Bald, nachdem Greta das Haus verlassen hatte, um aufs Land zurück zu kehren, trafen zwei weitere Besucher im von Eltzen Haus am Tiergartens ein. Es waren Herr von Schleffen, ein bayrischer Doktor von großem Ansehen, der vor einigen Jahren nach Argentinien ausgewandert war, und seine Ehefrau Eva, eine große schöne Dame von ungefähr dreißig Jahren, die auch aus Bayern stammte.
"Willkommen in unser Heim", rief Fritz vor dem Abendessen aus, welches ihnen zu Ehren gegeben wurde, als sie in Berlin eintrafen. "Ich hoffe, Sie haben einen angenehmen Aufenthalt, und natürlich auch einen fruchtbaren."
Herr von Schleffen war nach Berlin gekommen, um den neuesten Entwicklungsstand für Medikamente mit Fritz zu besprechen. Beide erhofften sich viel von dem Besuch.
"Und ich möchte", fügte Fritz hinzu, als sie anstießen, "ein besonderes Wort des Dankes ausdrücken, dass ihre Frau, Herr von Schleffen, mit diesem Besuch unseren Abend eine besondere Note gibt. Sie sehen charmant aus heute Abend!"
Fritz übertrieb nicht. Eva von Schleffen war mehr als eine bezaubernde Dame,
sie etwas gänzlich Besonderes. Makellos gekleidet, gepflegt und geschminkt, Anne
Marie war in Ehrfurcht vor ihr. Ob ihre Erscheinung gut war, da war sie sich
nicht so sicher. Wenn irgendetwas ziemlich schmerzhaft aussah, dann war es ihre
Erscheinung.
Was die Augen unserer Gastgeberin gefangen hielt, und wohl auch Fritz' Augen,
war hauptsächlich die Taille von Eva von Schleffen, gefolgt von ihrem Hals. Anne
Marie, mit ihrer 38 Zentimeter- Taille und ihrem hochgestellten, ihren Kopf
behindernden Kragen, war eine junge Dame, bekannt in der Berliner Gesellschaft
für ihre ausgezeichnete Figur. Aber verglichen mit ihrer Abendessenbegleiterin,
fühlte sie sich wie eine dicke Jungfer.
Eva von Schleffen war einfach gänzlich eine Klasse besser! Ihre Taille hatte
nicht nur einen kleinern Kreisumfang, Anne Marie schätzte dass es ungefähr 35
Zentimeter waren. Die Taille war auch ganz anders geformt. Anstelle der üblichen
Sanduhrform ging sie senkrecht hinauf, für mehre Zentimeter gleichen Umfangs,
bevor sie sich wieder verbreiterte, und einen mehr als beeindruckenden Busen
emporhob.
Und dann war da noch ihr Hals.
Zu jener Zeit war der Hals nur einfach Teil des Körpers. In Europa wurde dem
Hals keine große Aufmerksamkeit geschenkt.
Der Hals von Frau von Schleffen war jedoch unmöglich zu ignorieren. Wie ihre Taille ging er senkrecht hoch, wie ein dünnes, zylindrisches Rohr. Anne Marie war fasziniert. Sicherlich konnte Eva von Schleffen ihren Kopf überhaupt nicht bewegen. Es hatte den Anschein, dass das Atmen ebenfalls schwer fiel. Sie erschauderte und betete zu Gott, dass ihr Fritz niemals soetwas antun würde. Wäre vielleicht 'Hals-Korsett' nicht eine besser geeignete Beschreibung?
"Oh ja, bin ich glücklich, solch eine schöne Ehefrau zu haben", antwortete
Herr von Schleffen, "und ich bin so stolz, dass sie sich immer darum bemüht, der
neuesten argentinischen Mode zu folgen."
Eva von Schleffen errötete.
Das Gespräch am Tisch wandte sich dann von der sehr unbeweglichen Frau von
Schleffen zur Auswanderung des Doktors nach Südamerika zu.
"Von Eltzen, ich sage ihnen jetzt, dass sie weise beraten wären das Gleiche zu
tun. Kommen sie nach Argentinien zu kommen, ein Land der unbegrenzten
Möglichkeiten."
