Latexdame Jannette moderne Korsettgeschichten

Das Korsett der Braut

von Stephen

Alle Rechte und weitere Nutzung beim Autor.

Übersetzung: Jannette

Kapitel Zehn

Bekleidet mit einem schönen Negligé, für das eine gute Spitzenherstellerin bestimmt ein Jahr gebraucht hatte, schritt Kristin über den Korridor von Tadmarsh Manor zum Gesellschaftszimmer. Das Korsett darunter gab ihr die typische Figur, das Gesäß herausgedrückt, Front gerade, einer Schönheit aus König Edwards Epoche. Kristin trug ihre hochhackigsten Schuhe. Sie hatte festgestellt dass eine Absatzhöhe ab 10 Zentimeter es ihr leichter machte bei dem erzwungenen aufrechten Gang. Wie dem auch war, sie wollte so verführerisch wie möglich aussehen. Sie wollte Hilfe, und sie musste sicher sein, dass Bruce ihr liebend gerne half.
Sie zog die Schiebetür auf. Ja, er war dort, aber damit beschäftigt seine Zeitung zu studieren. Zu direkt wollte sie aber nicht vorgehen. Sie wollte nicht plötzlich auf seinem Schoß landen, oder so ähnlich. Sie wollte wissen wie wenig sie unternehmen musste, um seine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.
„Schatz?“
„Hmm?“, sagte Bruce, ohne von der Financial Times aufzublicken.
„Sag mal...“, sagte Kristin und legte eine Kunstpause ein.
„Was?“
„... meinst du dass mein Korsett zu eng ist?“
Bruce lachte und schaute hoch. Kristin lehnte mit berechneter Leichtigkeit an der geöffneten Tür. Ihr stark gerüschtes Negligé hing lose über dem eng geschnürten Korsett. Das Korsett hatte eine gerade Front und stieß die Hüften zurück, aber die Seiten der Taille waren streng zusammengedrückt. Oben wurden ihre Brüste von dem Korsett sehr beeindruckend nach oben gedrückt.
„Tja“, sagte Bruce, „kannst du atmen?“
Kristin zuckte mit den Achseln. „Ich, äh... es geht.“
„Dann ist es nicht zu eng, oder?“
Kristin musste ebenso lachen. Sie schritt mit kleinen Schritten durch das Gesellschaftszimmer, beugte sich unter lauten Knarren des Korsetts vor, um Bruce einen Kuss zu geben. Dann rauschte sie aus dem Raum hinaus. Das Negligé war so leicht wie eine Feder, und es wehte bei ihrem Gang leicht nach hinten, sodass Bruce durch den fast durchsichtigen Stoff die Schnürung und den Knoten der Korsettschnur sehen konnte. Ihr Gesäß wurde weit nach hinten geschoben, und die zierlichen Strumpfhalter hielten sehr moderne und schön aussehende Nahtnylons. Kristin hatte immer wunderbare Beine und ein hübsches Gesicht gehabt. Das Korsett machte sie nur noch begehrenswerter.
Bruce schaute wieder auf die Aktienkurse, konnte sich aber nicht mehr so richtig konzentrieren. Er hatte immer noch das Bild seiner Frau vor Augen... ‚Meine Frau? Sie ist nicht meine Ehefrau! Gut, noch nicht’, dachte er.
Kristin ging, zufrieden mit ihrem Erfolg, wieder fort. Bruce wurde zweifellos von ihrer Erscheinung erregt, und das war sehr wichtig. Wenn sie fortfahren wollte der armem Evangeline zu helfen, und sie war sich sicher in dem was sie tat, musste sie alle ihrer verlassenen Kleidungsstücke auf ihrem eigenen Körper zum Leben erwecken, bis hin zu dem schönen Hochzeitkleid. Nur so konnte sie das furchtbare Los, das seit 95 Jahren auf dem Landgut lag, beenden. Unter diesen Umständen war es besser ihr Vorhaben als sexy zu tarnen, damit Bruce sie nicht für verrückt hielt.
Trotzdem wollte sie etwas von dem Mysterium bewahren. Darum hatte sie die junge Nicky Bishop eingestellt. Sie hatte einen Ganztagsjob als Putzfrau und auch als Zofe. Das Mädchen war nicht wirklich intelligent und fand das alles sehr komisch, aber Kristin war das egal. Sie hatte wichtigere Dinge im Hinterkopf. Sollte man ruhig im Dorf darüber reden dass sie Korsagen aus der Zeit von König Edward trug.
Nicky wartete in dem hinteren Schlafzimmer, wie es ihr befohlen war. Sie hatte eine Erkältung wischte sich so oft ihre Nase wie sie kicherte. Sie trug ein verschmutztes T-Shirt, das zu eng war und ihren unterentwickelten Busen unbarmherzig zeigte, sowie einen geraden Minirock und Schuhe mit Brikett- Sohle. ‚Wenn es jemals ein Zeichen für vergangene Mode gab’, dachte Kristin, ‚dann war es Nicky Bishop.’
„Hallo, Nicky. Ich habe es Bruce gezeigt, und ich glaube, dass er erregt war. Dann lass uns alles komplettieren.“
Nicky kicherte wieder.
‚Dummes Mädchen’, dachte Kristin.
„Sicher, Frau Spier.“
„Ich habe dir schon mal gesagt, Bruce und ich sind nicht verheiratet!“
„Schreien sie mich nicht so an! Warum nicht?“
„Das geht dich nichts an, aber ich habe ihn nicht darum gebeten. Ich hoffe es kommt der Tag, an dem ich das schöne Kleid tragen werde.“ Nun war es raus, und alle würden es wissen. Sie hoffte dass es auch Evangeline gehört hatte.
„Ich habe es noch nicht gesehen, dieses Kleid“, sagte Nicky in der Hoffnung es zu Gesicht zu bekommen. „Kann ich gehen und es mir ansehen?“
„Nein. Es ist sehr kompliziert und sehr zart. Ich will dass niemanden damit herumspielt der nicht versteht wie man es behandeln soll. Du würdest es nur zerreißen. Wegen dir muss ich robustere Kleidung tragen. Komm jetzt, hilf mir.“
„In Ordnung“, sagte Nicky ziemlich mürrisch, da ihr kein Vertrauen gegeben wurde. „Was soll ich zuerst tun?“
„Ähem...“
Was nun folgen sollte war sehr kompliziert. Abgesehen von der relativ einfachen Kleidung, welche sie gerade als Test trug, war das Einkleiden einer Dame im Glanz der damaligen Mode wahrlich sehr kompliziert. Man musste sich mit einer gewissen Strategie dem Wissen nähern, aber genau da haperte es, denn Kristin wusste ja auch nicht genau wie sich eine Dame jener Epoche gekleidet hatte. Tags zuvor hatte sie sich zwar in einem entsprechenden Bildband schlau gemacht, aber sie war sich dennoch nicht sicher über die richtige Vorgehensweise.
