Arabella bekam einen Schock, als sie nach der unterhaltsamen Vorlesungsstunde
ihre Schlafzimmertür öffnete. Sie hatte erwartet, Svetelina in ihrem Raum mit
ihrem Nachtkorsett und der Schnürhilfe vor zu finden. Statt dessen, hatten sich
ihrer Magd die Schulvorsteherin und die andere ungenannte Dienerin
angeschlossen, welche ihr morgens geholfen hatte, sie in die Schuluniform zu
pressen. Verständlicher Weise befürchtete sie das Schlimmste.
"Justine“, verkündigte Madame Dorozhkina, als sie durch den Eingang hinein
schritt. "Ich hoffe, Sie haben die Erzählungsveranstaltung genossen?"
Arabella nickte ängstlich.
"Gut, wenn es Ihnen jetzt nichts ausmacht, gehen Sie bitte ins Badezimmer,
lassen sich von Svetelina ausziehen und waschen. Wir haben noch einiges
vorzubereiten, bevor Sie zu Bett gehen, und es ist schon acht Uhr. Schnell
Mädchen!"
Arabella knickste zuvorkommend und ging zerknirscht ins Badezimmer, gefolgt von
Svetelina. Sie entfernte ihr die Porzellanmaske, zog sie aus und schnürten sie
langsam auf. Dann seifte sie Arabella ein und wusch sie. Diese Pflege war für
ihr ein schöner Luxus, den Arabella üblicherweise genoss, doch heute schätzte
sie ihn nicht. Die Anwesenheit der zusätzlichen Magd beunruhigte sie sehr, da es
wahrscheinlich bedeutete, dass sie sehr stark geschnürt werden sollte. Außerdem
hatte Madame Dorozhkina von 'Vorbereitungen' gesprochen, und das klang nicht
gut. Besonders da die aufgeregte Schulvorsteherin mit ihr bis neun Uhr fertig
sein wollte. Allzu schnell war die Magd mit ihr fertig und gestikulierte, dass
Arabella wieder das Bad verlassen sollte. Das Mädchen tat dies widerwillig. Sie
wollte sicherlich nicht wieder in jenem Raum hinein, wo die Schulvorsteherin
wartete. Doch inzwischen war ihre Aufregung abgeklungen. Die Magd trocknete sie
schnell mit einem Handtuch ab, um sie danach mit Körperpuder zu bestäuben, damit
das Nachthemd leichter überzustreifen war. Arabella atmete für ein oder zwei
Minuten tief ein, und genoss den Moment ihre vollen Lungen benutzen zu können,
wie der Herrgott es vorgesehen hatte. Sie war sich sicher, dass sie bald dazu
nicht mehr fähig wäre.
Zu ihrer totalen Überraschung wurde sie nicht, als sie das Schlafzimmer betrat,
von Madame Dorozhkina zur Schnürvorrichtung befohlen.
Sie sagte statt dessen: „Bitte legen Sie sich auf Ihr Bett, Justine."
Verwirrt tat das Mädchen wie ihr befohlen wurde. Sie erblickte, wie die
ungenannte Magd, mit einem Paar fürchterlich aussehende Stiefel in den Händen,
sich ihr näherte.
"Was ist denn das, Madame?", fragte die verwirrte junge Dame, die nicht
erkannte, warum man von ihr erwartete, dass sie im Bett Stiefel trug.
"Justine, so wie der Druck auf Ihre Taille immer beibehalten werden muss, um
sicherzustellen dass sie die erwünschte Form erhält, muss das gleiche mit Ihren
Füßen geschehen. Eine junge Dame muss zierliche, kleine Füße haben. Es soll ein
Vergnügen sein sie zu erblicken. Ihre Füße sind allerdings weit entfernt davon
zierlich und klein zu sein. Deshalb werden diese Ausbildungsstiefel benötigt.
Passt ihr jetzt die Stiefel an!"