"Aber, von Schefflen, wenn sie mich entschuldigen würden, benötige ich kein
'Land der unbegrenzten Möglichkeiten'. Schauen sie sich um. Berlin entwickelt
sich schnell, Deutschlands Kleinstaaten wachsen zusammen. Wir werden schnell ein
großer Staat…"
"Aber denken sie nicht vielleicht, zu groß?"
"Was meinen damit, mein Herr?"
"Von Eltzen, Frankreich ist nebenan, Großbritannien hinter dem Kanal, und
Russland krebst im Osten herum. Glauben sie, dass Bismarcks 'Weltpolitik' nicht
ein paar Leute ärgert; Leute mit Einfluss?"
"Von Schleffen, sie überschätzen das Risiko, es gibt da keine mehr. Frankreich,
ja, die denken daran, was wir ihnen 1870 antaten, und argwöhnen immer noch.
Großbritannien ist es egal was auf dem Kontinent vor sich geht, und Russland ist
ein Land der Bauern und Mystikern! Wir könnten sie in ein paar Monaten
überlaufen."
„Das dachte Napoleon auch…“
"Das ist fast einhundert Jahren her.............."
Die alsbald gelangweilten Damen von diesem Gespräch über Krieg und
Weltpolitik, entschuldigten sich, um sich zu Anne Maries privatem Wohnzimmer
zurückzuziehen, in dem seit Gretas Besuch endlich Stühle standen.
Dort tauschten sie zuerst Höflichkeiten aus, bis Anne Marie damit herauskam was
ihr den ganzen Abend auf der Seele lag.
"Ich bitte vielmals um Entschuldigung, Eva, dass ich so direkt bin. Jedoch ihre
Taille fasziniert mich. Wie um Himmels Willen erreicht man solch überraschende
Ergebnisse?"
Ihre Gesprächspartnerin lachte.
"Mit viel Schmerz, kann ich ihnen nur sagen", antwortete sie. "Aber nein, im
Ernst, sie wird 'Stem- waist' oder 'Rohrtaille' genannt. Sie sind alle verrückt
in Argentinien, leider."
"Warum machen sie es dann mit", fragte Anne Marie überrascht.
"Warum, Anne Marie? Ich hasse es! Es war schon schlimm genug die Mode hier in
Deutschland auszuhalten, aber als wir in Argentinien ankamen, bestand mein
Ehemann darauf. Sie kennen es doch."
"Oh, das müssen sie mir nicht sagen, mein Fritz ist genau so. Ich trage
normalerweise viel länger Korsetts als dieses, und tagsüber besteht er auf einem
Monohandschuh, der meine Arme hinter meinem Rücken zusammenhält, und mich so
hilflos macht wie ein Baby. Es ist furchtbar."
"Oh, der Monohandschuh! Der schlimmste Feind der argentinischen Dame. Es ist
wirklich normal dort sogar in der Öffentlichkeit einen zu tragen."
"Wie schrecklich!"
"Das Los einer Dame in Buenos Aries ist weit aus schlechter als hier. Wenn sie
sagen 'meine Frau', dann sind sie Eigentum mit Haut und Haaren!" Darüber fing
Eva von Schleffen an zu weinen.
"Was ist, meine Teuerste?"
"Oh, Anne Marie, es tut mir leid. Nach Argentinien auszuwandern war das
Schlimmste, dass mir jemals passierte, das schwöre ich. Vorher war Hans ein
normaler, liebevoller Ehemann wie all die anderen. Sicher, ihm gefiel eine gut
geschnürte Frau, doch welcher Mann tut das nicht? Aber, sobald wir uns dort
aufhielten, verwandelte er sich langsam in einen mich ständig überwachenden
Mann. Nicht nur das ich dieses furchtbare Korsett und die Halserweiterung tragen
muss, sondern er besteht auch auf dem Monohandschuh. Oh, Anne Marie, es ist
unerträglich!"
Es hörte sich sicherlich unerträglich an, und Anne Marie war sehr froh ihr Heim
in Berlin und nicht Buenos Aries zu haben. Trotzdem faszinierte sie Evas
verlängerte Taille.
"Wie genau erreicht man solch eine Taille", fragte sie.
"Es ist ein langer Weg dorthin, Anne Marie. Zuerst müssen sie gedehnt werden."
"Gedehnt?!"
"Ja Teuerste, an dem Schnürtrapez in die Länge gestreckt. Und dann wird der
Trainingsgürtel um ihre Taille geschlungen. Das geschieht unter dem Korsett…"
"Der Trainingsgürtel, was ist das genau?"
