Eine Glühbirne leuchtete auf. Sie war mit Staub und Spinnweben überzogen und
nicht sehr hell. Der diffuse Lichtschein verteilte mehr störende Schatten als
Helligkeit auf dem Dachboden. Ein Kind hätte sich gefürchtet, besonders wenn es
wüsste dass es in dem Haus spukte. Aber Kristin schritt selbstsicher durch die
Tür. Die hohen Absätze ihrer Stiefel klopften laut auf dem Bretterboden. Sie
wusste dass das Gespenst des Landgutes vollkommen harmlos war, und außerdem war
sie sich absolut sicher, dass Evangeline niemals in ihrem Leben auf dem
Dachboden gewesen war. So konnte ihr Geist nicht plötzlich bei ihr auftauchen.
Bruce brauchte keinen Wegweiser zu den Kleidungsstücken. Das wunderschöne
Brautkleid stand geradeaus vor ihnen wie ein weißer Seiden- ‚Zinnsoldat’. Auf
dem Dachboden stand zu viel herum, als das er sich an Kristin vorbeidrängen
konnte. Also schob er sie etwas schneller vor sich her, um zur Schneiderpuppe zu
gelangen. Vorsichtig befühlte er das Kleid. Es war nicht zu übersehen, dass er
wie gebannt davor stand.
„Entschuldige mich“, sagte Kristin, als sie glaubte dass er genug gesehen hatte.
Er schaute sie fragend an. „Komm bitte mal hier her.“ Sie öffnete eine Tür des
großen Kleiderschranks. „Hier sind die meisten Kleidungsstücke aufbewahrt. Dort
siehst du eine Lücke, denn dort hingen die Sachen, welche ich auf der
Gartenparty trug und teilweise jetzt noch trage. Ich denke dass die meisten
Sachen noch nie getragen wurden, außer dieses Kleid.“ Sie zog einen Ärmel
heraus. „Das ist das Kleid, welches sie für das Bild getragen hat, das große in
der Halle. Erkennst du es?“
„Natürlich!“
„Dachte ich mir. Also, die Taillenumfänge beginnen bei 48 Zentimeter und hören
bei 38 Zentimeter auf, jedenfalls in diesem Schrank. Ich habe die meisten
Kleidungsstücke mit einem Taillenumfang von 45 Zentimeter herausgenommen und
nach unten gebracht, um sie selber zu tragen. Es sind alles wunderbare Kleider.
Mit Ausnahme der Taille scheinen sie mir alle zu passen. Ich bin zwar Evangeline
nicht sehr ähnlich, und wir sind auch nicht ihre lang- verschollenen Verwandten,
aber ich habe eine ähnliche Vorliebe und einen ähnlichen Körperbau, wenn man von
dem Korsetttraining absieht welches sie hatte. Ich denke, es ist wie mit einer
Freundin, der es nichts ausmacht dass man sich ein Teil ihrer Garderobe
ausleiht, weil sie es sowieso nie tragen würde.“
Bruce ließ eine Hand sanft über die Kleider fahren. Er befühlte die Stoffe, das
zarte Muster der Spitzen, die weiche Seide, das glatte Satin, die kräftige Wolle
eines moosgrünen und dunkelblauen Reisekostüms mit einer Taille, die höchstens
40 Zentimeter weit war. „Es ist ein Glücksfall, da dir die Sachen gefallen“,
sagte er, „und es ist auch ein Glücksfall für mich. Ich hätte dir niemals
vorgeschlagen diese Sachen für mich anzuprobieren. Ich hatte immer geglaubt,
dass eine Frau erst dann sexy ist, wenn sie so gut wie nichts trägt. Aber als
ich dich in dem Partykleid gesehen habe, hätte ich dich am Liebsten auf der
Stelle vernascht!“
Kristin drehte sich um ihre eigene Achse. Dabei hielt sie ihre Hände an der
Taille. Sie demonstrierte ihm das stabile Korsett unter dem fast durchsichtigen
Teekleid.
„So machen es doch die Modells, oder?“, sagte sie lachend.
