Der große Tag traf schließlich ein und Anne Marie wurde zur unchristlichen
Stunde, es war fünf Uhr, von Suzanne geweckt.
Sie wurde aus ihren Nachtgewändern befreit und zum Badezimmer geleitet. Sie
fühlte sich noch sehr müde, nachdem sie die vergangene Nacht aufgrund all ihrer
einengenden Kleidung, einschließlich eines fürchterlich engen Nachtkorsetts,
viel zu wenig Schlaf bekommen hatte.
Das Nachtkorsett war auf vierzig Zentimeter geschnürt gewesen. Allerdings war
sie sich der Notwendigkeit bewusst so früh aufzustehen. Wie sonst wäre der auf
Ein Uhr festgesetzte Termin in der Kirche einzuhalten gewesen? Das Schnüren
ihres neuen Hochzeitkorsetts würde allein schon Stunden brauchen.
Nachdem Anne Marie ihr Bad genommen hatte, begann Helga, welche an jenem Tag
Suzanne helfen sollte, das Hochzeitkorsett auszupacken. Es sah so schon Furcht-
erregend aus, und Anne Marie dachte mit Grausen an die Ankleidung.
Mit etwas Beklommenheit ging Anne Marie hinüber und ließ sich von Suzanne mit
ihren Handgelenken an der Schnürvorrichtung festmachen und sich so lange
hochziehen, bis sie nur noch auf ihren Zehenspitzen stand.
Dann, mit einigen Mühen, nahmen die zwei Helferinnen das Korsett, brachte es
hinüber zu dem hilflosen Mädchen, und legten es um ihren Körper.
Das Gewicht war unglaublich. Als die Schultergurte festgemacht wurden, zogen sie
ihre Schultern unnachsichtig herunter. Das Korsett, eine Modifikation des
bekannten langen Korsetts war überwältigend lang. Es reichte von ihren Brüsten
bis über die Knie, und hatte nicht weniger als drei Gruppen von Schnürungen um
es zu schließen. Und, sobald es geschlossen war, würde ihr Oberkörper steif wie
ein Brett sein. Es gab keine Chance, sich zu beugen.
"Mademoiselle, sie werden nun erleben, dass dieses Korsett einen eingebauten
Stahlgürtel an der Taille hat, um den perfekten Taillenkreis sicherzustellen",
sagte Suzanne.
Anne Marie antwortete nicht.
Der erste Schnürvorgang von Helga hatte zur Folge, dass sie sofort ohnmächtig
geworden war.
Die Korsettschnur wurde gesichert.
Während Anne Marie in der Zwischenzeit auf ein Brett gelegt wurde, kümmerte
man sich um ihr Haar, die Handschuhe, das Make-up, die Stiefel und andere
Sachen.
Anne Marie hatte sich so sehr auf diesen Tag gefreut, und das nicht nur weil es
bedeutete dass sie endlich frei von den Handgelenksfesseln oder dem
Monohandschuh kam, welche sie immer wieder behindert hatten.
Die Handschuhe, jenes wichtige Accessoires der Hochzeitausstattung, gaben ihr
aber kaum viel mehr Freiheit. Aus weißem Leder gemacht und über Nacht geweitet,
reichten sie hinauf bis über ihren Ellenbogen und waren so eng, dass sie ihre
Arme und Hände, sowie ihre Finger, kaum bewegen konnte. Sie kam sich vor wie
eine unbewegliche Puppe.
Um elf Uhr, nach drei weiteren Schnürdurchgängen, wurde das Korsett
schließlich geschlossen. Außerdem waren Anne Maries Handschuhe, Strümpfe,
Stiefel, der steife Kragen und die Unterröcke angezogen.
Es war Zeit das Kleid anzuziehen.
Suzanne zog es über den Kopf des jungen Mädchens und ließ es herunter gleiten.
Helga knöpfte Hunderte von Knöpfen zu, welche benötigt wurden um es zu
schließen. Trotz des hohen Kragens, der schmalen Taille, des engen Rockes und
der zwölf Zentimeter kurzen Schrittweite, die es fast unmöglich machten zu
gehen, war das Kleid wahrlich schön und sogar die rebellische Anne Marie fühlte
sich wie im Himmel, als sie sich im Spiegel sah.
