument. Das war der Weg den das Unternehmen gehen musste.

Der Vorstands- Vorsitzende hielt eine kurze Rede. Er hatte den Posten vor vielen Jahren übernommen und stets angenommen dass sein Streben das Richtige war. Er hatte jedoch nicht einen Moment lang es für möglich gehalten, dass es anders, noch besser gehen würde. Dieses neue Vorgehen verlangte offensichtlich eine neue Denkweise, ein neues Herangehen an die Führung dieses Unternehmens. Aus diesem Grund legte er seine Funktion mit sofortiger Wirkung nieder und wünschte dem Unternehmen alles Gute für die Zukunft.
Der Geschäftsführer, ebenfalls ein langjähriger Mitarbeiter des Unternehmens, war ebenfalls der Ansicht, dass es zu spät wäre um einen alten Hund neue Kunststücke beizubringen und gab ebenfalls seinen Rücktritt bekannt. Er wünschte seinem Nachfolger viel Glück.
Sie bekamen ihre Abfindungen und verließen das Unternehmen.
Es traten auch noch ein paar weitere langjährige Vorstandsmitglieder zurück. Doch zuvor wählten sie, wohl aufgrund einer sadistischen Schadensfreude, Andrew Phlagott zum Vorstandsvorsitzenden und Kenneth Phlagott zum neunen Geschäftsführer. Das geschah getreu dem Motto: "Ihr habt uns die Suppe eingebrockt, nun könnt ihr sie auch alleine auslöffeln."

*****

Ken sandte Janet eine Kurznachricht, die besagte, dass er bis zum Hals in Arbeit steckte und zum Mittag nur Zeit für ein Sandwich hätte. Sie müsste also alleine zum Restaurant gehen. Er bat sie deswegen um Entschuldigung.

Janet war zwar nicht überrascht, da sie so einiges gehört hatte, aber dennoch ein wenig pikiert, weil er sie im Unklaren ließ. Und da er offensichtlich sehr beschäftigt war, antwortete sie ihm nicht.
Janet hatte ihr Leben in ihre Hände genommen, um seinen Vater zu helfen. Und nun wurde sie im Unklaren zurückgelassen. Sie wusste nicht einmal warum sein Vater in jener Nacht verschwunden war. Sie wurde anscheinend nicht mehr benötigt, was sie sehr verärgerte. Sie hatte zwar seinen Vater an diesem Montag in der Firma kurz gesehen, aber er war mit anderen Dingen beschäftigt, etwas, das sehr wichtig war.
Sie konnte ja nicht wissen dass etwas von großer Bedeutung auf sie zukommen würde. Doch im Augenblick wurde sie darüber in Unkenntnis gelassen. Und das war etwas, das jede normale Frau verrückt machen konnte. Janet war also stinksauer!

Andrew Phlagotts Verstand war glasklar. Er wusste inzwischen wie viel er Janet schuldete. Er war inzwischen, das mochte zynisch klingen, darüber amüsiert wie die Frauen in seinem Umkreis abwehrende Haltungen einnahmen und ihn dann ratlos anschauten, weil er ganz anders als gewohnt reagierte. Abgesehen davon war er voll auf die Arbeit konzentriert und konnte sich nicht auch noch um die Menschen um ihn herum kümmern, es sei denn, sie hatten beruflich mit ihm zu tun. Dann war er die Höflichkeit in Person.
Er hatte geradeso noch die Zeit um bei einem Handwerksmeister vorbeizuschauen und eine sehr teure Bestellung aufzugeben.

Janet blieb weiterhin ‚außen vor'. Ihr war nichts von der fast schon wundersamen Erholung von Andrew gesagt worden. Und dass das Vater- und Sohn- Team, welches den Vorstand aufgemischt hatte, sehr beschäftigt war, konnte sie nicht als Ausrede gelten lassen. Okay, die beiden mussten "das Eisen schmieden so lange es heiß war", und waren mit der Umorganisation der Firma ziemlich stark beschäftigt. Nicht ein Stein blieb auf dem anderen, während die Geschäfte wie eh und je erledigt werden mussten. Mit anderen Worten: Alle waren unglaublich beschäftigt.