"Nun ja. Ich mache ihnen einen Vorschlag. Ich habe noch einen in meinem Gepäck.
Möchten sie es anprobieren? Das ist besser zu erklären."
Der Gedanke, solch ein grauenerregendes Marterinstrument auszuprobieren gefiel
Anne Marie nicht sonderlich, aber sie war sehr neugierig. Und außerdem wäre es
nur für ein paar Minuten, warum nicht? Was könnte passieren?
So schnell wie möglich zog sie sich bis auf die Unterwäsche aus, und lies
ihre Handgelenke von Eva an der Trapezstange festmachen. Diese kurbelte sie so
hoch, dass ihre Füße den Boden verließen und ihr Atem knapp wurde.
"Eva! Sie sind zu weit gegangen", keuchte sie.
"Nein, Anne Marie, das muss so sein, sonst passt nicht der Trainingsgürtel. Ich
sagte ja, sie müssen sich ausdehnen. Jetzt bindet mir normalerweise meine Zofe
die Füße an einem im Fußboden befestigten Ring. Leider ist das hier nicht
möglich, so werde ich stattdessen ein Gewicht benutzen müssen, lass hmm… mich
sehen…"
Anne Marie wurde hängen gelassen, während Eva etwas suchte um ihre Füße herunterzuziehen. Sie kam mit einigen schweren Kerzenhaltern zurück, die sie in eine Tasche legte. Dann nahm sie eine Korsettschnur und band Anne Maries Beine zusammen. Anschließend band sie die Tasche an ihre Füße fest.
"Nicht perfekt, aber es geht", sagte die Argentinierin.
Anne Marie fühlte sich, als würde man sie in zwei Teile zerreißen.
Eva kam dann mit einem schweren Ledergürtel, den sie um Anne Maries Taille
schlang, und ihn auf eine bestimmte Art spannte. Es wurden besondere Schrauben
benutzt. Der Schmerz war fürchterlich!
"Ha... hal...halt...Wie halten sie.... das jeden Tag... aus", stammelte Anne
Marie.
"Ich habe mich daran gewöhnt, denke ich", antwortete Eva.
Zuerst meinte Anne Marie, dass dies eine ziemlich dumme Antwort war. Aber später, als sie über ihr eigenes Leben nachdachte, über ihre ganze Ausbildungszeit, verstand sie genau was ihr Gast meinte.
"Jetzt, da der Gürtel eng angelegt ist, werde ich ihr Korsett darüber schnüren", erklärte Eva von Schleffen. "Ohne das Korsett kann sich der Körper nicht aufrecht halten."
Das stimmte. Und Anne Marie fühlte sich viel besser, sobald sie wieder ein
Korsett trug. Eva sicherte die Korsettschnur und ließ die Trapezstange herunter.
Anne Marie schwankte hinüber zum Spiegel. Die Wirkung war enorm, aber sie war es
sicherlich nicht Wert, wenn sie an den Schmerz und Anstrengung dachte.
"Wie groß ist mein Taillenumfang?" Sie bemerkte, dass das Korsett weit davon
entfernt war völlig geschlossen zu sein.
"Oh, ungefähr 40 Zentimeter", sagte Eva.
Ungefähr 40 Zentimeter! Das war 3 Zentimeter mehr als gewöhnlich!
"Aber es fühlt sich so eng an", protestierte sie.
"Rohr-Taillen tun es immer. Und denken sie daran, da ist jetzt ein dicker Gürtel
unter dem Korsett."
Daran denken! Wie könnte sie das vergessen?
"Oh, Eva" sagte sie, „können sie mich wieder aufschnüren?"
Die Erleichterung war heftig, als Eva von Schleffen ihr den fürchterlichen
Gürtel abnahm und Anne Maries übliches Korsett wieder schnürte. Obwohl eng,
fühlte sie sich nun positiv entspannt.
"Oh Eva", rief sie aus. "Mein Herz schmerzt mit ihnen, wenn ich daran denke dass
sie das jeden Tag tragen müssen. Ich weiß nicht, wie sie das aushalten. Ich
könnte es nicht."
"Außerdem ist da nicht nur das Rohr- Korsett. Da sind noch das Halskorsett, der
Monohandschuh und Stiefelabsätze mit 15 Zentimeter! Stellen sie sich das mal
vor!"