„Ja... aber dennoch ist es anders. Du und dieses Korsett scheinen zueinander zu
gehören und... niemand sonst.“ Bruce wurde ganz still und ging von dem
Kleiderschrank zu der Schneiderpuppe mit dem Brautkleid hinüber. Er legte eine
Hand auf sie zerbrechlich wirkende Taille. Dann drehte er sich so, als wenn er
einen Walzer tanzen wollte. Ohne Kristin anzusehen, fragte er: „Wie denkst du
über die Ehe? Ich meine als kurze Zusammenfassung.“
Kristin zuckte mit den Achseln. „Ich weiß nicht. Ich hatte niemals gedacht dass
sie notwendig wäre, aber jetzt glaube ich dass sie auf diese Art und Weise sehr
schön sein könnte. Sie bedeutet mir Hingabe, Vertrauen, Verpflichtung...“
„Ja... Dieses Mädchen, Evangeline, sie hatte eine Verpflichtung, oder? Sie
arbeitete hart daran dies anziehen zu können!“
Kristin schüttelte ihren Kopf und blickte ihn mit traurigen Augen an. „Ja, sie
hat hart darum gekämpft, aber... sie hatte es nicht geschafft.“
„Was war geschehen? Du hast etwas im Dorf erfahren, ich weiß das.“
„Nicht heute Abend, Bruce. Ein anders Mal. Es ist eine traurige Geschichte.“
„In Ordnung. Aber sie hatte es versucht, sie tat es und hatte fast Erfolg
gehabt.“
Kristin nickte. „Aber dieses Kleid... Ich habe einiges im Internet gelesen... 35
Zentimeter sind Meilenweit von 45 Zentimeter entfernt. Letzteres war mein
Taillenumfang bei der Gartenparty. Sie hatte den Bogen überspannt, könnte man
sagen. Ob sie nicht wusste dass sie sich zuviel zugemutet hatte?“
„Hmm, ich denke du wirst es irgendwann herausfinden.“
Sie seufzte. „Man drängte sie, Bruce. Ihr Verlobter hatte 35 Zentimeter
gefordert und gesagt dass er sie nicht heiraten würde, wenn sie sich nicht so
eng schnüren würde.“
„Sie hätte ihn rauswerfen sollen!“
„Damals taten die Mädchen so etwas nicht. Ganz besonders nicht der Land- Adel.
Und es war nicht ihre Entscheidung. Das Anwesen war hoch verschuldet, und ihr
Vater musste sie mit dem Sohn einer reichen Familie verheiraten. Das war damals
so üblich, denn gleichzeitig bekam die andere Familie, gegen einen hohen
Geldbetrag natürlich, den Adelstitel verliehen. So versuchte ihr Vater das
Landgut zu halten. Die Eltern des Zukünftigen waren scharf darauf, und der Baron
glaubte, dass dies der einzige Weg war, das Anwesen zu behalten. Er überzeugte
Evangeline seinem Wunsch Folge zu leisten, aber der Sohn der anderen Familie war
sich seiner nicht sicher. So kam er auf die Idee mit der engen Taille. Sie tat
ihr Bestes, das arme Mädchen, und man versuchte jeden Trick. Das Mädchen wurde
24 Stunden am Tag in die engsten Korsetts geschnürt, also viel härter als ich es
tat, viel härter. Zusätzlich haben sie das Mädchen auf Diät gesetzt, das nehme
ich jedenfalls an.“
„Und das alles hast du in dem Dorf herausgefunden...“
„Ja, Frau Bowyer sagte es mir. Sie ist die Enkelin der Frau, die Evangelines
Kindermädchen und spätere Zofe war. Es war eine große Tragödie und sie erinnert
sich an alles, was die alte Dame ihr... Jedenfalls befand sich die arme
Evangeline in einer bedauerlichen Lage am Tag ihrer Hochzeit. Sie wurde, während
sie geschnürt wurde, so stark ohnmächtig, dass sie nicht wieder zu sich kam. Der
Doktor kam und sagte dass sie sofort das Korsett ablegen und sich im Bett davon
erholen müsste. Man wollte die Hochzeit verschieben, aber der Bräutigam
