Latexdame Jannette moderne Korsettgeschichten

Das Korsett der Braut

von Stephen

Alle Rechte und weitere Nutzung beim Autor.

Übersetzung: Jannette

Kapitel Neunzehn

Kristin konzentrierte sich darauf, wie sie die immer größer werdende Steuerbelastung minimieren könnte und nicht gleichzeitig ohnmächtig zu werden, weil sie seit dem Vormittag ein Korsett mit einem Taillenumfang von 38 Zentimeter trug. Plötzlich hörte sie einen undamenhaften Ruf aus der Empfangshalle: „Miss Campbell! Da ist eine Dame, die sie sehen will!“
Kristin seufzte und ging zur Tür. Sie rief: „Wer ist es denn?“
Sie konnte Nicky zwar nicht sehen, aber dafür vernahm sie einen belustigt klingenden Unterton in der Stimme als Nicky antwortete: „Sie sagt, sie wäre ihre Mutter!“

„Oh, Gott!“, sagte Kristin, aber immer noch leise genug damit es niemand vernahm. Kristin trug ein gerüschtes Teekleid über dem Trainingskorsett, und sie wusste verdammt gut dass ihre Mutter es nicht für gut heißen würde. Mama war sowieso immer gegen ihren Lebensstil gewesen. Sie hätte gern gesehen wenn sich Kristin ihren Vorstellungen gefügt hätte. Sie hatte immer davon geträumt dass ihr Tochter einen Architekten heiraten, Kinder bekommen, diese auf eine Privatschule schicken, und ansonsten die brave Hausfrau spielen sollte. Sie war immer dagegen gewesen dass Kristin als junge Frau nach London gegangen war. Eigentlich fand sie den unkonventionellen Lebensstil ihrer Tochter nicht sehr gut. Wobei zu bemerken ist, dass das Wort ‚unkonventionell’ eines der schlimmsten Wörter ihres Vokabulars war, denn Kristins Mutter war immer darauf bedacht sich sehr vornehm zu benehmen. Kristin hatte ihr über die geplante Hochzeit erzählt, aber absichtlich nicht das vorherige Training erwähnt. Sie hatte gehofft, dass ihre Mutter erst am Hochzeitstag erscheinen würde. Und da wäre es zu spät für Vorwürfe gewesen. Nicht einmal die rechthaberischste Mutter würde einer Braut befehlen nach Hause zu gehen um sich umzuziehen. Aber nun war sie da, eine ganze Woche zu früh. So musste Kristin ihr in jenem gerüschten Teekleid und einem nicht zu übersehenden Trainingskorsett gegenüber stehen. Es half alles nichts, da musste sie durch. Sie überprüfte noch einmal ihre Frisur, eine Nachahmung der Frisuren, welche die Damen damals trugen. Bruce war in den letzten Wochen ein wahrer Experte geworden und frisierte sie besser als jeder Frisör des Landes. Kristin zupfte das gerüschte Teekleid zurecht, in der Hoffnung dass er einen Großteil ihrer dramatischen Figur verdecken würde. Dann ging sie zur Treppe.
Sie wusste verdammt gut wie beeindruckend sie aussah als sie nach unten ging. Ihr Teekleid öffnete sich vorne etwas, sodass man ihre schönen Beine sehen konnte. Natürlich war ihre schmale Taille nicht zu übersehen. Aber sie wusste auch dass ihre Mutter nicht wie jeder andere Mann oder jede andere Frau vor Erstaunen keuchen würde. Ihre Mutter würde diese außergewöhnliche Kleidung nicht tolerieren und wäre auch nicht davon beeindruckt. Als Kristin die letzte Stufe hinunter geschritten war, und mit eleganten Schritten über dem Marmorboden ging, betrachtete sie ihre Mutter. Sie trug ein perfekt sitzendes rotes Kostüm. Die Jacke hatte einen klassischen Schnitt. Dazu trug sie einen passenden knielangen, gerade geschnittenen Rock und edle Pumps mit leichtem Absatz. Sie zog ihre Augenbrauen zusammenkommen. Etwa so, als wenn sie sagen wollte: „Zieh das aus!“ Kristin musste sich geschickt anstellen, um die Situation meistern zu können.
„Hallo, Mama. Willkommen auf unserem Landgut! Warum bist du denn schon eine Woche vorher gekommen? Du weißt doch dass die Hochzeit erst am Fünfzehnten stattfindet!“ Als Kristin das gesprochen hatte, standen sie voreinander und gab ihr zur Begrüßung einen Wangenkuss.
„Ich dachte mir dass du vielleicht meine Hilfe benötigst bei der Vorbereitung. Krissie, mein Liebling, was trägst du da?“