„Das zuerst, denke ich“, sagte sie und zeigte auf ein relativ einfaches Baumwollteil, das auf dem Bett lag. „Es wird ein Unterrockleibchen genannt, denke ich. Das sollte nicht zu schwierig sein. Knöpfe es einfach auf und ziehe es mir an. Dann kannst du es wieder zuknöpfen.“
Nicky begab sich daran. „Warum können sie das nicht selber tun?“, fragte sie. „Sie können mir doch nicht sagen dass es schwierig ist.“
„Schau mal, Mädchen, wenn man ein steifes und eng geschnürtes Korsett trägt wie dieses, braucht man Hilfe beim anziehen. Und jetzt höre auf zu streiten und fange an mir zu helfen. Hast du auch alle Knöpfe aufgemacht? Du musst sehr sorgfältig arbeiten.“
„Ich bin fertig“, sagte Nicky. Sie stellte sich hinter Kristin und hob das Unterkleid mit dem Rüschenrock hoch. Dabei schnitt sie eine Grimasse.
„Das habe ich gesehen“, sagte Kristin. „Hast du nicht an den Spiegel gedacht?“
„Entschuldigung.“ Nicky zog das Unterkleid über Kristins nach hinten ausgestreckten Armen. Die Dame des Hauses begann vorne die unzähligen kleinen Knöpfe zu schließen. Hinten, in der Mitte, gab es einen langen Schlitz, der ungeschickt geschnitten und wieder zugenäht worden war, als wenn jemand mit Gewalt und schnell an die Korsettschnur herankommen musste.
„Du kannst inzwischen den Unterrock holen“, befahl Kristin während sie weiter knöpfte. „Wir dürfen nicht so viel Zeit vertrödeln, da wir noch viel zu tun haben.“
Nicky schaute auf die Kleidungsstücke, welche auf dem Bett lagen. „Welcher?“
„Was meinst du?“
Nicky hielt in jeder Hand einen Unterrock. „Es gibt zwei. Welchen wollen sie zuerst?“
„Oh Gott!“ Kristin preschte nach vorne und schlug den weißen Flanellunterrock aus Nickys Hand. „Das ist der Innere, weil er kürzer ist. Was meinst du wie es aussieht, wenn ich einen kurzen Unterrock über einem langen tragen würde?“
„Ja, ich weiß nicht. Ich meine, niemand wird es doch sehen, oder? Nicht wenn es unter ihrem Rock ist.“
„Vergiss es. Hilf mir lieber da hinein zu steigen.“
Kristin hatte die vielen Knöpfe des Unterkleides geschlossen und hielt sich mit einer Hand am Bettpfosten fest, während Nicky ihr unten den Unterrock bereithielt. Dann stand sie stumm neben dem Bett, während das Mädchen den Unterrock bis zu ihrer Taille hoch zog.
„Das nächste mache ich selber. Vielen Dank. Ich werde ihn selber binden.“
Der Unterrock hatte an der Taille eine Schnur, und Kristin zog diese so stramm wie möglich an, bis der Bund des Unterrocks Teil des Korsetts zu sein schien. Dann machte sie einen Knoten. „Jetzt den anderen, bitte.“
Der andere Unterrock war aus dickerem Material gefertigt.
„Ich denke es ist Alpaka- Wolle.“
Der zweite Unterrock hatte viele Schichten von Rüschen, welche an dem Saum angenäht waren. Er war auch schwer.
„Passen sie bitte auf dass er nicht herunterfällt“, sagte Nicky als sie ihn nach oben zog und Kristin übergab.
„Das wird er nicht, wenn ich ihn ganz fest binde. Kleidungsstücke können nicht von der Taille rutschen, wenn man ein Korsett wie dieses trägt, da es zu den Hüften breiter wird.“
„Warum hat man am Rocksaum die vielen Rüschen angenäht? Sie können es nicht sehen wenn sie angezogen sind. Außerdem macht das den Rock sehr schwer.“
„Weil er, mein liebes Mädchen, solch kostbare Geräusche von sich gibt, wenn ich gehe.“
Mit einem Lächeln trat Kristin vom Bett weg. Sie wackelte mit den unter dem Korsett eingeschnürten Hüften so gut es ging. Dann schritt sie zum Fenster und wieder zurück. Der obere Unterrock umarmte ihre Hüften und schwang nach hinten. Bei jedem Schritt rauschten die luxuriösen Rüschen, sodass alle Generationen von Liebhabern jener Klänge aufwachen mussten. Viele Jahrzehnte war dieser Klang nicht mehr zu hören, nun war er wieder da. Kristin schritt zum Bett zurück und war sichtlich zufrieden mit der Wirkung. Sie wusste wie attraktiv sie nun in Erscheinung trat.
„Was jetzt“, fragte Nicky unbeeindruckt.
„Jetzt kannst du anfangen, mir meine äußeren Kleidungsstücke anzulegen. Die Bluse zuerst. Muss ich dir denn alles sagen?“
Nicky schaute Kristin böse an und holte das besagte Kleidungsstück vom Bett. Die Bluse war offensichtlich von Hand genäht. Sie war aus lila Seide, natürlich mit Rüschen versehen. Außerdem hatte sie einen hohen und steifen Kragen, sowie Perlmuttknöpfe. Die Knopfreihe zog sich über dem ganzen Rücken nach unten. Es wäre für eine Frau in jenem Trainingskorsett unmöglich gewesen die Bluse selber schließen zu können. Kristin stand steif und aufrecht mit ausgestreckten Armen wie eine Puppe da und wartete darauf eingekleidet zu werden. Nicky schob die Bluse über Kristins Arme. Im Taillenbereich war die Bluse nur sehr schwer zu schließen, aber je höher sie kam, desto lockerer wurde die Bluse. Anscheinend sollte die Bluse die Brüste mehr andeuten als betonen. Als Nicky die zahllosen kleinen Knöpfe immer weiter nach oben schloss, wurde die Bluse wieder enger, bis es fast unmöglich schien die Bluse zu zuknöpfen.
„Ich kann die oberen Knöpfe nicht schließen. Ich werde sie erwürgen!“
„Unsinn!“
„Nein, wirklich!“ Nicky versuchte die nächsten beiden Knöpfe zu schließen und Kristin begann fast zu würgen.