verzichtete und löste die Verlobung auf. Das arme Mädchen fiel in Depression. So
ähnlich wurde es in Romanen jener Zeit beschrieben. Doch das alles war wirklich
geschehen. Sie wurde depressiv, denn sie glaubte dass sie ihren Vater im Stich
gelassen hatte und verfluchte das Anwesen. Sie gab sich die Schuld an Allem, da
sie es nicht geschafft hatte sich eng genug schnüren zu lassen. So verlor sie
ihren ganzen Lebensmut. Schließlich verstarb sie.“ Kirstin seufzte und legte
eine Hand auf ihr Korsett. „Das ist der Grund warum alles hier oben verstaut
ist. Das hört sich jetzt sehr traurig an. Ich wollte aber den Sachen wieder
Leben einhauchen. All diese hübschen Sachen, welche für sie gemacht wurden... In
alten Schriften über das Anwesen stand dass Sir Nimrod, ihr Vater, sich
angeblich das Geld für ihre herrliche Aussteuer geliehen hatte und es nach der
Hochzeit wieder zurückzahlen wollte. Als die Hochzeit nicht zustande kam, musste
er das Anwesen teilweise verkaufen, um die Schulden begleichen zu können. Und
das war der Anfang vom Ende für das Landgut. Nur noch dieses Haus blieb in
seinem Besitz. Da er keine Ländereien, und somit kein Einkommen mehr hatte,
konnte er auch nicht mehr im gewohnten Stil weiterleben. Die laufenden Kosten
waren einfach zu hoch. So sollte auch dieses Haus verkauft werden, aber es fand
sich weder ein Mieter noch Käufer. Alles blieb unverändert. Wir sind die ersten,
die es aus seinem Dornröschenschlaf erwecken.“
Es entstand eine nachdenkliche Stille.
„Aber da steckt noch mehr dahinter“, sagte Bruce mit zärtlicher Stimme. „Ich
habe die Art und Weise bemerkt, wie du das Bild angeschaut hast. Du hast ein
gewisses Mitgefühl für Evangeline bekommen. Gib es ruhig zu.“
„Es ist wahr“, sagte Kristin. „Ich möchte aber nicht darüber reden. Nur... Ich
will mich nicht in Details verlieren, aber ich habe so ein Gefühl als wenn sie
immer noch unglücklich ist. So, wie wenn man Alpträume bekommt weil einem ein
Problem belastet. Ich will ihr helfen zur Ruhe zu kommen.“
„Und du fühlst dass du ihr helfen kannst... indem du ihre Kleidungsstücke hervor
holst und trägst?“
„Ja. Wenn du glaubst dass ich ihr nicht helfen kann, dann akzeptiere wenigstens
dass es mir hilft. Ich wurde bald verrückt von dem nächtlichen Lärm, wie du dich
erinnerst.“
Sein besorgtes Gesicht zeigte ihr dass er ihr zustimmte. Sie fuhr fort: „Seitdem
ich damit begonnen habe die Kleidungsstücke zu tragen ist es besser geworden. Es
ist sogar viel besser geworden. Aber ich glaube nicht, dass sie vollständig zur
Ruhe gekommen ist. Ich glaube, sie sucht jemand der ihr heftiges Hochzeitkorsett
unter dem Brautkleid trägt und damit in der Kirche heiratet. Dann erst wird ihre
Seele Ruhe finden.“
Bruce ging auf dem Dachboden auf und ab. Er musste nachdenken. Dann kam er zu
Kristin zurück und legte eine Hand auf die schmale Taille des schönen
Hochzeitkleids. „Du sagst... Glaubst du dass du dieses Kleid tragen kannst? Wäre
das möglich?“
„Wenn ich es lange genug versuchen würde und den richtigen Ansporn dafür hätte.“
Bruce lachte. „Ich weiß nichts über deinem Ansporn, aber ich weiß einen sehr
guten Grund. Eine Braut mit einem Taillenumfang von 35 Zentimeter wäre ein
verdammt guter Grund vor dem Altar zu treten! Wie lange glaubst du würdest du
dafür brauchen?“
„Monate. Garantiert. Schicke bitte unsere Einladungen noch nicht raus.“
Sie lachten.