Ein paar Tage später hatte Janet das Gefühl als ob man den Boden unter ihren Füßen wegreißen würde. Ihre eigene jährliche Mitarbeiterbewertung war fällig, doch es kam keine Reaktion von der Personalabteilung. Sie rief sie dort an und fragte was los war. Die Antwort klang sonderbar, denn es wurde ihr gesagt dass ihre ‚Akte" bis zu einer weiteren Entscheidung unter Quarantäne gestellt worden war. Janet wusste aus Erfahrung aus ähnlichen Vorgängen, dass dies in der Regel ein ernst zu nehmender disziplinarischer Vorgang war, der normalerweise zu einer fristlosen Kündigung führte. Sie wusste aber nicht warum es in ihrem Fall so sein sollte, außer man wollte sie als Zeugin jener verzweifelten Tage loswerden, nach denen Andrews Verstand wieder klar geworden war und den Umbruch in der Firma losgetreten hatte. "Da ich jetzt zu den leitenden Angestellten gehöre, die viel Erfahrung haben, wird man hoffentlich nicht auf mich verzichten wollen", dachte sie. Aber um ehrlich zu sein, sie konnte nichts anderes tun als weiterhin ihre Abteilung weiterhin so gut sie konnte zu führen.

Jill Pendle arbeitete vielen Stunden lang um für Janet den "Nachschub" von immer smarteren Büro- Outfits aufrecht zu halten. Janet bemerkte derweil mit einem inneren Lächeln dass weitere rauen ihrer Abteilung wenigstens versuchsweise damit begannen ihrem Beispiel zu folgen. Sie erschienen sogar im Anprobe- Raum ihrer Mutter. Das hatte die Wirkung, dass der Umgangston in ihrer Abteilung wesentlich besser wurde. Sie waren stolze Mitglieder eines Top- Teams und folgten dem Beispiel ihrer Teamleiterin. Janet fragte sich allerdings, was sie tun würden, wenn ihre Teamleiterin rausgeschmissen werden würde.

Eines Tages kam Kenneth Phlagotts Sekretärin höchst persönlich vom Obergeschoss herunter, um Janet einen Umschlag zu überreichen. Sie blieb danach stehen. Das bedeutete, sie wartete auf Janets Antwort. Janet erkannte längst bevor die Sekretärin ihr Ansinnen äußern konnte anhand der unverwechselbaren Tintenfarbe dass das Schreiben von Ken war. Ihre Hand zitterte leicht, als sie den Umschlag öffnete, denn sie erwartete ihre Kündigung. Aber dem war nicht so.
Auf einer zusammengefalteten und sehr edel aussehenden Karte stand geschrieben:

Mein Vater und ich haben für heute Abend ein ‚Dinner a trois' im Kaminsky arrangiert. Wir möchten uns für diese kurze Mitteilung entschuldigen, aber es geschehen wichtige Dinge, über die wir sofort reden müssen. Cocktails um neunzehn Uhr dreißig.

RSVP

(Anmerkung: RSVP ist die international gebräuchliche, aus dem Französischen stammende Abkürzung für répondez s'il vous plaît. Übersetzt heißt das: Um Antwort wird gebeten. Diese Abkürzung wird häufig in formellen Einladungen verwendet und weist die oder den Eingeladenen darauf hin, dass der Gastgeber wissen möchte, mit wessen Erscheinen er auf der geplanten Veranstaltung rechnen kann.)

Kaminsky! Sie hatte Kaminsky gelesen! Das war ein sündhaft teures und sehr exklusives Restaurant! Und ein Dinner zu Dritt bedeutete dass es in einem Separee stattfinden würde.
Janet schrieb mit einer zitternden Hand ihre Zustimmung und fügte die Frage hinzu, wo sie sich treffen sollten.
Die Sekretärin las Janets Antwort und sagte ihr, dass sie beauftragt worden war, im Falle einer Akzeptanz mitzuteilen dass Herr Kenneth sie vor ihrem Haus um sieben Uhr abholen würde.