„Sehen Sie?“
„Warte mal.“ Kristin schritt zu dem Spiegel hinüber. Sie sah noch sehr unvollständig aus mit ihrer nicht ganz geschlossenen Bluse und dem sichtbaren oberen Unterrock. Sie überlegte. Sie erinnerte sich an den hohen und steifen Kragen des Kleids, welches Evangeline für das Bild getragen hatte. Sie erinnerte sich genau daran wie sie dieses Kleid geöffnet hatte. War ihr Hals wirklich schmaler als Kristins? Sicherlich nicht! „Wenn Evangeline es tun konnte“, flüsterte, „dann kann ich es auch.“
„Was?“
„Nichts. Ziehe einfach etwas stärker und schließe die Knöpfe.“
„Wenn sie das sagen.“
Fast wollte Kristin schon ihre Anordnung rückgängig machen, doch da drückte schon Nicky ihre Ellenbogen gegen Kristins Rücken und zerrte am steifen Kragen, bis sie die letzten Knöpfe durch die Knopflöcher zwingen konnte.
„So, die Bluse ist geschlossen. Ich werde sie wieder öffnen müssen, oder wollen sie erdrosselt werden?“
Kristin überlegte fieberhaft. Dann sagte sie mit heiser klingender Stimme: „Ich glaube, dass ich es ertragen kann. Ich kann es. Ich weiß dass ich es ich kann.“
„Solange sie nicht essen oder trinken“, sagte Nicky und schaute besorgt auf die Knöpfe am Kragen. „Wenn sie schlucken werden die Knöpfe abreißen.“
„Ich beabsichtige nichts zu essen. Ich muss abnehmen. Auf jeden fall ist ein Korsett eine gute Hilfe den Appetit zu zügeln. Warte mal.“ Kristin schaute in den Spiegel. Dann drückte sie ihren Kopf leicht in den Nacken und versuchte den Hals zu strecken, als ob sie dem Druck des engen Kragens entgehen wollte. „Das ist schon besser. Sehe ich besser aus?“
„Das tun sie... irgendwie... größer und stolzer. Fast so wie auf dem Bild in der Halle.“
„Ja, ich verstehe... Das ist genauso wie mit dem Korsett. Der Kragen zwingt den Hals in die richtige Lage. Es ist besser nicht dagegen anzukämpfen, sondern sich zu fügen. Und schon sieht man besser aus. Das ist gut. Falls ich ohnmächtig werde, Gott behüte mich davor, musst du mir schnell die Bluse öffnen, und dann schlitze mit dem Messer die Korsettschnur auf. Du hast doch das Messer, welches ich dir gegeben habe?“
„Habe ich“, sagte Nicky. „Aber ich denke sie wollen es nicht wirklich so weit kommen lassen, oder?“
„Und ich glaube dass es dir nichts angeht was ich vor habe. Ich bezahle dich und du solltest mir behilflich sein und mich nicht ausschimpfen. Es ist vollkommen unwichtig ob das Unterkleid zerschnitten wird, weil das niemand sehen kann. Aber ich will nicht dass die Knöpfe meiner Bluse abgerissen werden, nur um schnell an das Korsett gelangen zu können. Egal wie lange ich ohnmächtig sein würde, du hast dennoch meine Kleidung mit Achtung zu behandeln. Hast du das verstanden?“
Nicky war mit ihren Gedanken ganz woanders. „Es gibt einen Schnitt, hinten im Unterkleid, der wieder zugenäht wurde. Glauben sie dass wer auch immer das Kleid getragen hat ohnmächtig geworden ist, sodass man es gewaltsam öffnen musste?“
Das hatte Kristin noch nicht erlebt, obwohl sie Evangeline immer näher kam. Es war fast so, als wenn das Gespenst den Raum betreten hatte und mit ihr zusammen angezogen wurde.
„Sehr wahrscheinlich“, sagte sie flott. „Hilf mir jetzt in den Rock hinein.“
Der Rock war Fußbodenlang, aus sehr weicher kastanienbrauner Wolle, und war etwas länger als der obere Unterrock. Allerdings lag er sehr eng an den Hüften an und wurde erst ab den Knien etwas weiter. Auch sein Rocksaum war voller Rüschen. Zunächst war unklar wie der Rock geschlossen werden konnte, doch Kristin fand es schnell heraus. Dort, wo moderne Röcke einen Reißverschluss haben, befand sich eine Abdeckung, unter der sich eine kurze Schnürung verbarg. Der Rock musste wie ein Korsett zugeschnürt werden. Der Vorteil lag darin, so erklärte sie es Nicky, dass der Taillen- und Hüftbereich unterschiedlich angepasste werden konnte. Aus diesem Grunde konnte sie sich auch nicht selber den Rock anziehen.
Doch dann waren sie so weit. Es fehlte nur noch die Kostümjacke. Sie war aus der gleichen Wolle gefertigt wie der Rock, allerdings wesentlich komplexer. Wie das Oberteil des Hochzeitskleids, das sie auf dem Dachboden untersucht hatte, bestand die Kostümjacke aus zahlreichen versteckten Details. Alles war liebevoll zusammengenäht, sodass die Jacke der Form des Korsetts folgte. Die Form einer Wespentaille wurde mittels eines schweren und fast steifen Interfutters mit zusätzlichen Korsettstäben erreicht. Nicky musste die Jacke fast verbiegen um sie weit genug öffnen zu können, damit Kristin ihre Arme in die Ärmel stecken konnte. Die Jacke schien ein Eigenleben zu haben, denn sie bestimmte die Körperhaltung, ähnlich dem Korsett, und so schien die Jacke sich auf dem Oberkörper regelrecht festzuklemmen. Zum Glück war Kristins Oberkörper schon in dem Korsett fest eingeschnürt. Doch es gab Probleme. Die Jacke ließ sich nicht wie der Rock mittels einer Schnürung an Kristins Körper anpassen. Die Knöpfe waren wunderschön wie bei einer Kavallerieoffiziers- Uniform angeordnet. Es gab auch eine entsprechende Borte. Doch so sehr Nicky sich auch bemühte, die Kostümjacke konnte nicht geschlossen werden. Kristin schaute in den Spiegel und entdeckte dass ihre Taille mehr als 3 Zentimeter enger geschnürt sein müsste, um die Jacke, welche Evangeline vor fast einhundert Jahren vielleicht getragen hatte, schließen zu können.
‚Nicht schlimm’, dachte sie. Sie sah trotzdem darin sehr gut aus. Was ihr noch fehlte, waren lange Haare, welche zu einer komplizierten Frisur gesteckt werden konnten, gekrönt von einem kleinen Hut mit einem Schleier. Dann wäre sie die perfekte Dame aus der vergangenen Epoche. Aber selbst ohne diese Accessoires bereiteten der hohe Kragen, die Wespentaillen- Jacke, der Hüftumarmende Rock und die von dem Korsett beeindruckend eingeschnürte Figur einen gewissen Charme und Anreiz, den sie niemals in ihrem Leben gehabt hatte. Was hatten sie alles nur mit Evangeline angestellt, um mit ihrem Taillenumfang zu übertreiben! Kristin sah dass es so viel gab um es zu genießen, wenn man die freie Wahl hatte.