Anne Marie stellte es sich überhaupt nicht vor. Sie wünschte es sich nicht,
es war einfach zu grauenerregend.
An jenen Abend lobte Fritz noch einmal Frau von Schleffens Aussehen.
"Madame, sie sehen wieder einmal göttlich aus. Welch feines Kleid das sie an
diesem Abend tragen. Aber sagen sie mir bitte, ist das die typische Moden in
Argentinien?"
"Ja Herr, und vielen Dank für ihr nettes Kompliment. In Argentinien sind unsere
Moden etwas anders als jene, die ihre Ehefrau so elegant hier in Berlin
erscheinen lässt. Sie sind vielleicht ein bisschen zu extrem für die Geschmäcker
vieler Deutscher?"
"Vielleicht, es gibt hier wirklich wenige mit guten Geschmack, leider. Madame,
in meinen Augen sind ihre Argentinischen Moden exquisit."
Er drehte sich dann zu Dr. von Schleffen. "Doktor, ist dass das Korsett, welches
sie früher einmal erwähnten?"
"Ja, sicher, das ist es, die 'Stem- waist' oder Rohrtaille, wie sie es nennen,.
Alle Damen in Buenos Aries tragen es.
Fritz drehte sich dann zu seiner Ehefrau, die sich Sorgen über die Richtung des
Gesprächs machte.
"Meine Teuerste, stimmen sie nicht damit überein, dass Frau von Schleffen hier
vollkommen bemerkenswert aussieht?"
„Ja Fritz."
"Gut, sorgen sie sich nicht, meine Teuerste, ich sprach vorhin darüber mit Herrn
Doktor, und er hat versprochen ihnen einige argentinische Kleider und eins
dieser Steiltaillen Korsettdinger und dergleichen zu senden. So können sie ein
Stück der Südamerikanischen Mode in unserem seriösen Leben in Berlin einbringen.
Was sagen sie dazu, meine Teuerste?"
Anne Marie sagte nichts. Sie wurde gerade ohnmächtig.
In jener Nacht lag Anne Marie lange wach im Bett und dachte nach. Ihr war
klar, dass sie fliehen musste. Fritz ging zu weit. Jeden Tag ihre
Bewegungsfreiheit zu unterdrücken war schon schlimm genug, aber was er nun mit
ihr vor hatte, war barbarisch. Das Stieltaillenkorsett war, wie sie bei der
kurzen Anprobe am Nachmittag erlebt hatte, kein Gegenstand der Mode, sondern ein
Marterwerkzeug, sonst nichts. Fritz interessierte sich nicht an ihr als Dame,
oder an ihr modisches Aussehen. Nein, er beschäftigte sich nur damit über jeden
Aspekt ihres Lebens zu dominieren. Sie konnte das nun ganz klar sehen, und in
ihren Gedanken suchte sie einen Ausweg.
Aber wie sollte sie sich befreien? Sie wurde jeden Tag zu Hause festgehalten,
und kam niemals allein aus dem Haus heraus. Sie musste aber bald fliehen! Sobald
er sie in ein Rohrtaillenkorsett geschnürt hatte, würde sie von all ihrer
Energie beraubt und unbeweglich innerhalb ihres eigenen Kostüms sein. Nein, es
musste bald sein, aber wie? Sie lag wach im Bett und starrte an die Decke. Als
das erste Licht des neuen Tages leuchtete, kam ihr der entscheidende Gedanke.
Ein paar Tage später wollten den Schleffens ein paar Sehenswürdigkeiten
zeigen. Anne Marie war auch eingeladen, aber sie bat ihren Ehemann darum, sie zu
entschuldigen.
"Fritz“, sagte sie, und nahm ihn beiseite, „ich würde lieber sattdessen
einkaufen gehen. Eva von Schleffen beschämt mich mit ihrer schönen Kleidung und
ich will sie nicht in Verlegenheit bringen."
Hoch erfreut, dass seine Ehefrau endlich in der richtigen Art und Weise dachte,
fügte sich Fritz sehr rasch.
Sobald der Wagen mit der Gesellschaft zur Besichtigungstour abgefahren war,
fragte Suzanne: „Wollen wir jetzt auch fahren, Madame?"
"Nein“, antwortete ihre Herrin, "Lassen wir uns ein wenig Zeit und trinken
zusammen noch eine Tasse Kaffee."