„Nein, noch nicht, aber ganz bestimmt irgendwann.“
Nicky hielt das ‚Dr. Hassenpflugs Anatomisches Korsett’ hoch und schaute es
ungläubig an. „Sie erwarten nicht dass ich ihnen glaube sie würden da hinein
passen?“
„Ich glaube dass es möglich ist“, sagte Kristin. Innerlich hoffte sie dass ihre
Stimme selbstsicherer anhörte als sie es in Wahrheit war.
„Eher würde ich im Lotto gewinnen, und zwar viel. Das...“, sie legte ihre Hände
um die Taille des alten Hochzeitskorsetts, „...ist unmöglich.“
„Ich kann es schaffen, wenn ich lang genug hart dafür trainiere. Ehrlich“,
konterte Kristin.
Nicky trug das Korsett zum Bett und lehnte es am Kopfende an. Es war so steif
wegen der vielen Korsettstäbe, dass es von alleine stehen blieb und nicht die
Form verlor, für die es bestimmt war. „Das gehört dem Mädchen auf dem großen
Bild, das tut es doch?“
„Du meinst das Bild in der Halle? Ja.“
„Dachte ich mir. Es sieht fast neu aus. Hat sie es nie getragen?“
„Sie versuchte, schaffte es aber nicht...“
Nicky versuchte es zu verstehen. „Das begreife ich nicht. Was macht sie so
sicher dass sie es schaffen, wenn das Mädchen es schon nicht konnte?“
Kristin verlor ihre Geduld. „Das ist nicht dein Problem, junge Dame! Ich bitte
nicht um deinen Rat, ich bitte um deine Hilfe! Zwei starke Arme an meine
Korsettschnur, mehr brauchst du nicht zu tun. Jedenfalls“, fügte sie hinzu, als
sie sich wieder beherrschen konnte, „werde ich das Hochzeitskorsett nicht sofort
anlegen. Zuerst sind da jede Menge Trainingskorsetts, welche ich der Reihe nach
tragen werde, bevor ich das Hochzeitskorsett anlegen kann.“ Für einen kurzen
Moment wurde sie ganz still. Sie wartete, ob eine Bemerkung folgen würde. Da
keine zu erwarten war, sprach sie: „Also, da du keine weiteren Einwände hast,
würde ich vorschlagen dass du dich hinter mich stellst und anfängst zu ziehen.“
Und so geschah es: Während der nächsten Minuten, unterbrochen von kleineren
Verschnaufpausen, schrumpfte Kristins Taille immer weiter zusammen, bis sie fast
den Taillenumfang von 43 Zentimeter erreichte. Als es soweit war, schwankte sie,
mit einem leichten Schwindelgefühl, unsicher zum Spiegel hinüber, um beruhigt
festzustellen dass ihr Vorhaben eine gute Idee war. Ja, sie sah wunderbar aus.
Eine echte 43-Zentimeter- Taille war eine Mischung aus Schönheit und
Verblüffung. Die Schauspielerin Vivien Leigh hatte in dem Film ‚Vom Winde
verweht’ lange nicht diesen Taillenumfang gehabt! So hätte Scarlett O'Hara
aussehen sollen! Ach nein, nicht ganz. Kristin erinnerte sich. Aufgrund ihrer
Internet-Studien war sie eine ‚Fachfrau’ punkto Korsagen geworden und so wusste
sie, dass Scarlett ein kurzes Taillen-Miederkorsett trug. Dieses Korsett reichte
bis knapp unter die Brüste, während ihr Korsett, ein S-Korsett, sehr lang war
und bis unten... ‚So, ich fühle mich schon viel besser’, dachte sie sich. ‚Es
ist ein seltsames Gefühl: Wunderbar und schrecklich zugleich, einschränkend und
erregend.’
Das lange Trainingskorsett, viel länger als die üblichen Tageskorsetts, machte
es ihr ziemlich schwierig normal gehen zu können. Wenn sie versuchte sich nach
vorne zu beugen, hatte sie das Gefühl, dass jeden Moment entweder das Korsett
oder sie in zwei Teile brechen würde. Aber das konnte ihren persönlichen Erfolg
nicht schmälern. Sie befand sich immer noch vor dem Spiegel, aufrecht und bei
klarem Bewusstsein, mit einer Taille, welche 15 Zentimeter schmaler geworden war
seit dem Tag, als sie und Bruce in das Haus eingezogen waren. Keine Diät hatte
es vorher vollbringen können. Sie wollte ihren neuen Taillenumfang bewahren.