Sie wollte näher zum Spiegel gehen um sich dort von allen Seiten zu betrachten, aber ihr Korsett und die vielen und engen Unterröcke behinderten sie, sodass sie fast umgefallen wäre. Sie fing sich gerade noch am Bettpfosten auf und lachte kurz auf. Sobald sie sich festgestellt hatte dass ihre Assistentin zur Hilfe eilen wollte, sagte sie: „Nicky, das hast du gut getan. Ich bin stolz auf dich. Vielen Dank.“
„Kann ich jetzt nach Hause gehen, Frau Spier?“
„Ich habe dir doch gesagt dass du mich nicht so nennen sollst! Noch nicht. Ich möchte dass du noch ein wenig hier bleibst, falls ich ohnmächtig werde. Dann musst du die Korsettschnur zerschneiden.“
„Denken sie dass die Möglichkeit besteht?“, fragte Nicky ziemlich nervös.
„Ich weiß nicht. Nicht jetzt, aber ich kann nicht sicher sein. Na gut. Ich werde jetzt Bruce aufreizen gehen.“
Mit einem größeren Hüftschwung als nötig, sodass das Rascheln der Unterröcke Tote aufgeweckt hätte, machte sie sich auf den Weg zum Wohnzimmer.

Kapitel Elf

Raschel, Raschel, Raschel. Laut raschelnd schritt sie voran.
Kristin lächelte aus vollster Zufriedenheit und schritt hüftschwingend durch die Halle zum Wohnzimmer. Die Beschränkungen von Korsett und Kragen ärgerten sie noch ein wenig, aber sie arrangierte sich mit der Einschränkung, anstatt sich dagegen aufzulehnen. Ihre erzwungene Körperhaltung gefiel ihr langsam. Sie genoss es stolz und würdevoll, und dennoch verführerisch, daher zu schreiten. Sie war sich sicher, dass Bruce sie verehren würde. Sie legte ihren Kopf sogar noch anmutiger zurück, schloss etwas ihre Augen, als ob alles um ihr herum unter ihrer Würde wäre. Sie betrat das Wohnzimmer.
„Hallo Bruce, hier ist die vollständige Verpackung... Oh!“ Er war nicht anwesend.
Eine echte Dame jener Zeit hätte schmollen können und nach dem Diener geklingelt, aber Kristin hatte weder Dienerschaft, noch eine funktionierende Klingel. Sie hatte nur Nicky Bishop, und für eine derartige Aufgabe könnte sie das Mädchen nicht gebrauchen. Mit einem Seufzer, der von ihrem Korsett erlaubt wurde, raschelte sie wieder hinaus in die Halle.
Sie hatte eine Idee, wohin sie gehen müsste. Das ehemalige Büro des Anwesens war von Bruce zu einem Computerraum umgewandelt worden. Die beiden ISDN- Anschlüsse kam dort ins Haus, und der große Server befand sich ebenfalls dort. Ein gelegentlich kommender Programmierer hatte begonnen Bruce und Kristins Homepage zu erstellen, war aber noch nicht fertig. Es konnte also sein dass die beiden dort waren. Sie musste nur dorthin gehen, aber es gab ein Hindernis: Der Raum befand sich in der oberen Etage. Das bedeutete dass sie die geschwungene Treppe hinaufgehen musste. Die Treppen hinunter gehen zu müssen wäre an sich schon eine Herausforderung gewesen, aber sie hinauf zu gehen schien ein mühseliger Akt zu werden.
Kristin blieb am Fuß der Treppe stehen. Die breiten Stufen waren etwas ausgetreten und hätten längst ausgetauscht werden müssen. Das Landgut war großzügig erbaut worden. So war auch viel Platz für eine große Treppe gewesen. Sie musste nach oben, ob sie wollte oder nicht. „Ein ängstliches Herz erobert niemals den Geliebten“, sagte sie laut und hob mit einer Hand den Rock hoch. Sie brauchte sehr viel Zeit und es kostete ihr viel Mühe bis sie oben angelangt war. Ihre Hauptsorge galt dem langen Rock, und den Unterröcken mit den vielen, vielen Rüschen. Sie hatte Angst darüber zu stolpern. Wegen des steifen Oberkörpers wäre das zu einem Problem geworden. Da das S-förmige Korsett zusätzlich die Hüften nach hinten drückte, war es ziemlich schwierig die Beine anzuheben. Schließlich kam sie darauf ihre Beine seitlich zu verdrehen. Nur so konnte sie Stufe für Stufe einzeln bewältigen. Anfangs hörten sich ihre Schritte ziemlich dumpf und schwerfällig an. Schließlich hatte sie auch nicht genügend Schrittweite wegen der vielen Röcke. Doch dann wurden ihre Schritte eleganter. Sie bemerkte noch etwas Besonderes: Ihr Rock schwang mehr als zuvor. Bei jedem Schritt raschelte es, als wenn ein ganzes Ballett anwesend wäre. Wieder hatte sie den dringenden Wunsch dass Bruce sie sehen, hören und berühren würde. Das war es was sie benötigte: Ein schöner und edel gekleideter Mann, der seinen Arm um ihr schlanke, stählerne Taille legen würde! Wie sehr sehnte sie sich danach!
Aber zuerst musste sie ihn finden. Als sie die obere Etage erreicht hatte, blieb sie vor einem großen staubigen Fenster stehen, um sich in der Spiegelung zu bewundern. Dann drehte sie sich um und ging so schnell wie möglich zum Büro. Die Tür war halb geöffnet, und Kristin blieb draußen stehen. Sie lauschte und fragte sich ob er sie hat kommen hören. Sie hörte allerdings nur die Lüftergeräusche der Computer. Trotz des leisen Knarrens ihres Korsetts hörte sie ein weiteres Geräusch: das Klicken einer PC- Maus. Bruce war also beschäftigt. Aber kein Computer dieser Welt könnte gegen eine reale Schönheit konkurrieren. Sie reckte Kopf und Oberkörper so gut wie sie konnte. Das S-Line- Korsett gab ihr sowieso die Körperhaltung vor. Sie trat ganz langsam ein.
Diesmal hatte sie ein Publikum, und sie bekam den Empfang den sie wollte.