„Stehen sie nicht dort herum und bewundern sich, meine Teuerste! Es gibt noch
einiges zu tun. Ihr Haar zum Beispiel. Sie können nicht mit dieser einfachen
Frisur zu ihrer Hochzeit gehen."
Es war ihre Tante, die den Raum betreten hatte um die Fortschritte ihrer Nichte
zu überprüfen.
Zu Anne Maries Erstaunen trug sie ein exquisites blaues und edles Kleid, mit
einer 45 Zentimeter schmalen Taille, schmaler als ihre normale Taillenweite.
"Ich kann sie wohl kaum dafür kritisieren undamenhaft zu sein, wenn ich einen
eigenen Fehltritt mache, nicht wahr?" Sie grinste Anne Marie an.
Trotz der ganzen erlittenen Beschränkungen, welche ihr die Tante auferlegt
hatte, war Anne Marie in einer seltsamen Art traurig das Haus verlassen zu
müssen.
Viertel nach zwölf war die komplizierte hohe Frisur vollständig und Anne
Marie wurde für fertig erklärt.
"Aber wie gelange ich zur Kirche, Madame?", fragte die Braut. "Ich kann in
diesem Kleid kaum durch den Raum, geschweige denn nach unten zum Wagen gehen."
"Keine Angst, meine Teuerste, das habe ich schon geregelt."
Helga kam, zu Anne Maries Überraschung, mit einigen dicken Lederriemen auf sie
zu und befestigte sie an dem Brett, an dem sie lehnte. Dann wurde ein Leinentuch
über ihr gelegt. Somit wurde das Mädchen vor neugierigen Blicken geschützt. Zwei
kräftige Lakaien kamen herein. Sie hoben das Brett hoch und trugen sie wie ein
Möbelstück nach unten zum Wagen.
'Das ist sicherlich nicht die übliche Art zur eigenen Hochzeit zu fahren',
dachte Anne Marie, die während der holperigen Fahrt nach Atem schnappte.
Vor der Kirche wurde sie ein paar Treppen hoch getragen, aufgerichtet und vom
Brett losgebunden.
Anne Maries Tante, die ihre Nichte an jenem Tag in die Arme des zukünftigen
Ehemanns übergeben würde, nahm ihren Arm.
"Warten sie eine Sekunde!", rief ihre Tante, "fast hätte ich es vergessen! Die
Braut kann doch nicht ohne einen Schleier hineingehen."
Man befestigte vorsichtig einen weißen Schleier auf den Kopf der Braut. Ein
Schleier, so dicht, dass Anne Marie nur noch schemenhaft die Umrisse der
Personen erkennen konnte.
Fast blind machte sie sich damit auf den Weg, durch das lange Kirchenschiff, zum
Altar. Ihre 15 Zentimeter hohen Absätze und der enge Unterrock reduzierten ihre
Schrittweite auf etwa 3 bis 4 Zentimeter. Somit brauchte sie ungefähr fünfzehn
Minuten um bis zum Altar zu kommen. Niemand schien das was auszumachen. Im
Gegenteil! Hätte Anne Marie die Hunderte von Augenpaaren in dem Kirchenschiff
sehen können, wäre sie von dem erstaunlichen Schauspiel ergriffen gewesen.
Keiner ihrer vielen Freunde vom Lande konnte glauben, dass diese damenhafte
Erscheinung in weißem Satin, der Wildfang war, mit dem sie aufgewachsen waren.
Anne Marie war allerdings in ihrem weißen Kokon während der ganzen Zeremonie
eingehüllt, bis Fritz den Schleier hob, für den ehelichen Kuss.
Sie musste sich von ihrem Korsettdruck ablenken, um nicht vor Rührung in
Ohnmacht zu fallen.
Die anschließende Hochzeitsfeier war ebenfalls sehr anstrengend. Tante
Margaret hatte ein Buffet anstelle einer standardgemäßen Mahlzeit organisiert,
weil die vielen modischen Damen in ihren überlangen Korsetts sich nicht
hinsetzten konnten.