Noch weniger konnte sie auch nicht ertragen. Sie musste unbedingt Bruce sehen.
„Komm schon, Nicky“, sagte sie. „Das Kleid dort drüben hat den passenden
Taillenumfang! Worauf wartest du! Kleide mich ein!“
Die folgenden Monate waren erfüllt mit sehr, sehr anstrengenden Bemühungen.
Kristin trieb sich ohne Unterlass voran, um den Tod der armen Evangeline zu
rächen. Sie hatte das Gespenst seit langer Zeit, zuletzt trafen sie sich auf der
Gartenparty, nicht mehr gesehen. Doch in Gedanken war sie so etwas wie eine
Freundin geworden. Kristin hatte kein Beweis dafür, ob sie dem Gespenst
überhaupt behilflich sein würde, wenn sie in Evangelines Brautkleid heiraten
würde. Aber sie musste es tun. Gleichzeitig arbeitete sie intensiv, zusammen mit
Bruce, daran ihre eigene Firma voran zu bringen. Mit jedem Tag wurde es ihr
klarer, dass extreme Taillenschnürung nicht mit einer normalen beruflichen
Tätigkeit in Einklang zu bringen war. Da sie aber für ihre Kunden nur eine
Telefonstimme oder Internet- Geschäftspartnerin war, konnte sie ihr Vorhaben gut
voran bringen. Jedoch manchmal, wenn sie es übertrieb, oder wenn Nicky sie zu
ärgern versuchte, indem sie das Korsett einen Tick enger als gewünscht schnürte,
hatte sie Mühe sich auf das Geschäft zu konzentrieren. Aber das kam zum Glück
sehr selten vor. Im Allgemeinen war es aber so: Je schmaler ihre Taille wurde,
und ihre Figur dadurch immer schöner, machte ihr der Job umso mehr Spaß. Sie
musste lernen diszipliniert zu leben. Je besser sie das Unbehagen wegen der
Beschränkung durch das Korsett verdrängte, desto leichter fiel ihr der Alltag.
Ja, es bereitete ihr sogar ein gewisses Vergnügen und half ihr bei fundamentalen
Problemen. Sie schaffte es sich so stark zu konzentrieren, dass sie nicht
ohnmächtig wurde, wenn sie wieder einen neuen persönlichen Rekord bei ihrer
Taillenreduzierung erreicht hatte. Diese eiserne Disziplin half ihr sich noch
besser auf ihre Arbeit zu konzentrieren, sei es neue Programme zu schreiben oder
erfolgreich mit Aktien zu handeln. Als sie das Bruce gegenüber erwähnte, sagte
er amüsiert: „Ich denke dein Korsett ist jetzt so eng geschnürt, dass es die
Blutzufuhr zu den unteren Körperregionen reduziert und dein Gehirn besser als je
zuvor durchblutete ist.“
„Das hört sich aber nach großen Blödsinn an“, sagte Kristin. Sie trug ein
Trainingskorsett, welches ihre Taille bis auf 39 Zentimeter reduzierte. Sie
konnte nicht mehr bequem sitzen. Eigentlich konnte sie gar nicht mehr sitzen. So
hatten sie ihren Computerarbeitsplatz so umgestaltet, dass sie im Stehen daran
arbeiten konnte.
„Ein bisschen stimmt es aber schon. Hast du schon mal von den Problemen der
Kampfjetflieger gehört?“
„Nein, ich interessiere mich nicht für diese Sachen.“
„Dann höre bitte zu, du könntest noch etwas lernen.“ Er lächelte und legte einen
Arm um ihre schmale Taille, während sie auf der PC- Tastatur herum tippte. Sie
hörte ihm mit einem Ohr zu, während sie versuchte ein Aktiengeschäft über die
Bühne zu kriegen.