‚Es geht schon los’, dachte Kristin und sagte: „Es ist ein Teekleid, etwa 100 Jahre alt. Ich fand ihn auf dem Dachboden. Ist er nicht hübsch?“
„Läufst du etwa den ganzen Tag so herum?“
„Wenn ich Lust darauf habe, ja. Das ist der Vorteil wenn am zu Hause arbeitet. Dann braucht man sich nicht für einen Chef oder Kunden konventionell zu kleiden.“
„Liebling, du wirst dich erkälten!“
„Nein, werde ich nicht. Das Haus hat eine Zentralheizung. Das war das Erste um das wir uns gekümmert haben, als wir hier einzogen. Wie dem auch sei, ich bin mir absolut sicher, dass ich mindestens genau so viele Kleidungsstücke trage wie du, da eine Frau entsprechend der Edwardianischen Mode sehr viel mehr Unterkleidung trug.“ Kaum hatte sie das gesprochen, wurde ihr klar dass sie einen Fehler gemacht hatte. Es gibt ein chinesisches Sprichwort, dass da lautet: „Ein Wort, dass einmal ausgesprochen wurde, kann von keinem Pferd der Welt überholt werden.“
Augenblicklich antwortete ihre Mutter: „Ja, Krissie, das weiß ich. Wie ich sehe trägst du ein Kor...“
‚Lass dir schnell was einfallen’, dachte Kristin. Und da kam ihr auch schon der rettende Gedanke. Vielleicht waren das enge Korsett, oder die Situation der Auslöser, aber sie schnitt ihrer Mutter das Wort ab, indem sie sagte: „Warte mal kurz, Mami! Hast du schon Bruce getroffen?“
„Nein, aber...“
„Dann musst du ihn jetzt sehen! Komm mit nach oben!“ Kristin drehte sich schnell um, sodass ihre Kleidung laut rauschte und dann schritt sie mit anmutiger Körperhaltung die Treppe hinauf. So laut ihr die 38 Zentimeter reduzierte Taille es zuließ, rief sie nach Bruce. Das hatte zwar nichts zu bedeuten, aber in jenem Moment reichte es aus ihrer Mutter keine Entschuldigung vortragen zu müssen warum sie eine derart einengende Kleidung trug. Auf jeden Fall schien Kristins Plan zu klappen. Bruce erschien, bevor sie die letzten Stufen der Treppe erreicht hatten. Kristin überbrachte ihn die freudige Nachricht dass ihre Mutter angekommen war, um sie zu besuchen, und dass sie natürlich den Rest des Tages gemeinsam mit ihrer Mutter verbringen müssten. Bruce war zwar sehr beschäftigt, aber er wusste auch von den Problemen die Kristin mit ihrer Mutter hatte, und so fügte er sich ohne zu Murren.
Aus Erfahrung wusste Kristin dass sie ihre Mutter beschäftigen musste, damit sie nicht an ihr herum mäkeln könnte. Während Bruce sich mit ihrer Mutter unterhielt, zog sie sich mit Nicky auf ihr Schlafzimmer zurück, um sich ein schönes Ausgehkleid anzuziehen. Der Taillenumfang wurde aber um fast einen Zentimeter gelockert. Kristin wusste dass dies nicht der geeignete Zeitpunkt war bis an ihre Grenzen zu gehen. Sie bräuchte Kraft, falls es eine Diskussion geben könnte.
Dann kam sie herunter. Kristin unterstütze Bruce als er ihrer Mutter die Geschichte des Landguts erzählte, wie es sich entwickelt hatte, und was sie alles für das Anwesen geplant hatten. Schließlich war es Teezeit. Sie tranken ihren Tee und knabberten Gebäck. Am meisten beeindruckt war Kristins Mutter jedoch von dem edlen Besteck des Anwesens und dem antiken Teeservice.
Nachdem sich Kristin den passenden Mantel und ein Halstuch umgelegt hatte, führten sie ihre Mutter hinaus zum eigenen Wagen. Es war deren Geschäfts- Limousine, der gehobenen Klasse, und somit große genug für Kristin. Sie konnte sich trotz ihres Trainingskorsetts und den engen Röcken einigermaßen bequem hinsetzen und die lange Fahrt genießen. Bruce fuhr die beiden Frauen durch die malerische Landschaft und zeigte seiner zukünftigen Schwiegermutter wie groß einst die Grafschaft gewesen war, und wie viele Bauernhöfe, Felder, Wälder und Weiden einst nötig waren um das Landgut zu finanzieren. Er erzählte aber auch von den vielen Problemen mit dem Denkmalschutz, und wie sehr die Auflagen die Erhaltung der Gebäude verteuerten. Als die Abendsonne anfing zu glühen, kehrten sie wieder heim.