Der Druck auf Anne Maries gequälten Füße war allerdings unablässig und sie
lehnte sich immer wieder an ihrem frisch angetrauten Ehemann. Als es sechs Uhr
wurde, war sie mehr als froh, dass Fritz ankündigte, sie würden sich in die
Gemächer des Schlossähnlichen Hauses seines Vaters zurückziehen.
Sobald sie in ihrem Schlafzimmer alleine waren, überhäufte Fritz seine Braut
und Ehefrau mit Küssen.
"Frau von Eltzen! Oh wie ich ihnen meine leidenschaftliche Liebe zum Ausdruck
bringen will", sagte er.
"Jawohl, mein teurer Ehemann, sie werden mir aber zuerst aus diesen
Kleidungsstücken helfen müssen", antwortete sie.
Das war allerdings leicht gesagt.
Es mussten die zahllosen Knöpfe, Haken und Schnüre, die Anne Maries spektakuläre
Ausstattung zusammenhielten, geöffnet werden. Und fast eine Stunde später lag
sie auf dem Bett.
Sie trug nur noch ihr Korsett, dessen unterer Teil geöffnet worden war.
Anne Marie wollte es ganz entfernt haben, aber zu ihrem Entsetzen hatte es Fritz
abgelehnt.
Nun störte nur noch der Keuschheitsgürtel. Und von nun an war ihr Verlangen nach
ihn ganz groß.
"Wo ist der Schlüssel, Liebling, wo ist der Schlüssel? Ich brauche Sie JETZT in
mir!!"
"Er ist hier, meine Liebe, er ist hier!"
Fritz fummelte an dem Schloss herum, bis das Gerät irgendwann schließlich
aufsprang. Anne Marie war schließlich befreit! Sie drängte sich dem
Liebeswerkzeug ihres Ehemannes entgegen und ließ zu, dass er tief in ihr
eindrang. Zusammen ritten sie die unglaublichste Fahrt der Leidenschaft ihres
Lebens.
Danach war sie noch lange nicht zufrieden. Einen Monat lang hatte sie ohne ihren
Geliebten leben müssen. Ein Monat des Verlangens. All ihre sexuelle Energie war
für diesen Moment aufgestaut.
Nach den Höhepunkten, er hatte sie insgesamt vier Mal beglückt, setzte sich
Fritz, hechelnd wie ein Hund, auf.
"Liebling, sagte er, wir können jetzt aufhören, ich kann nicht mehr."
"Meine Liebe stoppen? Nein, nein! Ich brauche sie, ich liebe sie!"
"Aber ich kann nicht mehr heute Nacht."
Und dann, zu ihrer vollkommenen Überraschung, nahm er ihre Arme, fesselte sie
hinter ihrem Rücken, und zog dann von unter dem Bett, zu ihrem Entsetzen, den
Ledermonohandschuh hervor.
"Was tun sie", rief sie, als er den Monohandschuh über ihre Arme streifte und
anschließend zusammenschnürte.
"Liebling, sagte ich nicht, dass ich ermüdet bin? Sie sind unsensibel. Ich hatte
geglaubt, dass ihre Tante sie genügend ausgebildet hatte, doch offensichtlich
hatte ich unrecht."
Dann, zu ihrem weiteren Entsetzen zog er von unten einen Knebel hervor, den er
in ihren Mund zwang.
"Diese werden von jetzt an Teile ihrer Nachtkleidung sein", kündigte er an.
"Gute Nacht, meine Teuerste", und nach einem Küsschen auf die Wange blies er die
Lampe aus, drehte sich um und schlief ein.
Die gefesselte Anne Marie schaute schweigend auf ihrem Ehemann. Sie war unfähig
ihn zu berühren. Sie fragte sich, worauf sie sich da eingelassen hatte.
Am folgenden Morgen wurde Anne Marie von Fritz geweckt, da er ihren
Monohandschuh öffnete und den Knebel aus ihrem Mund nahm.
"Ich habe jetzt etwas mehr Energie, Teuerste", sagte er.