Arabella schaute mit einem ängstlichen Blick auf die Stiefel, welche ihr die
ungenannte Magd über ihre Beine zog. Sie reichten hinauf bis über ihre Knie und
hatten über der ganzen Länge Schnürösen. Sogar ungeschnürt, und ohne Belastung
durch ihr eigenes Körpergewicht, waren sie wirklich unbequem, da sie ihre Füße
in eine gestreckte Haltung zwangen, wie bei einer Ballerina, die auf ihren
Fußspitzen stand. Etwas beunruhigte sie allerdings noch mehr. Es war die
Tatsache, dass die Stiefel keine Absätze hatten, und nur in kleinen Spitzen
endeten. Wie erwartete man von ihr damit zu gehen? Sicherlich könnte sie niemals
die Balance halten?! Sie äußerte ihre Ängste der Schulvorsteherin.
"Sie haben Recht. Ein Spaziergang ist in diesen Stiefeln unmöglich, Justine",
antwortete Madame Dorozhkina. "Doch ich möchte gerne wissen, warum Sie darin
gehen möchten? Sie werden im Bett vorbereitet, und wir gehen im Bett schlafen,
nicht um ohne Aufsicht über die Korridore zu schreiten. Natürlich können Sie
damit nicht gehen, müssen Sie auch nicht!"
Arabella machte sich Sorgen, wie sie zum Beispiel zur Toilette gehen könnte,
oder zum Fenster um etwas Frischluft nach dem heißen Tag hereinzulassen. Doch
sie wusste, dass solche Beschwerden auf taube Ohren fallen würden, also blieb
sie ruhig.
Madame Dorozhkina beaufsichtigte Svetelina und die andere russische Magd, welche
die neuen Ausbildungsstiefel zu schnürten. Mit jedem Zug der Schnürung, welche
die Stiefel immer enger machten, merkte das Mädchen, wie ihre Füßen immer weiter
in die kleinen spitzen Schuhspitzen gequetscht wurden. Der Schmerz war
fürchterlich, und Tränen rannen aus ihren Augen. Doch sie schnürten die Stiefel
immer enger, bis ihre Beine von den Zehen bis zu den Oberschenkeln starr und
unbeweglich waren.
"Sehr gut", kommentiertes Madame Dorozhkina als sie fertig waren. "Und nun ihr
Gesicht. Setzen Sie sich auf, Justine!"
Ihre Beine waren zwar unbeweglich, doch ihre Taille noch nicht. So setzte sich
die Schülerin langsam auf. Svetelina näherte sich ihrer Anvertrauten mit einer
weißen Creme. Sie anfing an, diese auf das Gesicht des Mädchens zu streichen.
"Ihre Zeit im Britisch- Indischem Reich war nicht nützlich für Ihren Teint
gewesen", erklärte Madame Dorozhkina. "Eine junge Dame muss Porzellanweiße Haut
haben, die zart und gesund ist. Ihre Maske und das russische Klima werden diese
Weiße ermöglichen. Diese Creme sorgt für Weichheit, und dass Ihre Haut die
Nährstoffe bekommt, die sie braucht."
Arabella bezweifelte nicht den Wahrheitsgehalt der Äußerung der
Schulvorsteherin. Tatsächlich war sie schockiert, wie ihre Bräune mit ihren
Dienern verglichen wurde, als sie in England ankam. Doch sie bezweifelte, ob sie
diese, in alle Poren geriebene Creme, wirklich wollte. Es fühlte sich fett und
schleimig an und hatte außerdem einen ziemlich unangenehmen Geruch. Das, was
allerdings als Nächstes kam, erfüllte sie mit Grausen. Während Svetelina ihr die
Creme ins Gesicht rieb, war die andere Magd verschwunden und dann mit einer
fürchterlich aussehenden Kapuze wieder zu erscheinen. Sie zog diese über
Arabellas Kopf. Sie bedeckte sie vollkommen vom Haupt bis zu ihren Schultern und
hatte nur vier kleine Löcher für ihre Augen, Nase und Mund. Folglich hörte sie
alles viel schlechter und musste stark aufpassen, was ihre Schulvorsteherin
sagte.
"Diese Kapuze wird sicherstellen, dass die Creme in Ihre Haut eindringt, und
dass Ihre Haut straff bleibt und Ihr Kopf aufrecht", erklärtes Madame Dorozhkina.