„Wenn die Piloten steil nach oben oder einen Looping fliegen, steigt die
Zentrifugalkraft bis zum Neunfachen der normalen Erdanziehungskraft an. Wenn das
geschieht, sackte das Blut in ihren Körpern nach unten, das Gehirn wird
unterversorgt, und sie werden ohnmächtig. Weißt du was man dagegen unternimmt?“
„Den Kopf zwischen die Beine stecken?“, sagte Kristin ohne vom Bildschirm
aufzublicken.
„Wie sollte man das denn tun, wenn man in einen Schleudersitz festgeschnallt
ist? Die Piloten müssen doch auf die Instrumente und aus dem Fenster sehen
können. Nein, sie tragen einen speziellen 'G-Anzug', der sie davor schützt. Es
gibt Luftkammern in den Hosenbeinen und eine spezielle Luftkammer an der Taille.
Und wenn die G-Kraft ansteigt, wird entsprechend viel Luft in die Kammern
gepresst. Der so entstandene Gegendruck hält das Blut davon ab verstärkt in die
unteren Körperregionen zu fließen. So werden sie nicht ohnmächtig, selbst wenn
sie bis zu 9 G aushalten müssen.“
„Und was hat das jetzt mit mir zu tun?“, fragte Kristin, während sie immer noch
auf den Bildschirm schaute.
„Du hast mir nicht richtig zugehört. Habe ich Recht?“ Er umarmt sie ganz fest,
doch sie merkte kaum etwas davon unter dem unglaublich strammen Korsett. Bruce
hatte das Gefühl einen Baumstamm zu umarmen, so hart fühlte sich ihre steife und
schmale Taille an.
„Auf deine Taille könnte kaum ein größerer Druck ausgeübt werden als jetzt. Ich
wette du würdest 12 G mit diesem Korsett aushalten ohne es überhaupt zu
bemerken.“
„Dann bin ich also jetzt eine Kampfpilotin, oder? Ich denke dass ich besser
Finanzmaklerin bleibe, aber vielen Dank.“
Bruce lachte. „Ich hatte nicht vor deine berufliche Zukunft zu verändern, das
war nur so ein Gedankenspiel. Die haben bei der Royal Air Force bestimmt noch
nie an Korsetts gedacht. Was meinst du?“
Kristin schüttelte ihren Kopf und lächelte.
„So, mein Liebling. Ich wollte nur erwähnen was sich hinter so mancher Tatsache
verstecken kann. Dennoch besteht die Möglichkeit dass dein Korsett die
Durchblutung deines Gehirns verbessert. Ich denke dass du Recht hast... Du
arbeitest besser und schneller seit dem du begonnen hast ein Korsett zu tragen.“
„Natürlich“, sagte Kristin, und schaute zum ersten Mal hoch. „Das kommt auch
daher, weil es mir ein Vergnügen bereitet.“
„Ich bin froh das zu hören“, sagte Bruce und ging hinaus.
Das Korsetttraining ging weiter. An jenem Tag, an dem Kristin eine Stunde lang einen Taillenumfang von 38 Zentimeter ertrug, bestand sie darauf ihren Erfolg mit einer Flasche Champagner zu feiern. Allerdings bekam sie einen fürchterlichen Schluckauf. Als es nicht besser wurde, musste ihr Korsett gelockert werde. Den restlichen Tag war sie vollkommen verstimmt. Sie hasste es dass ihr Taillenumfang wieder größer gemacht werden musste, denn das bedeutete, dass sie sehr viel Zeit verlor. Der Kampf wieder den bereits erreichten Taillenumfang zu bekommen, war umso härter. Sie machte sich Vorwürfe über diesen Fehler. Allerdings hätte sie es sich denken können. Da sie keine weiteren Fehler begehen wollte, beschloss sie der alten Frau Bowyer einen weiteren Besuch abzustatten, um von ihr Ratschläge einzuholen.