*****

Es gab nicht den geringfügigsten Zweifel daran, dass Jill sich für den Entwurf dieses ganz besonderen Cocktailkleids für diesen besonderen Anlass mächtig ins Zeug gelegt hatte. Als Janet aus der Damengarderobe, wo sie ihren Mantel abgelegt hatte, herauskam, waren die Bekundungen der beiden Männer voller ehrlicher Bewunderung. Das gab ihr das notwendige Selbstvertrauen, als sie von dem Ober zu dem ‚privaten Dining- Room' geführt wurde. Kenneths Blicke waren unverkennbar, jedoch nicht so die seines Vaters. Er war nicht mehr der alte geile Bock, der unstet durch die Korridore schlich. Er war natürlich immer noch ein älterer Herr, aber er strahlte eine innere Ruhe aus und ließ keine Zweifel an einen absolut unbestechlich klaren Verstand aufkommen.
Er und sein Sohn gaben sich während des Cocktails große Mühe Janet zu amüsieren. Und das taten sie sehr gut! Die Stimmung der beiden war sehr locker. Es wurde viel gelacht und Janet erkannte dass dieses Treffen nicht eine teure Art der Kündigung sein konnte, wie sie es zuvor hin und wieder befürchtet hatte. Die beiden hatten offensichtlich etwas anderes geplant.

Das Abendessen wurde angekündigt, und Janet zu ihrem Sitzplatz geleitet. Janet setzte sich aufgrund des doch recht steifen Korsetts langsam hin, während der Ober gleichzeitig den Stuhl etwas weiter nach vorne rückte. Die beiden Männer beobachteten es mit offensichtlicher Bewunderung.
Als die drei saßen, sagte Janet freundlich lächelnd: "Das ist ja alles wunderbar, aber ich bin nicht so naiv um zu wissen, dass ihr etwas im Schilde führt. Darf ich wissen was es ist?"
Kenneth schaute seinen Vater und lehnte sich leicht zurück. Er überließ offensichtlich ihm das Feld. Andrew legte eine flache, mit schwarzem marokkanischem Leder bezogene Schachtel, die obendrein vergoldete Scharniere als auch einen goldenen Verschluss besaß, auf den Tisch. Es sah sehr exquisite aus und auf dem Deckel war Janets Name mit Blattgold eingeprägt.
Er schob es über den Tisch zu ihr hinüber und sagte: "Das ist für dich. Ein kleines Präsent meiner Dankbarkeit."
Janet saß bewegungslos an dem Tisch und schaute auf die Schachtel. Allein diese musst ein kleines Vermögen gekostet haben. Sie brauchte einen Moment um den Mut aufzubringen den Verschluss zu öffnen und den Deckel anzuheben.
Sie sah, eingebettet in königlich- blauen Satinbezug, eine Halskette mit dem dazu passenden Armband sowie einer Brosche. Jene goldenen Schmuckstücke waren mit funkelnden Diamanten versehen und ohne jeden Zweifel das Meisterwerk eines Goldschmieds. Einige der Steine waren sogar ziemlich groß. Janet war weit entfernt davon ein Expertin bezüglich derart exquisitem Schmuck zu sein, wäre aber nicht überrascht gewesen wenn der geschätzte Wert dieser Schmuckstücke eine Viertelmillion Englischer Pfund betragen würde.
"Ist das für mich?"
"Ja, natürlich." Andrew lächelte. "Ich hoffe, es gefällt dir."
"Aber warum? Es ist fabelhaft, vielen Dank, aber warum?"
Andrew lächelte. "Ich habe mich von meinen Anwälten beraten lassen. Wenn du mich verklagen möchtest, würde man dir eine sehr große Summe für meinen Angriff auf dich zuerkennen." Er gab ihr eine Visitenkarte. "Das ist die Adresse meiner Rechtsanwälte. Wenn deine Anwälte so nett wären und meine Anwälte kontaktieren, könnten wir uns sicherlich außergerichtlich arrangieren. Dieses kleine Geschenk nur mein kleiner Versuch, meine Entschuldigungen für mein Benehmen in jener Nacht auszudrücken, und meine ewige Dankbarkeit für das, was du für mich dort in dem Rosengarten getan hast. Du hast mir mein Leben zurückgegeben. Jener Vorgang wurde bereits in den entsprechenden Fachzeitschriften veröffentlicht. Ich habe allerdings darum gebeten, dass dein Name nicht erwähnt wird und du als eine sehr tapfere Frau beschrieben wirst, die mich gerettet hat. Ich werde dir auf ewig für deinen Mut in jener Nacht dankbar sein."