Das stimmte auch, wie Arabella kurz darauf auf unangenehme Art und Weise
herausfand.
Die Haube wurde so eng zugeschnürt, dass der Hals immer enger und auch länger
wurde. Die schweigende Magd zog sehr stark an der Kapuzenschnur, bis die
Schulvorsteherin ihre Zustimmung nickte. Arabella rang nach Atem, aufgrund des
zusammengedrückten Halses. Ihr Sehvermögen war durch Tränen verschwommen. Der
Druck war sehr stark, und als sie Madame Dorozhkina sah, wie sie ihr bedeutete
zur Streckvorrichtung zu kommen, wusste sie, dass es noch ärger kommen würde.
Behutsam, übertrug Arabella ihr Gewicht von ihrem Gesäß auf ihre Füße. Der Druck
auf ihren zusammengepressten Zehen und der folgende Schmerz war unglaublich und
sie schrie vor Höllenqualen auf.
Madame Dorozhkina nahm allerdings keine Notiz von dem abgeschwächten Schrei.
Statt dessen unterstützten sie die zwei Mägde auf jeder Seite und führten sie
hinüber zur Streckvorrichtung.
Mit jedem Schritt wuchs der Druck auf ihre armen Füße. Es gab nichts, was sie
dagegen tun konnte. Sie war schließlich dankbar darüber, als ihre Handgelenke
mit den Gurten befestigt wurden und sie dann endlich nach oben gezogen wurde.
Das Nachtkorsett wurde ihr angepasst. Es war zwar kürzer und etwas weniger eng,
als ihr Tageskorsett. Doch wegen der zusätzlichen Nachtkleidung war sie bei der
Beendigung der Schnürung der Ohnmacht nahe. Auf der gleichen Art wie vorher,
humpelte sie unter Schmerzen zurück zum Bett, und wurde von Svetelina hingelegt.
‚Das war´s dann’, dachte sie, ‚jetzt kann ich endlich versuchen etwas Schlaf zu
bekommen.'
Aber sie hatte La-Maison-des Poupees unterschätzt.
"Ein letzter Gegenstand", erklärte die Schulvorsteherin, „um ihnen dabei zu
helfen, Ihre Körperhaltung zu verbessern."
Daraufhin ergriff die kräftige Magd Arabellas Arme und hielt sie auf ihrem
Rücken. Dann nahm Svetelina etwas, was aussah wie ein großer Handschuh, und zog
ihn über ihre beiden Armen.
"Das ist ein Monohandschuh, Justine" erklärte Madame Dorozhkina. "Darin sind
Ihre Arme zusammengedrückt, und ihre Schultern zwingen den Rücken in eine
nützlichere Lage."
Der Handschuh bedeckte ihre Arme bis hinauf zu den Ellenbogen. Darin wurden ihre
Arme vereint und ihre Hände so stark zusammengedrückt, dass ihre Finger sich
nicht bewegen konnten. Svetelina schnürte den Monohandschuh zu. Es war im
Gegensatz zu den anderen engen Kleidungsstücken nicht besonders unbequem. Doch
das Problem war, dass sie normalerweise auf ihrem Rücken schlief. Mit dem
Monohandschuh war das Unmöglich. Schließlich setzte die andere Magd die
Puppenmaske auf Arabellas Gesicht und einer Nachtmütze über ihren Kopf.
"Die Kapuze sieht nicht sehr anmutig aus", erklärte Madame Dorozhkina.
Schließlich und endlich wurde Arabella allein gelassen.
Die müde Arabella lag da, gefesselt und kaum fähig zu atmen, unfähig zu
schlafen. Sie lag viele Stunden wach, und während der restlichen Nacht döste sie
nur vor sich hin. Das war aber auch nicht angenehmer.
Als sie endlich doch noch wegdriftete ins Land der Träume, träumte sie seltsame
Träume.
In ihren Träumen war sie eine Prinzessin, welche von einem bösen arabischen
Sultan gefangen wurde. Er wohnte in einem Palast, den sie einmal in Bombay
besucht hatte. Er folterte sie, indem er ihre Füße in einem Schraubstock
quetschte, eine große Python auf sie legte, die sich um ihr zusammen zog…
Die Tage, Wochen und Monate schlichen dahin im La-Maison-des Poupees.