„Liebling? Ich habe dich kaum erkannt! Du siehst unglaublich aus! Komm her und gib mir einen Kuss.“
Kristin lächelte stolz und raschelte ins Büro, hinüber zu Bruce Arbeitsplatz. Sie legte ihre Hand auf seine Schulter. „Ich kann nicht, fürchte ich. Ich kann mich nicht in diesem Korsett beugen.“
Das brauchte sie nicht zweimal sagen. Er sprang auf und küsste sie leidenschaftlich. Dann nahm er Abstand. „Jetzt lass’ mich dich einmal ansehen. Herrlich, als wenn es für dich gemacht wurde! Das hast du auf dem Dachboden gefunden? Es ist ein perfektes Kostüm!“
„Nicht wirklich perfekt“, lachte Kristin, und zeigte ihm dass die Jacke nicht an der Taille zugeknöpft werden konnte. „Sie muss ein wenig enger geschnürt gewesen sein um dieses Kostüm tragen zu können. Aber für den Anfang muss es reichen. Jedenfalls kannst du jetzt sehen was ich meine. Es wäre eine Schande diese edlen Kleidungsstücke auf dem Dachboden verrotten zu lassen. Ich könnte mir vorstellen ein oder zwei jener Kostüme zu besonderen Anlässen zu tragen, vielleicht sogar alles von jener Garderobe! Da oben wartet noch viel mehr darauf von mir getragen zu werden, falls ich es schaffe eng geschnürt zu sein.“
Sie legte ihre Hände auf ihre schmale Taille und lächelte.
„Schön, wenn du Hilfe brauchst, bin ich sofort zur Stelle und...“
„Ich bin sehr erfreut über dein Angebot, aber wir haben ja Zeit. Ich bin mir überhaupt nicht sicher, wie ich damit umgehen soll. Denn es scheint niemand zu geben, dem dies zu gefallen scheint.“
Sie bemerkte wie ein Lächeln über Bruces Gesicht lief, ignorierte es aber und fuhr fort: „Außerdem gibt es da Kleidungsstücke, für die man eine wirklich sehr schmale Taille braucht. So werden diese Kleidungsstücke wohl in Vergessenheit geraten.“
Bruces Lächeln wurde triumphierend. „Darin liegst du falsch!“
„Falsch? Worin? Falsch dass alles in Vergessenheit gerät, oder weil niemand mehr solche Kleidung trägt?“
„Beides. Schau mal.“ Er setzte sich vor dem PC und drehte den Monitor so, damit Kristin auch was sehen konnte. „Nachdem ich sah, was du trugst, als du ins Wohnzimmer gekommen bist, habe ich mich ein wenig im Internet umgeschaut. Mir ging es um eine nützliche Auskunft über Korsagen. Ich habe eine verdammt gute Seite gefunden. Er tippte die Homepage- Adresse ein und sprach dabei laut vor sich hin: "www Punkt staylace Punkt com". Auf dem Bildschirm erschien ein stilisiertes Korsett mit dem Titel „Long Island Staylace Association“.
Bruce erklärte: „Dort gibt es wahre und erfundene Geschichten, Fragen und Antworten der Besucher, medizinische Ratschläge und viele Links zu anderen, ähnlichen Seiten. Alles was du über Korsagen wissen willst, findest du dort. Setzt dich doch, und surf ein wenig herum.“
Er strahlte sie an, und Kristin sah dass er Recht hatte. Das war das fehlende Stück des Rätsels. Sie hatte keine Ahnung gehabt dass es eine Gemeinschaft von Leuten da draußen gab, die treu zu dem alten Stil stand, in einem Korsett geschnürt zu sein. Endlich wusste sie, dass sie nicht verrückt war. Allerdings konnte niemand aus der Korsettgemeinde Evangeline helfen. Das musste ihr Geheimnis bleiben, aber es gab nun Gründe genug um streng korsettiert in der Öffentlichkeit weiterzumachen. Es gab allerdings ein Problem...
„Bruce, ich habe bisher noch nicht versucht mit diesem Kostüm zu sitzen. Kannst du mir behilflich sein?“
„Natürlich.“ Er hielt ihren Arm, während sie vorsichtig versuchte sich auf den Bürostuhl zu setzen. Es ging nicht. Der Druck des langen Korsetts auf ihre Oberschenkel und dem Unterleib wuchs und wuchs, bis es unerträglich war, sodass sie sich schnell wieder hinstellen musste.
„Oh, das tut mir aber Leid, Bruce. Ich kann mich nicht setzen! Wie haben die das nur im Neunzehnten Jahrhundert gemacht?“
„Ich weiß nicht. Jemand aus dem Internet wird es wissen. In der Zwischenzeit könnte ich dir aber einen höheren Stuhl holen.“
„Gute Idee“, sagte Kristin dankbar, und blieb vor dem PC aufrecht und würdevoll stehen, während Bruce hinausstürzte um einem Holzstuhl sowie ein Bündel Kissen zu holen. Als er wieder zurückkam, stellte er den Stuhl vor dem PC und legte drei Kissen auf die Sitzfläche. Dann hielt er Kristins Hand, während sie sich vorsichtig darauf absenkte. „Das ist besser“, sagte sie. „Ich glaubte nicht dass Evangeline den ganzen Tag mit den hochhackigen Stiefeln gestanden hat.“
„Evangeline? Wer ist das?“
Ein Schnitzer! Aber keine Katastrophe. „Oh, eine alte Dame aus dem Dorf hat mir gesagt dass das Mädchen auf dem Bild so hieß. Ich bin sicher, dass die Kleidungsstücke die ich oben fand, von ihr stammen. Erinnerst du dich?“
„Ja, du hattest mir da was gesagt... Also, dort ist die Tastatur und da ist die Maus. Du brauchst nur eine Frage eingeben, und schon bekommst du jede Menge Antworten.“
Kristin hatte viele Fragen. Es war sehr schön als auch aufschlussreich. Sie saß über eine Stunde vor dem Monitor, bis ihre Augen brannten. Kristin hatte völlig den engen Kragen und das Korsett vergessen. Ein Stapel mit Notizen hatte sich neben ihr angehäuft. Darunter waren viele gute Ratschläge von Leuten, die wussten worüber sie redeten, weil sie es probiert hatten. Das Wichtigste, was sie gelernt hatte war dass das, was sie tun wollte auch möglich war, schwierig zwar, aber möglich. Da waren Berichte von Frauen welche innerhalb eines Jahres ihre Taillen immer schmaler geschnürt hatten. Kristins Ziel von 58 auf 35 Zentimeter zu gelangen würde grausam und hart werden, aber sie konnte es kaum noch erwarten. Sie könnte es tun, sie musste es für Evangelines seelischem Frieden tun.
Schließlich gähnte sie und versuchte wie gewohnt den Stuhl vom Computertisch weg zu schieben, fiel dabei aber fast nach hinten, da der Stuhl ja keine Rollen hatte. Bruce fing sie auf bevor es eine Katastrophe gab, und half ihr aufzustehen.