An diesem Tage wollten sie ihre Flitterwochen beginnen, die sie in die
schweizerischen Alpen führen sollten. Anne Marie freute sich auf die Reise, da
sie sich immer danach gesehnt hatte das Berner Oberland zu sehen. Als sie hörte,
dass Suzanne sie nicht begleiten würde, fühlte sie sich überglücklich.
'Endlich werde ich Freiheit und Abenteuer bekommen, wonach ich gesucht habe, als
ich nach Berlin kam', dachte sie sich.
Sie nahm sich vor, ihre Kleidungsweise aufzulockern, während fort von ihrer Zofe
war. Sie packte nur solche Kleidungsstücke ein, die leicht zu tragen waren. Als
Ausrede würde sie sagen, dass es eine Zofe bedürfe streng in einem Korsett
geschnürt zu sein, falls Fritz ihr Fragen stellen sollte.
"Was wirst du machen, Suzanne", fragte sie, nachdem sie erfahren hatte dass
die Zofe sie nicht begleiten würde.
"Oh, ich werde hier in Berlin bleiben, Madame, die Dekorations- und
Einrichtungsarbeiten des Herrenhauses überwachen, welche ihre Tante für sie und
ihren Ehemann gekauft hat."
Fritz´ Vater hatte das junge Paar mit einem eleganten neuen Herrenhaus am
Tiergarten als Hochzeitgeschenk überrascht. Noch stand es leer, aber Anne Marie
dachte, dass es einmal großartig wäre, wenn es fertig eingerichtet sei.
Allerdings hatte sie sich gewünscht, dass Fritz ihr ein bisschen mehr
Mitspracherecht bei der Einrichtung gegeben hätte.
Trotzdem war Anne Marie niemals glücklicher gewesen. Sie war frei von der
Tyrannei ihrer Tante. Sie war mit dem Mann verheiratet, den sie liebte, dem
Besitzer eines feinen Hauses in Berlin, reich und schön, und mit den
Urlaubsvorbereitungen für einen der schönsten Orte der Erde beschäftigt. Was
könnte ein Mädchen mehr wollen?
Sobald sie allein im Waggon waren, hatte Fritz die Vorhänge zu gezogen und
angefangen sie leidenschaftlich zu küssen. Wie gewöhnlich krochen seine Hände
über ihrem Körper, um schließlich bei ihrer Taille zu landen. Als er dort
angelangt war, stoppte er plötzlich seine Küsse und setzte sich aufrecht hin. Er
sah ganz verworren aus.
"Was der Grund, Liebling", fragte Anne Marie, die ebenso verblüfft war.
"Was ist mit Ihrer Taille passiert, meine Liebe?", antwortete er.
"Meine Taille? Nichts! Was haben Sie daran zu bemängeln?"
"Normalerweise können meine Hände sie leicht umspannen, sodass sich meine
Fingerspitzen berühren. Doch heute geht es nicht. Sie ist größer geworden!"
"Oh das! Ich trage gerade wegen der Reise ein größeres Korsett als gewöhnlich.
Außerdem ist es ohne eine Zofe unmöglich sich so eng zu schnüren, wie es sonst
der Fall ist."
"Nicht so eng!" Sein Gesicht sah streng aus. "Ich erinnere mich, als wir
einander vorgestellt wurden, dass sie mir versprachen stets wie eine modische
junge Dame erscheinen zu wollen und nicht zu der schlampigen Weise der Provinz
zurückkehren wollten."
"Will ich ja auch nicht, Teuerster, was habe ich falsch gemacht?"
"Mir scheint aber, dass dies sehr wie eine Rückkehr zu ihrer provinziellen
Gewohnheit aussieht!"
Anne Marie wusste nicht was sie sagen sollte.
"Anne Marie, sie wussten, als sie mich heirateten, dass ich mir eine Ehefrau
wünsche, die mich nicht in Verruf bringt. Sie haben mich im Stich gelassen, und
das schon an unserem ersten gemeinsamen Tag!"
Nachdem er dies gesagt hatte, setzte er sich auf den gegenüberliegenden Sitz und
starrte aus dem Fenster.
"Es tut mir leid, Liebling, ich dachte nicht, dass es so wichtig für sie war.
Mir tut es äußerst Leid."