Arabellas Leben wurde so etwas ähnliches wie Normalität. Jeden Morgen wurde sie
von Svetelina aufgeweckt, wenn sie nicht schon wach war, gebadet und dann in
einem Korsett eingeschnürt und hergerichtet. Ihre Kleidung veränderte sich
wenig, täglich wurde sie in das enge Korsett, dem großen Reifrock um in das
blaue Nadelstreifenkleid gesteckt. Der einzige größere Unterschied war, dass ihr
Korsett immer enger wurde und ihre Stiefel und Unterröcke immer unbequemer.
Madame Dorozhkina hatte nach ihrem mittelmäßigen Auftritt in der
Körperhaltungsstunde entschieden, dass mehr einschränkendes Schuhwerk
erforderlich war, womit man ihre 'langen Schritte heilte' und einen eleganteren
Gang erreichen sollte. Folglich waren neue Stiefel eingetroffen, die bis über
ihre Knien reichte und 10 Zentimeter hohe Absätze hatte. Sie reduzierten nicht
nur ihre Schrittlänge, sondern machten auch eine Durchbiegung am Knie weitaus
schwieriger, sodass das Mädchen einen aufrechten Gang erhielt. Obendrein war da
auch ein neuer Leder- Unterrock, der äußerst eng um ihre Schenkel herum anlag,
und nur Schritte von sieben bis acht Zentimetern Länge erlaubte.
Die sadistische Schulvorsteherin nörgelte weiter an ihr herum.
"Sie gehen zu krumm, Justine", klagte sie, "wir müssen das verbessern!"
Am folgenden Tag, tat sie es auch. Dies geschah mit einer besonders geformten
Metallstange, die vom Korsett des Mädchens über den Rücken bis zu ihrem Hals
hinauf verlief. Am Haltungskragen wurde sie festgemacht.
"Dies wird als ein 'joug' bezeichnet, Justine", erklärte Madame Dorozhkina.
"Es ist wahrscheinlich Schottlands lohnendster Beitrag zu der zivilisierten Welt
und es ist, in Verbindung mit Ihren Haltungskragen, sehr effektiv. Es hält Ihren
Kopf fehlerlos aufrecht, wie es eine junge Dame tun sollte."
Es stimmte, Arabella konnte nicht mehr ihren Kopf hoch oder runter bewegen. In
der Tat, von ihrem Hals an abwärts war sie mehr oder weniger vollkommen
gefesselt, und machte nur noch äußerst kleine Bewegungen.
Und so verbrachte sie ihre Tage. Eine anonyme Justine- Puppe, so wie alle
anderen Schülerinnen. Sie stand jeden Morgen auf, zog sich an und aß, und dann
begann die Unterrichtung in, Mathematik, Literatur, Kalligraphie, Theologie,
Mode, Französisch, Tanz, Haltung, und Singen.
Ja, Singen.
Singen war Arabellas liebster Unterricht. Das war eine sehr wichtige Stunde für
ihr. Während des Gesangsunterrichts konnte sie wenigstens Arabella Hetherington
ganz persönlich sein. Diese Unterrichtsstunden wurden in einem kleinen Raum im
Herrenhaus, im östlichen Flügel, abgehalten. Sie brachte alle Mädchen näher. Der
Grund dafür war einfach: Von den Mädchen konnte kaum erwartet werden gut zu
singen, wenn sie ihre, sie zum Schweigen bringenden, Masken trugen. Doch wenn
sie alle zu erkennen waren und frei über alles sprechen konnten, war der Sinn
und Zweck der Masken zerstört, und die Philosophie der La-Maison-des Poupees
unterminiert. So geschah es, dass Arabella einmal die Woche freudig entlang der
langen Korridore des Maisons zum Eingang des Raumes von Madame Kovalsky eilte.