„So“, sagte er, „das war bestimmt anstrengend, oder?“
„Das ist eine starke Untertreibung“, sagte Kristin, und seufzte leise. Sie war erschöpft, aber glücklich. „Bruce, das mag jetzt wie eine komische Frage klingen, aber würde es dir was ausmachen wenn ich für einen längeren Zeitraum in dieser Art gekleidet bleibe?“
„Mir was ausmachen? Warum sollte ich was dagegen haben? Deine Frage klingt fast so, als wenn du von mir etwas Unmögliches erwarten würdest!“
„Ich liebe dich so wie du bist, Liebling“, sagte Kristin und umarmte ihn.
„Deine Idee ist wirklich sehr schön, und du weißt wie ich darüber denke. Ich bin der Meinung dass du jetzt schöner als je zuvor aussiehst. Du brauchst dir also meinetwegen keine Sorgen machen. Was mich allerdings eine kleines wenig beunruhigt, ist das was andere Leute darüber denken werden.“
„Das ist doch nicht so wichtig, oder? In London wäre das natürlich ganz anders, aber hier draußen bin ich nur eine ganz gewöhnliche Person am anderen Ende des Telefons oder einer E-Mail. Ich könnte die Anfragen der Leute nackt oder gar grün angestrichen beantworten, sie würden es nicht wissen. Mir gefällt es so gekleidet zu sein, und es ist mir auch egal was die Dorfbewohner sagen. Sie alle glauben sowieso dass wir verrückt sind, weil wir in deren Augen immer noch die ‚Städter’ sind.“
„Wenn du glücklich bist, dann bin auch ich glücklich. Aber was ist mit unseren Freunden? Sie werden uns besuchen, und dann wirst du dich umziehen müssen, sonst denken sie noch dass wir verrückt geworden sind. Allerdings... wenn du dein Korsett ablegst, ist das ganze Training vergebens.“
„Hmm.“ Das war ein wichtiges Argument. Darüber musste sie nachdenken. Kristin schritt zum Fenster hinüber und starrte hinaus auf den Obstgarten. Nach reiflicher Überlegung sagte sie: „Es bleibt mir nur eines übrig was ich machen kann: Ich muss es allen erzählen.“
„Du willst all unseren Freunden und Geschäftspartnern einen Brief zukommen lassen mit dem Text: ‚Hallo, ich habe begonnen mich in ein Korsett zu schnüren.’?“
„Nein, du Dummerjan! Frauen machen das viel Feinsinniger.“ Sie raschelte durch den Raum und lehnte sich an die Rückenlehne eines Stuhls an. Ihre Brüste waren ebenso stark betont nach vorne gedrückt, wie ihr Gesäß nach hinten. Die Ursache war natürlich das Korsett, welches zusätzlich ihre Taille einengte. „Wir werden eine Party veranstalten.“
„Eine Party? Wozu soll das gut sein?“
„Weil, welch brillanter Einfall, es eine Gartenparty sein wird. Eine Party unter dem Motto ‚Edwards Epoche’. Das hier ist ein Landgut aus der Zeit von König Edward, und wir werden alle Gäste bitten entsprechend verkleidet zu erscheinen. Vielleicht werden einige der Frauen wirklich im Korsett erscheinen. Was aber zählt ist die Tatsache, dass niemand über mich lästern kann. Ich werde bestimmt ein wahrlich hübsches Kleid in Evangelines Aussteuer finden. Das engste Kleid in das mich Nicky schnüren kann. Und dann werde ich allen zeigen wie wunderbar die vergangene Mode gewesen ist. Niemand wird es vergessen, und danach wird sich keiner mehr fragen warum ich so gerne auf diese Art und Weise gekleidet bin.“

Kapitel Zwölf

Nach intensiver Diskussion beschlossen sie die Gartenparty in acht Wochen steigen zu lassen. Das Hauptargument war Kristins Zwiespalt. Einerseits wollte sie gegenüber ihren Freunden und Geschäftspartnern mit ihrem neuen Outfit Eindruck schinden, als auch unangenehmen Fragen vorbeugen. Andererseits war sie aber auch scharf darauf ihren Taillenumfang bis dahin so schmal wie möglich schnüren zu können, und das kostete Zeit. Am Ende siegte die Eitelkeit über die Ungeduld, aber nur vorerst. Kristin hatte sich sehr viel vorgenommen. Sie schaffte es innerhalb von nur zwei Tagen ihren Taillenumfang bis auf 45 Zentimeter zu reduzieren. Das gelang aber nur weil Nicky und Bruce ständig unter großen Anstrengungen ihr Korsett enger und enger schnürten, begleitet von vielen Ohnmachtsanfällen. Aber schließlich schafften sie das von Kristin festgelegte Ziel. Kristin kam mit dem neuen Taillenumfang ganz gut klar. Nur so hatte sie Zugang zu fast einem Viertel von Evangelines Aussteuer. Die hübschesten Kleider erforderten allerdings viel schmalere Taillen von 42, 40 oder gar 38 Zentimeter, bis hin zum wunderbaren Hochzeitskleid mit einem unglaublichen Taillenumfang von 35 Zentimeter. Aber 45 Zentimeter war ein guter Anfang. Die Taille war schmal genug. Niemand könnte Zweifel daran haben dass sie ein Korsett trug.
Kristin entdeckte ein wirklich kostspieliges Sommer- Nachmittags- Kleid, mit einem Taillenumfang von 45 Zentimeter. Alles wurde vorbereitet. Nicky musste ihr beim Einkleiden behilflich sein, während Bruce das Gartenfest organisierte. Als er aber das Kleid sah, bestand er darauf bei der kompletten Einkleidung mitzuwirken. Kristin war ganz froh darüber. Es war besser ihn noch mehr für ihr Vorhaben einzubinden.
Sie begannen mit ihrem Haar. Sie hatten mehrere Strähnen Echthaar in der Kiste unter der Aussteuer gefunden. Nach mehreren Versuchen als auch Misserfolgen hatten sie eine Frisur kreiert, welche mit Haarnadeln auf ihrem relativ kurzen Kopfhaar gesteckt wurde. So erweckten sie den Eindruck als wenn sie tatsächlich ihr eigenes Haar zu der klassischen Frisur im Edwardianischen Stil frisiert worden wäre. Nach kurzer Debatte beschloss Kristin doch noch Make-up zu benutzen, aber nur wenig. Sie wollte nur einen schlichten ‚Porzellanteint’ haben. Eine echte Dame jener Zeit trat nie mit ungeschützter Haut nach draußen, um zu zeigen dass sie nicht arbeiten musste wie die Landbevölkerung. Außerdem sollte ein blasser Teint Reinheit und edle Abstammung vermitteln. Kristin war natürlich leicht gebräunt und musste dies kaschieren. Bruce kleidete sie in prächtigem Leinen und Baumwolle sowie Spitzenunterkleidern. Diesmal stellten sie sich geschickter an, da sie sich im Internet schlau gemacht hatten. Sie wussten inzwischen eine Menge über die Edwardiansche Mode. Dann schnürte er ihr Korsett ziemlich schnell bis auf 52 Zentimeter herunter und sicherte die Schnur. Sie hatten gelesen, dass dies der richtige Weg war. Man sollte dem Körper Zeit geben sich an das Korsett zu gewöhnen. Wenn man sich Zeit ließ, fühlte sich die Dame hinterher wohler und neigte nicht zu Ohnmachtsanfällen. Kristin zog sich ein exquisit besticktes Teekleid an und verbrachte so den größten Teil des Vormittags mit Vorbereitungen für die Party.