„Oh ja“, sagte die alte Dame, „ich erinnere mich dass meine Großmutter
darüber gesprochen hatte. Sie glauben ja gar nicht wie viele Verhaltensregeln
der jungen Evangeline auferlegt wurden!“ Sie lachte. Dann fragte sie ganz
sachlich: „Sie versuchen wirklich in jenes ungeheure Korsett von ihr zu kommen,
wirklich?“
„Das will ich.“
„Nur um zu helfen damit sie ihren Seelenfrieden bekommt?“
„Ja... äh, fast. Ich mache es auch für mich selber... Sie glauben ja gar nicht
wie viel Aufmerksamkeit mir Bruce schenkt, seitdem ich anfing mich in ein
Korsett zu schnüren!“
„Das überrascht mich gar nicht. Sie sind das Gesprächsthema des Dorfes. Sie
müssen aber auch wissen, dass einige sie für verrückt halten. Allerdings schauen
ihnen alle Männer hinterher, wenn sie auf den Straßen in einem jener wunderbaren
alten Kleider entlang schreiten. Sie würden sie aber noch verrückter machen,
wenn sie die Tricks meiner Großmutter wüssten.“
„Sagen sie es mir!“
Also tat sie es, und Kristin lernte! Eifrig schrieb sie so viel sie konnte auf.
Zu Hause, auf dem Anwesen, studierte sie noch einmal ihre Notizen. Sie lernte
wie man übertrieben stark mit den Hüften schwingen konnte, sodass sich die
steifen und engen Röcke noch mehr bewegten, und somit noch lauter rauschten.
Frau Bowyer hatte ihr auch gesagt dass die Röcke nicht eng genug an ihrem Körper
anlagen. Sie hatte Kristin erklärt: „Ich erkenne dass sie an den Hüften und dem
Gesäß schmaler sind als Evangeline es war. Das liegt ohne Zweifel daran, dass
sie noch nicht so lange ein Korsett tragen. Evangeline hatte viel vollere Hüften
als sie, und ein stärkeres Gesäß. Meine Oma sagte immer, dass Evangelines Röcke
aussahen, als wenn jeden Moment die Nähte aufplatzen würden, wenn sie sich
hinsetzte. Natürlich geschah das nie, denn Evangelines Kleidung war ja genau für
solche Momente entworfen und entsprechend stabil genäht worden. Abgesehen von
dem Schlitz... Aber das wissen sie ja. Auf jeden Fall denke ich dass sie ihre
Röcke auspolstern sollten, um den Hüftschwung mehr zu betonen.“ Kristin tat wie
ihr gesagt wurde, und die Wirkung auf die Männer des Dorfs, und ganz besonders
auf Bruce, war sehr zufrieden stellend. Sie fühlte sich wie die schönste und
begehrenswerteste Frau der Welt. Sie war nicht übermäßig hübsch, dass hatte sie
immer gewusst, aber sie war sich sicher dass sie die einzige Frau in England
war, vielleicht sogar von der ganzen Welt, welche Evangelines Kleidungsstücke
tragen konnte und darin wunderschön aussah. Selbst vor nicht mehr als neunzig
Jahren wäre eine derartige Schönheit auf den Straßen dieser Gegend aufgefallen.
Dennoch: Die Jungs und Mädchen, welche heutzutage auf Bauchnabel- Piercing und
Minirock stehen, hätten auch damals sofort auf die eng geschnürten Taille und
dem bodenlangen Rock reagiert, nur unter einem anderen Gesichtspunkt.
Frau Bowyer begann sich wieder an die alten Zeiten und Erzählungen zu erinnern. Kristin besuchte sie fast jeden Tag, in der Hoffnung etwas Neues zu erfahren. So lernte sie eine Vielfalt von Regeln und Tipps und bekam hilfreiche Ratschläge. Kristin lernte wie man den Alltag viel besser mit einem sehr, sehr engen Korsett bewältigen konnte. Zum Beispiel wie und was sie essen sollte, (Am besten gar nicht, und falls überhaupt, auf keinen Fall vor dem Korsettschnüren.) wie man sich hinsetzt (langsam), wie man steht (den Rücken vollkommen gerade halten und nicht versuchen sich nach vorne zu beugen), wie man etwas vom Fußboden aufhebt (jemanden bitten es für ihr zu tun), und so weiter. Kristin hatte darüber hinaus viele Tipps und Ratschläge im Internet gefunden, Regeln welche fast in Vergessenheit geraten waren, sei es von mündlichen Überlieferungen oder aus verschollen geglaubten Notizen.