Janet saß immer noch kerzengerade an dem Tisch und schaute ihn verwundert an.
Sie hatte nämlich bereits bei einem Anwalt um Rat nachgefragt. Das Ergebnis war, dass Andrew für schuldig gesprochen werden würde. Da er aber zu jenem Zeitpunkt als geisteskrank galt und sie keine körperlichen Schäden davongetragen hatte, würde er lediglich in eine Anstalt eingewiesen werden und der Fall wäre somit abgeschlossen.
Janet wusste nicht was der Mann meinte. Es waren so viele Neuigkeiten auf sie eingeprasselt, die sie erst einmal einordnen musste.

Kenneth riss sie aus ihren Überlegungen heraus, indem er sagte: "Ich habe nicht dieses Dinner organisiert, damit ihr eure persönlichen Angelegenheiten erörtert. Wir haben schließlich noch so einige Geschäftsangelegenheiten zu erörtern. Und das können wir nicht mit Messer und Gabel in den Händen tun. Ich schlage vor, dass wir jetzt das Dinner beenden und den Tisch abräumen lassen."
Sie standen gemeinsam auf und nahmen an einem von drei Sesseln umgebenen niedrigen Kaffeetisch Platz. Nachdem Kenneth sich hingesetzt hatte, schaute er nachdenklich auf den Tisch hinunter. Dann sagte er: "Ich nehme an, dass es unvermeidlich war, aber ich habe meinen Vater immer unheimlich bewundert."
Kenneth gab eine Art Statement von sich. Janet war jedoch nicht bereit das zu kommentieren.
"Er ist ein Genie was das Geschäftliche betrifft. Jedenfalls war er es bis zu der Tragödie von meiner Mutter und meiner Schwester. Dass ein hochintelligenter Verstand wie der seine mit solch einem tragischen Verlust zu einer gestörten Seele führt, können wir nur bedauern, denn verstehen werden wir es nie. Ich bin mir sicher, dass wenn du, Janet, nicht eingegriffen hättest, wäre er nicht mehr lange unter uns gewesen. Ich meine das ganz ehrlich."
Er schaute seinen Vater an, der wiederum Janet anschaute und dabei nickte. Sein Vater sagte: "Ich kann es niemals gut machen, was du für mich auf dich genommen hast."
Janet wollte Worte der bescheidenen Ablehnung von sich geben, doch Kenneth hielt eine Hand hoch, damit sie nichts sagen sollte.
"Es gibt keine Worte, mit der wir unsere Dankbarkeit zum Ausdruck bringen können. Der Punkt ist, dass du, nachdem du ihn von seiner Qual befreit hast, gleichzeitig auch ein Tor weit geöffnet hast. Sein befreiter Verstand hat einen Strom von neuen Ideen für das Unternehmen preisgegeben. Ideen, die so neu sind, dass sie manche Menschen überfordern. Die Hälfte des Vorstands, einschließlich des Vorsitzenden und des Geschäftsführers, haben uns verlassen. Sie haben aber vorher fast aus Boshaftigkeit meinen Vater zum Vorsitzenden und mich zum Geschäftsführer gewählt. Wir waren Tag und Nacht beschäftigt gewesen und haben erst vor ein paar Tagen begriffen dass wir sehr Unhöflich zu dir waren, da wir dich nicht eingeweiht hatten. Du musst dich bestimmt gefragt haben was mit uns los war."
Er legte eine kurze Pause ein, bevor er weitersprach. "Erst der Anruf aus der Personalabteilung, bezüglich deiner ‚unter Quarantäne' gestellten Mitarbeiterbewertung, ließ uns klar werden was wir dir angetan hatten."
"Du hast ziemlich Recht. Ich hatte mir große Sorgen gemacht", sprudelte es aus Janet heraus. "Aber nun, da du mir alles erklärt hast, kann ich aufatmen." "Oder, soweit es das Korsett mir erlaubt", dachte sie voller Ironie. "Ich frage mich die ganze Zeit, ob dieses teure Essen und dieses wunderbare Geschenk wirklich berechtigt sind. Schließlich bin ich doch nur eine einfache Abteilungsleiterin."
"Vielleicht, vielleicht aber auch nicht." Andrew lächelte sie an. "Aber du kannst nicht leugnen, dass du Erfahrung bezüglich der höheren Finanzwelt hast und eigentlich für wichtigere Aufgaben prädestiniert bist. Es wäre sogar eine Bestrafung wenn du weiterhin nur eine loyale Mitarbeiterin eines Direktors wärst."
Es entstand ein Moment des Schweigens, während die beiden Männer Janet beobachteten, wie sie über das soeben Gesagte nachdachte. Damit war sie gemeint! Janet Elsbeth Watson! Sie schaute von einem zum anderen. Ihr fehlten die Worte.