Madame Kovalsky war eine Halb- russisch, halb- jüdische Dame von undefinierbarem
Alter. Sie hatte ein ausdrucksvolles Gesicht mit starken Merkmalen und war eine
sehr gute Sopranistin, welche angeblich während ihrer Jugend am Bolshoi gesungen
hatte. Das Wichtigste dieser Frau, im Gegensatz zu den anderen Lehrern des
Internats war ihre Herzlichkeit und Sanftmut. Arabella genoss diese Zeit des
Zusammenseins mit ihr. Sobald sie den Raum betrat, entfernte die Lehrerin die
Masken der Mädchen und gab jeder eine Tasse süßem russischen Tee.
"Mein Mädchen!", würde sie in ihrem schwerfälligen, nicht akzentfreien, Englisch
sagen. Sie weigerte sich Französisch mit Justine zu sprechen. "Eine entsetzliche
Sprache meine Teuerste. Mit vielen 'oohs' und 'arrs' und nicht genug ‚h´s’."
„Wie fühlen Sie sich diese Woche?"
Und jede Woche klagte ihr Arabella ihr Pein, und die Lehrerin nahm sie in ihre
Arme.
"Oh meine Teuerste, es ist eine schreckliche Welt, eh. Mein Herz fühlt mit
Ihnen, Arabella." Danach sangen sie die Klassiker von Europa, lateinische Lieder
der Hingabe an Christus und Maria, schöne Melodien von weit entfernten Ländern,
und Melodien von tragischen Romanzen.
Schließlich gestikulierte Madame Kovalsky mit ihren Händen, damit Arabella und
all die anderen Mädchen sich setzten. Sie erzählte dann in ihrem schwerfälligen
Englisch Geschichten. Mal von ihrem eigenen Leben, oder von einigen anderen
Schülerinnen, von den vielen Mädchen, die jeden Tag neben Arabella saßen, aber
von denen sie nichts wusste.
"Die Erzählung, das ich weiß! So viele unterschiedlich von ihnen, glauben Sie
nicht. Hab ich erzählt Ihnen jemals über da-Mal-dere, war ein Junge in dieser
Schule, eh?"
"Nein Madame Kovalsky."
"Gut, es war drei Jahre her, oder vielleicht fünf. Gut, dieser Junge, war er
ein unartiger Junge für sein Mama, er sehr schlecht. Er ging in Stadt aus,
kritzelte auf Wände, ja sein Geld ausgebend, kämpft mit anders Jungen. Und auch
mehr schreckliches als das, nahm er die Dienermädchen, und er benutzte die gegen
deren Willen. Er war schrecklich Junge, in der Tat. Und sein Mama, was könnte
sie tun? Sie wusste nicht und täglich sie würde ihre Hände in die Luft heben und
Gebet zu Gott halten! ‚Helfen Sie mir mit mein Sohn!'
Dann, ein Tag ein Freund von sein Mama erzählte über das Haus von die Puppen.
'Aber es ist für die Mädchen!', sagte die Mama. Aber ihr Freund sagte, 'hinter
die Maske wer es wissen?'
Gut, die arme Frau war am Ende ihrer Geister, ging sie so nach die Miss
Dorozhkina. Zuerst war das Dorozhkina gegen, aber Geld gut und sie ist gierig
Frau, und so schließlich sie es akzeptieren. Und dies Junge, den er hier kam und
der wie eine Justine-Puppe angezogen wurde. Niemand wissen da sie wegen der
Maske nicht sehen, das er ist ein Junge. Aber mehr dann sie tun mehr als das.
Sie wissen wie ist Miss Dorozhkina, eh? Er ist ein kleiner Junge und sie es
nährend ihn mit Besonderdiät und besondere Krauttees. Und was geschieht? Langsam
er verändernd, ja wachsen Brüste und da unten nix mehr wie richtig Mann! Das
Ende, er konnte nicht sein wie richtig Mann sein kann, so sie ihn heiraten zu
ein Homosexuellmann, ein Deutsch Adel. Aye, ich sah niemals eine schönere Braut
bei Hochzeit. Nur wissen er, und nur der Ehemann und seine Mama, es da unter die
Kleid er ist noch Mann, eee!“
Wie viel Wahrheit in solchen Erzählungen waren, wusste Arabella nicht. Sie
glaubte wohl, dass sie wahrscheinlich übertrieben waren. Doch andererseits
glaubte sie zweifellos jene Geschichte.