"Sehr wohl, Madame. Ich werde nach der Magd klingeln."
Einige Minuten später bekamen sie ihren Kaffee. Anne Marie nahm ihre Tasse
zur Hand und sagte: „Suzanne, ich kann mich irren, aber mein linker Stiefel
scheint nicht genügend geschnürt zu werden. Kannst du das bitte in Ordnung
bringen?"
"Sicherlich, Madame."
Suzanne bückte sich nach unten um den Stiefel neu zu schnüren. Währenddessen tat
Anne Marie etwas Abführmittel in den Kaffee von Suzanne, welches sie sich vorher
aus Fritz' Medizinschrank beschafft hatte.
Sie setzten sich dann hin und tranken zusammen den Kaffee. Danach machten sie
sich auf, um einige Geschäfte mit den neuesten Korsettmoden auf zu suchen.
Es war ein Sonnabend und das Korsett- Moden- Geschäft war mit Damen
überfüllt, welche die neuesten Kleider auswählten und auch anprobierten. Anne
Marie erklärte, dass sie neue Kleider benötigte und wurde deshalb in einem
Nebenraum geführt um dort Maß zu nehmen. Suzanne und eine Gehilfin des
Geschäftes zogen sie bis auf die Unterwäsche aus. Doch mitten drin fing Suzanne
an gequält aus zu sehen. Plötzlich stoppte sie und rief: „Es tut mir Leid
Madame, aber ich muss dringend zur Toilette." Sie lief auch sofort zu dem
besagten Ort.
Anne Marie fuhr fort sich auszuziehen, doch dann sagte sie zur Gehilfin:
„Entschuldige bitte, doch auch ich fühle, dass ich dringend die Toilette
benutzen muss. Vielleicht hat unser Koch etwas mit unserem Frühstück falsch
gemacht. Du könntest mir aus der Verlegenheit helfen, wenn du mir bitte meinen
Mantel reichen würdest."
"Selbst verständlich, Madame von Eltzen."
"Ich danke dir. Ich komme sofort zurück."
In der Toilette verschloss sie die Tür, und nahm aus ihrer Tasche eine
Perücke mit schwarzem Haar heraus. Sie hatte sie kürzlich für einen
Maskenkostümball gekauft, als sie als (korsettierte) Cleopatra erschien. Sie
setzte diese vorsichtig, ihre eigenen blonden Haare verdeckend, auf. Danach nahm
sie aus ihre Handtasche einen roten Hut mit Schleier heraus. Derart verkleidet
ging dann aus der Toilette hinaus. Sie verließ das Geschäft als eine völlig
anders aussehende Dame. Sie lief die Straße hinunter zu einem Geschäft, wo man
gewöhnliche Bekleidung bekam. Dort kaufte sie billig aussehende rote
Reisebekleidung. So gekleidet, verließ ein unbekanntes Mädchen das Geschäft und
nahm ein Taxi zum Bahnhof, von wo aus die Züge nach Norden abfuhren.
Anne Marie wusste, dass sobald Suzanne ihr Verschwinden bemerken würde, ihr Mann
alles unternehmen würde, sie so schnell wie möglich Heim zu holen. Sie dachte
auch an, dass Fritz und Suzanne wahrscheinlich vermuten würden, dass sie zu
ihrer Heimatprovinz zurückkehren würde. Dies war der einzige Ort, außer Berlin,
wo sie Freunde oder Verwandte hatte. Anne Marie hatte aber nicht die Absicht
aufs Land zurück zu kehren. Sie wusste, dass Fritz kein Problem hätte sie dort
zu findet und sie dann nach Berlin zurückbringen würde.
Nein, sie hatte vor, in eine vollkommen andere Richtung zu fliehen. Als sie am
Fahrkartenschalter stand, kaufte sie eine einzelne Erster- Klasse- Fahrkarte
nach Hamburg.
Hamburg, ja, Hamburg. Deutschlands großer Seehafen an der Elbe, das Tor zum
Meer, ja, der Welt. Dort würde sie ein Schiff finden, dass sie weit weg von
Deutschland brachte, zu einem neuen Leben. Nach England, Amerika oder vielleicht
sogar Australien. Sie befand sich in einem Zug, der sie nach Norden brachte. Sie
fühlte sie sich glücklich. Sie war frei!