Und dann wurde ihr erklärt, dass Andrews Ideen eine vollständige Umorganisation der Firma erforderten. Andrew würde das Unternehmen als Vorstandsvorsitzender zusammenhalten, während Kenneth als Geschäftsführer die Firma führen würde. Die bisherigen einzelnen Abteilungen, welche direkt mit den Kunden zu tun hatten und das Tagesgeschäft managten, würden zu einer Dienstleistungsabteilung zusammengeführt werden. Diese würde nur noch von einer erfahrenen Person geführt werden. Die anderen Abteilungen würden die ‚New Enterprise Group' bilden. Letztere würde aus den besten Teams zusammengestellt werden.
Was dann folgte, gefiel Janet und sie war so sehr fasziniert, dass sie rief: "Das klingt ja großartig! Ich würde gern ein Teil davon sein."
Es wurde kurz ganz still. Doch dann sagte Andrew mit leiser Stimme: "Und genau das ist das Problem. Wir haben genug Personen denen wir das zutrauen. Mitarbeiter, die bereit sind dieses Abenteuer zu wagen. Und diese Mitarbeiter stammen alle aus deinem Team. Was wir brauchen, ist ein Gruppenmanager."
Es wurde wieder ganz still, während die beiden Männer Janet anschauten. Janets Herz klopfte so heftig, dass sie meinte die beiden anderen könnten es hören. Doch dann sagte sie: "Aber diese Person wäre dann doch Mitglied des Aufsichtsrats. Richtig?"
"Genau! Willkommen an Bord!"
Andrew zog mit einem Lächeln einen Umschlag aus seiner Anzugsjacke und übergab ihn an Janet. Sie öffnete den Umschlag mit zitternden Händen und las dass der Vorstand sie bat dem Vorstand beizutreten um als Direktorin die ‚New Enterprise Group' zu leiten. Dann folgten mehrere Absätze mit diversen Definitionen und Details. Mit anderen Worten, es war mehr oder weniger genau das was sie bereits tat, aber mit weiteren Befugnissen und einem höheren Gehalt. Letzteres machte sie fast schwindelig. Und zum Schluss gab es nur noch den Bereich, wo sie nur noch unterschreiben brauchte.

Kenneth reichte ihr seinen Füller. Janet unterschrieb mit seiner unverwechselbaren Tinte.
Andrew nahm den Vertrag an sich und schwenkte ihn ein paar Minuten in der Luft hin und her, damit die Tinte trocknen konnte. Danach steckte er ihn ein.
"Herzlichen Glückwunsch. Kenneth sagte mir, dass er mit dir noch etwas unter ‚Vier Augen' besprechen möchte." Mit jenen Worten stand er auf. "Seid morgen nicht zu spät, ihr beiden, denn es gibt viel zu tun."
Die beiden schauten ihn hinterher.

Janet schaute Kenneth an. Sie saß mit geradem Oberkörper, absolut steif gehalten von dem erbarmungslosen Griff des Korsetts, und wartete auf das was er sagen wollte. Janet hatte das Gefühl, dass so wie sie da saß, in ihrer unflexiblen Eleganz, es auf ihn irgendwie einschüchternd wirken könnte.
"Ich wollte dich schon seit einiger Zeit etwas fragen", sagte Ken und legte eine kurze Pause ein um aus der Innentasche seiner Jacke eine kleine Schachtel herauszuholen. "Ich hoffe es kling jetzt nicht anmaßend, aber…"
Da begriff Janet was Ken sagen wollte. Ihr Korsett hielt sie weiterhin vollkommen unflexibel, obwohl das Herz vor Aufregung heftig gegen die stählerne Umklammerung klopfte.
"Äh, also, ich habe schon lange vorgehabt dir diese Frage zu stellen. Janet… äh… möchtest du mich heiraten?"
Janet schaute ihn in die Augen. "Ja, Kenneth, ich will."
Seine Arme zogen sie zu ihm hinüber und bevor seine Lippen die ihre versiegelten, sagte sie: "Ich habe schon befürchtet dass du mich nie fragen wirst!"

Ende