Erst über eine Stunde später sprach er wieder mit ihr.
„Hmm“, sagte er zu Anne Marie, „ jetzt wird es etwas komplizierter, als ich es
mir gewünscht hatte.“
Sobald sie in Genf in ihren Hotel angelangt waren, bestand Fritz darauf, dass
Anne Marie ihm die Kleidungsstücke zeigte, die sie eingepackt hatte. Ihre
Reisegarderobe bestand gänzlich aus Gewändern, die heimlich von ihrer Freundin
Greta, von dem Lande, gebracht worden waren, welche der Hochzeit in Berlin
beigewohnt hatte.
"Anne Marie!", rief er aus, "keines dieser Kleidungsstücke ist dafür geeignet
hier getragen zu werden. Vielleicht auf einen Bauernhof in dunkelstem Preußen.
Dafür sind sie geeignet, aber nicht für die Alpen. Wie kann ich mich mit ihnen
in der hiesigen Gesellschaft sehen lassen, wenn sie solche Kleidung tragen? Die
Leute werden glauben, dass ich ein Küchenmädchen geheiratet habe, nicht eine
Baronin. Ich kann es nicht glauben, dass sie mir dies angetan haben!"
"Aber ich glaubte, dass wir uns entspannen wollten, da wir im Urlaub sind",
protestierte Anne Marie unter Tränen.
"Beruhigen sie sich! Und was geschieht, wenn wir irgendjemanden sehen, den wir
kennen, oder wenn einer meiner beruflichen Kollegen, wie so oft, auftaucht? Da
ist nichts für solch ein Moment. Wir werden morgen in die Stadt gehen müssen,
und werden für sie eine komplette Alpine Garderobe kaufen müssen!"
Peng! Da ging er hin, der geschickte Plan von Anne Marie, in leichtere
Kleidung zu leben.
Und so geschah es, dass ihr erster Tag in der Schweiz damit verbracht wurde
durch die Boutiquen der Stadt zu ziehen, ansatt eine Kreuzfahrt über den See zu
machen. Eine zwar kleine Stadt, doch überraschenderweise gut ausgestattet mit
entsprechenden Geschäften, wohl aufgrund der Vielzahl der wohlhabenden
Touristen.
Und zu ihrem Ärger stellte sich heraus, dass Fritz derjenige war, der ihrer
Tante oder Suzanne bei der Auswahl der Kleidung jene restriktive Kleidungsstücke
vorgeschrieben hatte. Er lehnte die meisten Kleidungsstücke ab, die Anne Marie
vorschlug, und wählte stattdessen jene, mit den kleinsten Taillen, höchsten
Kragen und engsten Röcken aus. Außerdem achtete er darauf, dass die meisten
Kleider, die er kaufte, aus Wolle oder anderen dicken Wintermaterialien gemacht
waren.
"Aber es ist mitten im Sommer!", protestierte sie.
Nicht auf den Berggipfeln, nicht dort oben," antwortete er. "Es ist sehr kalt
dort."
Seltsamerweise wagten sie sich jedoch nicht ein einziges Mal auf einen der Berge
hinauf. Den ganzen Urlaub über litt Anne Marie, aufgrund der dicken Materialien,
der hohen Kragen und der heißen Sonne.
Anfänglich hatte Anne Marie gegenüber Fritz protestiert, wegen ihre Kleidung
mit den wirklich kleinen Taillen. Sie könne ohne eine Zofe oder einer
Schnürvorrichtung niemals ihre Korsetts selber genügend zusammenschnüren. Fritz
wischte diesen Einwand einfach weg und behauptete dass er, wenn dies nötig wäre,
mehr als froh wäre ihr beim Schnüren zu helfen. Anne Marie wünschte sich dass
sie niemals diesen Einwand gemacht hätte.
Fritz ging mit viel Elan an seine neue Aufgabe heran. Sogar Suzanne hatte nie so
viel Kraft an den Tag gelegt. So musste Anne Marie jeden Tag nach Atem ringen,
da ihr Korsett überaus eng geschnürt war.