Eines Tages jedoch bekam Kristin einen wahren Schatz übereicht. Frau Bowyer
gab ihr ein vergilbtes Blatt Papier, auf dem von Hand geschrieben war: „Schnür-
Reime von Nancy Chiddom“.
Frau Bowyer erklärte, dass ihre Großmutter ein System entwickelt hatte, um
Evangeline davor zu bewahren während des Korsetttrainings Panik zu bekommen oder
gar in Ohnmacht zu fallen. Sie hatte kurze Reime und Gedichte niedergeschrieben,
auf welche sich Evangeline konzentrieren sollte und die sie während der
Schnürvorgänge aufsagen musste.
Davon sehr beeindruckt, nahm Kristin das Papier mit nach Hause und schrieb die
Verse in den PC, um sie ausdrucken zu können. Als an es an jenem Tag Zeit war
sich für das Abendessen umzuziehen, reichte sie der skeptisch dreinblickenden
Nicky ein Trainingskorsett mit einem Taillenumfang von 35 Zentimeter und befahl
ihr es bis auf 36 Zentimeter zu schnüren. Während des Schnürprozesses flüsterte
sie mit dem ihr verbliebenen Atem: „My eyes are bright, my corset’s tight, I do
not need to faint tonight.” (Sinngemäß: Mein Verstand ist klar, mein Korsett ist
eng, ich muss nicht ohnmächtig werden.) Und es half! An jenem Abend, als ihr ein
paar Mal schwindelig wurde und es in ihren Ohren anfing zu rauschen, sagte sie
in Gedanken diesen Reim auf. So schaffte sie es, sehr zur Freude von Bruce,
ganze zwei Stunden derart eng geschnürt auszuhalten. Es gab aber zwei Probleme.
Das erste Problem bestand darin dass sie nichts essen konnte. Problem Nummer
Zwei: Sie konnte sich nicht hinsetzen. Aber dennoch war es ein Fortschritt, und
sie war nicht mehr weit von ihrem festgesteckten Ziel entfernt.
Für die Nacht wurde sie von Nicky von dem Trainingskorsett befreit und ihr Nachtkorsett geschnürt. Dieses Korsett hatte einen Taillenumfang von 42 Zentimeter und war schon fast als bequem zu bezeichnen. Das war nur eines der vielen Korsagen aus der Kollektion der Firma ‚Dr. Hassenpflugs Anatomisches Korsett’, welches sie in der Kiste auf dem Dachboden gefunden hatte. Nun war es nicht mehr Fantasie, sondern harte Realität. Kristin war nur noch wenige Zentimeter von ihrem Ziel entfernt gewesen. Dem Wunsch, sich so eng wie möglich zu schnüren, um das Hochzeitskorsett tragen zu können. Anfangs hatte sie ihre Zweifel gehabt, ob es wirklich eine so gute Idee war ihre Taille derart eng zu schnüren. Aber nun wusste Kristin, dass sie es schaffen würde.
Nachdem Kristin das Nachtkorsett trug, nahm sie das enge Trainingskorsett in die Hand und öffnete die vordere Verschlussleiste. Das Korsett war sehr lang und schwer, außerdem hatte es viel mehr Haken und Ösen als ein normales Korsett. Kristin schaute sich die Innenseite des Korsetts an. Es war wirklich sehr schön und perfekt angefertigt worden. Keine störende Naht war zu sehen. Die Oberfläche war absolut glatt, damit sich nichts in ihre Haut drücken konnte, was sicherlich Höllenqualen hervorgerufen hätte. Aber da war im Taillenbereich jener dunkle Fleck, den sie schon beim ersten Mal gesehen hatte. Das kam ihr seltsam vor, weil alle anderen Kleidungsstücke so sauber... Wieder kam ihr der schrecklicher Verdacht in den Sinn dass es Blut sein könnte. Es lief ihr kalt über dem Rücken hinunter. Sie schloss schnell das Korsett, und legte es weg. Dann eilte sie zum Schlafzimmer, um sich in die starken und beschützenden Arme von Bruce zu schmiegen.