Madame Dorozhkina konnte so grausam sein, es zu versuchen, und einen Jungen
gegen seinen Willen zu einem Mädchen zu verwandeln. Andererseits, was machte es,
ob die Geschichten wahr waren oder nicht? Sie waren ein Ausbruch, Zeit außerhalb
des täglichen Arbeitspensums, in ihren zunehmend sich verengenden und
beschränkenden Leben. Sowohl körperlich als auch geistig betrachtet.
Und über all dieser Zeit wurde ihre Taille schmaler und schmaler. Die Magerkost,
die sie erhielt, war garantiert nicht dazu bestimmt gesund und stark zu werden,
aber sie trug sicherlich sehr gut dazu bei, rasch eine zierliche Taille zu
bekommen. Inzwischen ging es ihr ganz gut unterhalb der magischen 50 Zentimeter-
Grenze. Ihre Taille näherte sich rasch der 40 Zentimeter- Marke, und es wurde
beschlossen ein neues Korsett zu bestellen. Madame Dorozhkina war erfreut
darüber, und das war das einzige Positive, was sie über Arabella, (oder
'Justine'), pries.
Aber unsere Heldin schätzte nicht diesen Lob. Schließlich bekam sie ja das neue
und engere Korsett, das sie unnachgiebig jeden Tag fest zusammenpresste. Sie
hasste La-Maison-des Poupees und sie verabscheute die Schulvorsteherin mit einer
großen Leidenschaft.
Jede Nacht wurde sie wach, auf Grund der Korsettbeschränkung und des
Hungergefühls. Sie konnte nicht richtig schlafen, ärgerte sich darüber, dass
ihre Arme gefesselt waren und sich ihr Hals wie der einer Giraffe anfühlte. In
den frühen Morgenstunden weinte sie zahllose Tränen über ihre verlorenen
Kindheit im Paradies von dem Raj. Ihrer Eltern, die jetzt im Himmel waren,
wurden gezwungen zu sehen, wie sie wie eine Puppe vierundzwanzig Stunden lang,
Tag für Tag, behandelt wurde. Sie wusste, dass sie geformt wurde, in ein
gesichtsloses, nichtssagendes Beispiel von weiblicher Vervollkommnung mit einem
verführerischen Gang. Einer Figur, die Männer wild machen sollte und sich ohne
eigene Meinung ihnen unterwirft. Hatte Madame Dorozhkina nicht gesagt, sie würde
nicht mehr als ein hübsches Accessoire für ihren Ehemann werden, nicht mehr eine
Person mit einem eigenen richtigen ‚Ich’?
Zorn, Hass und Verzweiflung kochten in ihr hoch. Aber niemand sah ihre Tränen
und niemand erfuhr ihren Hass und Zorn. Falls irgend jemand jemals ihr
Schlafzimmer betreten würde, wäre alles, was man sähe, eine glückliche und
zufriedene Porzellanpuppe, die Augen geschlossen, mit erstarrten Mund zu einem
lächelnden Schmollmund.
Und dann, eines Tages passierte es. Es musste irgendwann geschehen, Arabella
wusste das, und auch Madame Dorozhkina und die anderen Lehrer wussten es
zweifellos.
Man kann nicht jemanden jegliche Energie, normale Körperbewegungen und die Macht
des Redens berauben, ohne zu erwarten, dass sie einen Rückschlag erleiden. Es
geschah nur all zu natürlich nach allen Strapazen des Mädchens. Trotzdem war
auch Arabella überrascht, als es geschah. So wie all die anderen Anwesenden des
Raumes überrascht waren, auch wenn Arabella es nicht mitbekam.
Es geschah in der französisch Stunde, und Arabella war schon lange Schülerin im
La-Maison-des Poupees. Sie wusste nicht genau wie lange sie da war, da sie die
Tage nicht gezählt hatte. Doch Weihnachten war gekommen und wieder vorbei, und
allmählich ließ der frostige russische Winter nach. Sie schätzte, dass sie gut
acht Monate in dem Internat verbracht hatte.