Das Missbehagen endete auch nicht des nachts. Fritz bestand darauf, dass sie
nicht nur ihr Nachtkorsett trug, sondern auch die Ausbildungsstiefel. Aus
irgendeinem Grunde hatte er sie mitgenommen. Er bot sich natürlich an, ihr beim
Anziehen der Ballettstiefel zu helfen. Eine Aufgabe, die er ziemlich zu genießen
schien. Anne Marie nahm dies mit Entsetzen zur Kenntnis.
Außer dass er jede erdenkliche Anstrengung in Kauf nahm, um ihr Nachtkorsett so
eng wie möglich zu schnüren, blieb er auch seinem Versprechen treu
sicherzustellen, dass der Ledermonohandschuh und der Knebel Teil ihrer
Nachtkleidung blieb.
Eines Morgens allerdings, als sie sich beklagte dass sie unfähig gewesen war
aufgrund der Einengungen zu schlafen, kam Fritz ins Grübeln. Anne Marie konnte
wegen des Monohandschuhs nur auf der Seite liegen, was in Verbindung mit dem eng
geschnürten Nachtkorsett sehr unbequem war.
Er dachte nach und gab dann zu, dass ihre Beschwerde berechtigt war. Er
entschuldigte sich und sagte, dass er einen Eilbrief an Suzanne schreiben müsse,
um zu Hause dementsprechend einige Änderungen anzuordnen. Anne Marie konnte
nicht verstehen, was so dringend bezüglich ihres Einwandes sein solle und diese
Eile rechtfertigte. Aber sie hatte schnell gelernt, nichts zu bezweifeln, was
ihr Ehemann tat. So sagte sie nichts.
Abgesehen von der unangenehmen Kleidung, genoss Anne Marie trotzdem ihre
Flitterwochen. Es gab viele Bälle und Tanzveranstaltungen im Hotel,
Teenachmittage am See, eine Kreuzfahrt auf dem See, musikalische Vorträge,
Theaterabende, die schöne Bergaussicht und noch viel mehr. Jedes für sich war
spektakulärer, als sie es sich vorgestellt hatte. Und dann noch die vielen
faszinierenden Menschen. Zum ersten Mal in ihrem Leben traf Anne Marie
Italienische Barone, Russische Prinzessinnen und Englische Grafen.
Außer ihrer kurzen Zeit in Berlin, bei ihrer Tante Margaret, hatte Anne Marie
niemals vorher eine derartige Gesellschaft erlebt. Ihre kleine Provinzstadt war
regelrecht ‚nicht existent’.
Sie erfuhr einiges über Skandale und Liebschaften, vom Bankrott einiger
wohlbekannten Persönlichkeit, und sah wie einige mit ihrem Reichtum prahlten,
nach dem Motto: ‚Was kostet die Welt?“.
Anne Marie wünschte sich fast, dass sie in Genf ein allein stehendes Mädchen wäre. Ihre natürliche Schönheit, unterstützt durch die ‚Pflege’ ihre Tante und Suzanne, sowie ihre Erscheinung und die Haltung, ließ sie als eine begehrenswerte junge Dame erscheinen. Die Aufmerksamkeit der vielen geeigneten Junggesellen der urlaubenden Elite, war ihr sicher, sehr zum Ärger von Fritz.
Aber Anne Marie war ein gutes Mädchen, und während sie aus Spaß flirtete, besonders mit einem schneidigen Italiener, gab sie niemals einen negativen Anlass für ihren Ehemann. Sie verbrachte viel Zeit an seiner Seite.
Die Zeit fliegt schnell vorbei, wenn es viel Spaß macht.
Und als Anne Marie eines Morgens aufwachte, kam sie zu der traurigen
Erkenntnis, dass der nächste Tag der letzte Tag in der Schweiz sein würde.
Sie verbrachten ihren letzten Tag damit, Arm in Arm am See entlang zu
promenieren und dabei das schöne Bergpanorama zu bewundern.
Abends stiegen sie in den Zug nach Berlin.
Die Reise war wunderbar gewesen, aber leider war sie vorbei. Trotzdem schaute Anne Marie optimistisch in die Zukunft. Auf sie wartete ein gemeinsames Leben mit Fritz, und außerdem war da noch das neue Heim.