Es war Zeit sich für das Abendessen umzuziehen.
Frau Campbell, Kristins Mutter, hatte natürlich kein passendes Kleid für das Abendessen mitgebracht. Woher sollte sie auch wissen, dass Bruce und Kristin in Harmonie mit dem ehrwürdigen Anwesen lebten? Bruce beeilte sich nach oben zu gehen, und kämpfte im gemeinsamen Schlafzimmer mit dem gestärkten Hemd, dem steifen Kragen, der schwarzen Schleife (Vorläufer der Krawatte) und der engen Weste, während Kristin einen Knicks machte und sich ebenfalls von ihrer Mutter für kurze Zeit verabschiedete. Sie rauschte so schnell es ging die Treppe hinauf, dabei fing sie rasch an zu keuchen. Kristin wusste, dass Nicky in dem hinteren Schlafzimmer, wo sie all ihre Korsagen aufbewahrte, mit einem Rüschenseidenkleid auf sie wartete. Das Kleid benötigte allerdings von der Trägerin einen Taillenumfang von 36 Zentimeter. Dieses Mal war Kristin aber fest entschlossen sich trotz der schmalen Taille hinzusetzen und ein wenig zu essen. Jedenfalls wollte sie es, allein schon deshalb, um nicht die Köchin zu beleidigen. Kristin wusste dass es sich für die Dame des Hauses nicht gehörte ein Gericht unberührt zur Küche zurückgehen zu lassen. Sie wollte nicht nur so gekleidet sein wie die damaligen Damen, sondern sich auch entsprechend vornehm benehmen.
Sie wollte dem Abendessen einen gewissen Glanz geben. Sie war der Meinung, dass je härter sie sich darauf vorbereiteten würde, ihre Bemühungen einen Sinn bekamen. Außerdem hatte sie Spaß daran alles so perfekt wie möglich zu gestalten.
Kristin wusch sich und trocknete sich hinterher ab. Mit Hilfe eines Föhns richtete sie wieder ihre Frisur. Die Hilfe des elektrischen Geräts gestattete sie sich nur deswegen weil sie ein wenig unter Zeitdruck stand. Schließlich war sie bereit und rief nach Nicky, damit diese ihr das Korsett aufschnüren sollte, denn für den Abend hatte sie ein anderes Korsett vorgesehen.
Die beiden befanden sich mitten im Kampf das neue Korsett immer enger zu schnüren, als es an der Tür klopfte.
„Einen Moment!“, rief Kristin. Sie wusste nur zu genau wer da klopfte. Mit leiser Stimme sagte sie: „Nicky, mach einen Knoten. Pass auf dass die Schnur nicht aus den Ösen rutscht.“ Als der Knoten gebunden war, ließ Kristin den Bettpfosten los und sagte: „Wer ist da?“
„Ich bin es, meine Kleine!“, rief Kristins Mutter. „Ich möchte mich gerne mit dir unterhalten. Bruce hatte mir gesagt dass du dich immer hier umziehst. Warum?“
„Das ist für uns leichter, sonst kommen wir uns in die Quere, Mama. Außerdem gefällt es mir ihn mit einem großen Auftritt zu überraschen.“
„Ich verstehe. Darf ich reinkommen?“
„Um ehrlich zu sein, lieber nicht. Kannst du nicht bis zum Abendessen warten?“
„Ungern. Nein. Ich möchte mich mit dir alleine unterhalten.“
„Oh, Gott!“, sagte Kristin, zum Glück nicht laut genug für ihre Mutter, welche immer noch auf dem Flur stand. Allerdings hörte sie das Kichern von Nicky und fragte sich was so komisch sei. Etwas lauter sagte Kristin: „Bitte versteh doch, Mama. Nicky hat mich schon halb angezogen, und ich will das jetzt nicht unterbrechen.“
„Oh, das macht mir nichts aus“, sagte ihre Mutter. Sie verstand nicht worin das Problem liegen sollte. „Ich bin sicher, dass ich helfen könnte, falls nötig. Darf ich jetzt reinkommen?“
Kristin fiel kein wichtiger Grund ein, der dagegen sprach. „Ja, bitte.“
Die Tür öffnete sich und Frau Laetitia Campbell trat ein. Sie sah ihre Tochter, welche am Bettpfosten stand und das Abendkorsett trug. Ihre sorgfältig gezupften Augenbrauen hoben sich an, ihre Nasenflüge bebten kurz und ihre Lippen warten zu dünnen Strichen zusammengepresst. Sie schwieg. Dafür musste ihr Kristin eigentlich dankbar sein. Kristin reckte sich wieder an dem Bettpfosten, hielt sich so weit oben wie möglich fest und sagte: „Komm schon, Nicky. Du kannst weitermachen.“