Anmerkung:
Zwischen 15 und 18 Uhr gingen die Ehemänner oft aus zu einem Tee, während ihre Ehefrauen die Gastgeberin für Besucher waren, sowohl männliche als auch weibliche. Während dieses Zeitraumes gab es eine gute Chance für eine Romanze oder einen Seitensprung. In ihrem Teekleid gekleidet, einen zarten Umhang aus dünnem Chiffon oder feiner Seide, oft mit einer Fülle von Spitzen versehen, war die Gastgeberin sehr verlockend für viele Männer. Aus heutiger Sicht betrachtet kann man das Teekleid als Vorgänger des Negligees betrachten. Es verhüllte zwar die Frau bis zum Boden, doch war es vorne mehr oder weniger geöffnet. Ein weiterer Grund, warum es auch von den Frauen gerne getragen wurde: Sie trugen darunter oft kein Korsett, sondern nur ihre bodenlange, hübsche Unterwäsche. Das war ein weiterer Umstand, warum die Frauen der oberen Gesellschaftsschicht diese sinnlichen Stunden genossen. So war es kein Wunder, dass das Teekleid einerseits von ungefähr 1875 bis zum ersten Weltkrieg sehr beliebt war, aber andererseits ein Zeichen des sittlichen Verfalls galt. – Jannette-

Kristin instruierte den Partyservice. Sie hatte keine Bedenken wegen ihrer unvollständigen Kleidung, denn sie trug bereits mehr Schichten von Kleidungsstücken, als eine durchschnittliche moderne Frau. Ihr war nur wichtig, dass das Teekleid vorne geschlossen war, sodass niemand ihr Korsett zu sehen bekam. Es war nicht dass sie sich schämte, denn die S-Linie des Korsetts drückte ihr Gesäß und die Brüste unverschämt nach außen, sodass sie eine üppig erscheinende Figur hatte. Es war vielmehr so, dass die Kleidung auch ihr Denken beeinflusste. Sie war, ganz wie die Damen jener Epoche, der Meinung dass es unanständig wäre leicht bekleidet vor den Dienern und Handwerkern zu erscheinen. Niemand sollte ihr Korsett sehen können. Um elf Uhr schnürte Bruce ihren Taillenumfang auf 50 Zentimeter herunter. Danach ging sie sehr steif und anmutig zu dem hinteren Schlafzimmer um sich auf dem Bett auszuruhen. Insgeheim hoffte sie dort Evangeline zu treffen, aber das tat sie nicht. Trotzdem bekam sie schneller einen Eindruck von der vergangenen Epoche als ihr lieb war. Als es Zeit war für eine Mahlzeit, musste sie feststellen, dass sie wegen des langen S-Korsetts nicht aufstehen konnte. Nicky musste ihr beim Aufstehen behilflich sein. Die sonst so selbstverständliche Tätigkeit alleine aufzustehen blieb ihr verwehrt. Nicky hielt das alles für sehr amüsant. Kristin sah das T-Shirt des Dorf- Mädchens und den verblichenen Jeans- Minirock. Grüne Flecken bezeugten dass sie es im Gras getrieben hatte. Nicky war wahrlich nicht die Person, welche das Recht hatte ein Urteil über Kristins Kleidung zu äußern. Kristin schritt mit dem fast durchsichtigen Teekleid bekleidet nach unten und aß eine Kleinigkeit. Sie verhielt sich distanziert. Um ihren Taillenumfang auf die erforderten 45 Zentimeter zu schnüren, ging sie wieder zu dem hinteren Schlafzimmer zurück. Dort schnürte Bruce ihr Korsett Millimeterweise immer enger. Als sie fast den erwünschten Taillenumfang erreicht hatten, legten sie wieder eine Pause ein. Wieder legte sie sich hin. Sie versuchte sich auszuruhen und eine gleichmäßige Atmung zu erlangen. Das war nicht leicht, da das Korsett ihr Atemvolumen drastisch reduziert hatte. Schließlich war es Zeit für den letzten Schnürdurchgang.
Kristin öffnete das Teekleid, machte aber keinen Versuch aufzustehen. Das hatte sie bereits gelernt. Eine Minute späte kam auch schon Bruce herein. Er half ihr langsam und vorsichtig aufzustehen. Es war wichtig sich nicht seitwärts zu drehen oder zu beugen, denn diese Bewegung wäre schmerzhaft gewesen. Kristin wusste dass sie nicht gegen das Korsett ankämpfen durfte. Außerdem gab es das Risiko die Nähte zu beschädigen, oder gar zu zerreißen. Für diese Art von Bewegung war das Korsett nicht gedacht gewesen. Endlich stand sie. Kristin stellte sich auf die Zehenspitzen und hielt sich so weit oben wie möglich am Bettpfosten fest. Dann versuchte sie ihren Körper zu strecken, während Bruce an der Korsettschnur zerrte, bis er es schaffte ihre Taille auf 45 Zentimeter zu reduzieren. Kristin war völlig atemlos. Ihr Herz hämmerte wie wild. Langsam beruhigte sie sich, und Bruce half Nicky seiner Geliebten das feierliche Kleid anzulegen.