An diesem Tag mussten sie sehr schwierige grammatische Aufgaben lösen, und
Arabella, so wie die meisten anderen Mädchen, konnten sie einfach nicht richtig
ausarbeiten.
Das an sich war schon deprimierend genug. Das in Verbindung mit ihrem stets
drückenden Korsett, den zu engen Stiefeln und der verdammten Maske, die sie
daran hinderte Madame Fontaine zu erklären, warum sie die Aufgaben nicht lösen
konnte, schien ihren Kopf platzen zu lassen.
"Mädchen, Mädchen!", rief Madame Fontaine in ihrem Pariser Französisch. "Was ist
heute nur los mit Ihnen! Ich unterrichte und erkläre es Ihnen, und wenn ich
herumgehe, und Ihre Arbeiten sehe, ist es eine Schande, eine Beleidigung für
diese schöne Sprache!"
Sie stoppte und starrte über ihren Brillenrand. Eine Anzahl sie anlächelnder
Puppen, mit der erzwungenen Atmung des Korsetts, war alles, was zu sehen und zu
hören war.
"Justine vierundzwanzig", rief die französisch Lehrerin. "Kommen Sie nach vorne
und zeigen Sie mir Ihre Deklinationen.
'Justine vierundzwanzig'
In der französisch Stunde war Arabella die Zahl vierundzwanzig. In anderen
Unterrichtsstunden war sie abwechselnd dreizehn, vier, neunzehn, acht und
zwanzig.
Sie stand genervt auf, nahm ihre Kladde und ging nach vorne. Die
Französischlehrerin nahm die Ausarbeitung aus ihrer Hand und sah sie sich an.
"Non! Non! Non!", schimpfte sie. "Das ist ja noch schlechter als vorher. Wie
dumm sind Sie eigentlich, Justine?"
Es war das 'Non! Non! Non!', dass es auslöste. Arabella war niemals eine
Verehrerin der französischen Sprache gewesen, und in jenem gegenwärtigen Moment
verabscheute sie alles mit einer großen Leidenschaft. Etwas in ihrem Kopf
explodierte.
Weder Madame Fontaine noch die Schüler konnten ihren Augen trauen.
Statt eine Verbeugung als Entschuldigung zu machen, wie es normalerweise üblich
war, hob 'Justine Vierundzwanzig' ihre Arme hoch und zerrte die blonde Perücke
von ihrem Kopf. Sie schleuderte sie zum Fußboden, und ein jungenhafter Kopf mit
kastanienbraunem Haar kam zum Vorschein. Sie griff dann zur Maske und versuchte
sie am Hinterkopf loszubinden. Da die engen Handschuhe dies verhinderten,
krachte sie mit ihrem Gesicht auf den Schreibtisch. Die Porzellanmaske zerbrach
in tausend Stücke.
Dann versuchte sie ihre Handschuhe herunter zu zerren. Sie machte es so lange,
bis sie in Fetzen hingen.
Hinter den Überresten der Maske kam ein blutendes, tränenüberströmtes Gesicht
eines ausgezehrten und hungrigen, vierzehnjährigen Mädchens mit feurigen blauen
Augen zu Vorschein.
"Ich bin nicht Justine, ich heiße Arabella!", rief die ehemalige Puppe in
Englisch. Dann fuhr schimpfte sie weiter: "Und scheren Sie sich zum Teufel!"
Danach hob sie ihre Röcke an und lief so schnell sie konnte aus dem Raum hinaus.
Dabei schlug sie die Tür laut zu.
Justine kam nicht weit. Der enge Unterrock und die hohen Absätze schränkten ihre Schritte ein. Das enge Korsett behinderte ihre Atmung. Am oberen Ende der Treppe strauchelte sie, stürzte und verlor das Bewusstsein. An diesen Tag erinnerte sie sich nie mehr, obwohl es ohne Zweifel wahr war, und bald zu einer Legende vom La Maison wurde. Oftmals wurde es von Madame Kovalsky erzählt.
Als sie wach wurde, war alles, woran sie sich erinnerte, ihr Bett und das
erboste Gesicht von Madame Dorozhkina.
Ebenso die Wort: "Sie befinden sich in großen Schwierigkeiten, Justine."