Es war ein wirklich überaus elegantes Kleid. Die neuzeitlichen Damenkleider waren dagegen nur noch minimalistische Kleidungsstücke. Höchstens ein Brautkleid konnte mit Kristins Kleid konkurrieren. Eine Braut ist der Star ihrer eigenen Schau, und deshalb muss sie alle Aufmerksamkeiten auf sich ziehen. Dass Kleid für die Gartenparty hatte die gleiche Funktion. Es strahlte eine unglaubliche Faszination aus. Selbst unter einer großen Menge elegant gekleideter Frauen stach es heraus, ohne Protzig zu wirken. Der Stoff war glänzende weiße Seide und so empfindlich, dass nur ein Wassertropfen für immer darauf zu sehen wäre. Wie Evangelines Zofe das Kleid damals säubern konnte, ohne moderne chemische Reinigungsmöglichkeiten, war für Kristin ein Rätsel. Der glatte, klare und glänzende Stoff wurde durch horizontale Zierbänder aus weißer Spitze verschönert. Die Bänder waren ungefähr 3 Zentimeter breit. Davon gab es mehrere Bänder, welche von senkrecht verlaufenden Bändern gekreuzt wurden. So entstand ein sehr schönes Muster. Das Oberteil lag sehr eng an und folgte der Form des S-Korsetts, das Bruce geschnürt hatte. Der Rock war bis zu den Hüften ebenfalls sehr eng, um sich dann allmählich nach hinten auszudehnen, wo er mit üppigen Rüschen und Spitzen besetzt war. Da das Kleid bis auf den Boden reichte, würde man es wieder aufwändig reinigen müssen. Die Ärmel waren kurz und endeten an den Ellenbogen mit reichlich gerüschten Spitzenmanschetten. Die Schultern waren bedeckt mit Seiden- und Spitzenapplikationen, als ob nicht schon genug Verzierungen vorhanden wären. Nackte Arme waren undenkbar. Kristin hatte ein Paar ellenbogenlange weiße Glace- Lederhandschuhe entdeckt und konnte sie nur mit fremder Hilfe über ihre Hände zerren. Sie fragte sich ob ihre Hände größer waren als die von Evangeline. Doch irgendwo hatte sie gelesen, dass damals die Handschuhe immer ganz eng saßen. So musste sie sich damit abfinden und durfte nicht vergessen keine Faust zu machen, sonst wären vielleicht die Nähte aufgegangen. Als das Kleid schließlich geschlossen war, kamen die letzten Teile an die Reihe: Zuerst war da ein dunkel- lilafarbener Strohhut, der auf ihre aufgesteckte Perücke gesetzt wurde. Es war der Hut aus Evangelines Garderobe, der am einfachsten gehalten war. Trotzdem war er mit vielen Kunstblumen und Zierbändern versehen. Der Mode entsprechend wurde er mit Hutnadeln gesichert. Das waren lange und stabile Nadeln, mit denen man locker einen aufdringlichen Freier erstechen konnte. Eine schmale, glänzende Satin- Schärpe, in der gleichen Farbe wie der Hut, wurde um die schmale Taille des Kleides gebunden. Bruce band hinten eine große Schleife. Kristin hielt nichts davon, denn sie kam sich vor wie ein verpacktes Weihnachtsgeschenk. Sie sagte es ihm und nach einer kurzen Diskussion hatte sie ihn überzeugt dass es besser aussehen würde, wenn er vier kleinere Schleifen binden würde. Er fügte sich ihrem Wunsch. Schließlich war da noch ein eleganter Sonnenschirm, mit einem Stab, der lang genug war den Schirm über ihrem Hut zu halten. Natürlich hatte der weiße Seidenschirm auch einen Spitzenbesatz und Zierbänder in der gleichen Farbe wie der Hut. Jeder konnte sofort erkennen dass der Sonnenschirm nur zu diesem Kleid gehörte.
Als die letzte Schleife gebunden, der letzte Knopf geschlossen, und die letzte Falte aus den engen Handschuhen herausgedrückt war, gab Kristin einen Seufzer der Erleichterung von sich. Allerdings war der Seufzer nicht sehr stark, da das Korsett und die restliche Kleidung ihr nicht mehr erlaubten. Laut raschelnd schritt sie zum Spiegel hinüber um sich darin zu bewundern. Sie legte eine Hand auf die füllig wirkenden Hüften, da das Korsett das Fleisch nach unten drückte.
„Na, Bruce? Bin ich eine perfekte Dame jener Epoche?“
Bruce betrachtete sie von oben bis unten. „Ich bin kein Fachmann auf diesem Gebiet, aber ich muss sagen... so ungefähr.“
„Nur ungefähr?“
„Das Mädchen auf dem Bild hat eine viel schmalere Taille. Wie du weißt, habe ich dir mal gesagt dass das Bild nicht der Wahrheit entspricht.“
„Und ich habe dir gesagt, dass ich genau weiß dass du falsch liegst. Ich habe sie gesehen...“ Kristin verbesserte sich schnell. „Ich habe oben auf dem Dachboden ihr Kleid gesehen, das sie für das Bild getragen hatte. Es ist in der Taille genauso schmal wie auf dem Bild. Sie war wirklich so eng geschnürt, auch wenn es schwierig für sie war, und ich werde eines Tages ebenso aussehen.“
„Was meinst du mit 'auch wenn es schwierig für sie war'? Sie sieht doch auf dem Bild ganz entspannt aus.“
„Äh, sie hätten sie bestimmt nicht gemalt wenn sie aussähe als wenn das Korsett sie töten würde. Was meinst du?“
„Nein, ich denke nicht... aber woher weißt du wie sie sich gefühlt haben mag?“
Ooops! Kristin hatte trotz ihrer anstrengenden Kleidung zu viel gesagt. Sie legte sich schnell eine alternative Geschichte zurecht. „Oh, ich hatte mit einer alten Dame aus dem Dorf geredet. Sie ist die Enkelin der Zofe von jenem Mädchen. Hatte ich das nicht schon erwähnt? Evangeline hieß das Mädchen auf dem Bild. Die alte Dame hatte mir viel über sie erzählt. Sie hatte sehr darunter gelitten als sie in jenes Kleid gezwungen wurde. Und angeblich schaffte sie nie in das Hochzeitkleid zu kommen, das ich auch oben auf dem Dachboden gefunden habe.“
„Dort oben ist ein Hochzeitkleid? Auf dem Dachboden? Ich glaube nicht dass du mir davon erzählt hast.“
Nein, das hatte sie auch nicht. Das Kleid war ein wichtiger Schlüssel um das Problem mit dem Geist zu lösen. Sie wollte nicht dass er dazwischenkam, da er es sowieso nicht verstehen würde. Vielleicht war jedoch gerade nun der richtige Zeitpunkt ihn etwas mehr einzuweihen.
„Ja, es ist ein herrliches Kleid. Ich werde dich bei Gelegenheit dort hinführen, wenn ich nicht so eng geschnürt bin. Sie hatte es nie geschafft in das Kleid zu kommen, so ist es immer noch ungetragen. Der Grund ist der Taillenumfang. Er ist einfach zu klein.“
„Wie klein?“, wollte Bruce wissen.
Kristin zuckte mit den Achseln. „Ich denke 35 Zentimeter.“
„Fünfunddreißig Zenti...! Kein Wunder das es nicht ging! Armes Mädchen, hoffentlich ist sie nicht bei dem Versuch gestorben!“
„In gewisser Hinsicht tat sie es.“
„Was?“
„Die alte Dame hatte mir es erzählt. Sie schnürten sie zwar nicht zu Tode, aber sie verstarb bald darauf... Pass auf. Ich werde dir ein anderes Mal davon erzählen. Unsere Gäste treffen bald ein, und wir sind der perfekte Gastgeber. Wir können sie nicht alleine lassen.“

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