Nicky trat heran, löste den provisorischen Knoten und begann das Korsett enger zu schnüren.
„Schau mal, Liebling“, sagte ihre Mutter und setzte sich auf das Bett. Elegant schlug sie ihre Beine übereinander. „Ich bin die letzte Person, welche dich herumkommandieren möchte.“
Kristin wusste sofort dass dies eine totale Lüge war.
„Aber du musst doch zugeben dass du etwas absolut Falsches tust.“
„Was ist hier falsch?“, sagte Kristin, während Nicky ohne Gefühl an der Korsettschnur zerrte.
„Es ist nur... Lass mich das tun, Kleines. Du kannst inzwischen unten den Tisch decken.“
Nicky kicherte und ließ die Korsettschnur los. Augenblicklich rutschte die Schnur durch die Ösen, sodass Kristin keuchte.
„Nicky! Wie oft habe ich dir gesagt dass du niemals die Schnur loslassen sollst während du mein Korsett schnürst!“
„Entschuldigung, Frau Campbell“, sagte Nicky und grinste frech. „Die alte Dame befahl mir aufzuhören.“ Dann ging sie, bevor Kristin protestieren konnte.
„Unverschämtes Mädchen“, schimpfte Kristins Mutter während Nickys Schritte auf dem Korridor immer leiser wurden. „Warum gibst du dich mit ihr überhaupt ab?“
„Was denkst du? Weil wir keine andere bekommen können. Wir leben nicht im Neunzehnten Jahrhundert, Mutter. Wir können nicht bei einer Arbeitsagentur nach einem Dienstmädchen anfragen, und uns dann eine der Bewerberinnen aussuchen. Würdest du mir jetzt bitte ganz schnell das Korsett zuschnüren, bitte!“
Kristins Mutter blieb wo sie war. „Du hast es gesagt, Kleine“, bemerkte sie ruhig. „Das ist nicht das Neunzehnte Jahrhundert. Warum also stehst du da und wartest darauf dass dich jemand in das Edwardiansiche Korsett schnürt?“
„Oh, Gott! Haben wir das nicht schon oft genug besprochen? Weil ich mich so kleiden will, und weil ich so leben will! Warum willst du dich in mein Leben einmischen?“
Frau Campbell stand auf, aber sie ging langsam von ihrer Tochter fort, hinüber zum Fenster, wo sie den herbstlichen Sonnenuntergang sah. „Du bist meine Tochter, Kristin, und du wirst es immer sein, also...“
„Mama, ich bin achtundzwanzig! Ich muss nicht mehr tun was du sagst!“
„Das musst du nicht, aber das solltest du, denn ich habe mehr Erfahrung. Egal wie alt du bist, du wirst immer meine Tochter sein und ich werde immer das Recht haben dich auf deine Fehler hinzuweisen, wenn ich das Gefühl habe dass du dich irren solltest.“
„Und ich nehme an, dass ich mich gerade jetzt irre?“
„Sehr richtig. Kannst du mir ehrlich gegenübertreten und sagen dass du dich wohl fühlst, in jener Kleidung?“
Kristin legte stolz ihren Kopf in den Nacken. Ihr Haar, dass sie extra für die Hochzeit hat nicht mehr schneiden lassen, fiel in Kaskaden über die Schultern. „Ausgerechnet jetzt musst du das fragen? Ich würde mich besser fühlen wenn du mir jetzt bitte das Korsett zuschnüren würdest.“
„Ich habe nicht die Absicht das zu tun. Ich verstehe überhaupt nicht, warum du diese verrückte Besessenheit entwickelt hast. Du musst das sofort sein lassen, bevor du ernsthafte Schäden davon trägst. Schau dich doch an! Dein Körper hat sich schon verformt!“
Kristin schaute in den Spiegel. Sie hatte sich schon so lange in ein Korsett schnüren lassen, dass ihre Taille selbst ohne Korsett auf kaum mehr als 48 Zentimeter blieb.
„Verformt“, sagte sie scharf, „ist relativ. Bruce gefällt es.“
„Ah! Du machst es also wegen Bruce, richtig?“
„Überhaupt nicht. Ich tue es für mich.“
„Aber du hast gesagt dass es Bruce gefällt... Und in all den Jahren, seit dem du mit Bruce zusammen bist, hat er es dir nie gesagt? Du bist zu einem passiven Geschöpf, eingeschnürt in einem Korsett, geworden. Und ausgerechnet jetzt will er dich unbedingt heiraten? Kannst du mir erklären wie das zusammenpassen soll?“
„Also...“, sagte Kristin verlegen.
„Ich wusste es! Er hat dir gesagt dass dies der Preis ist um ihn zu bekommen, ihn zu heiraten. Er will dich doch nur so schnell wie möglich wieder loswerden. Ich habe immer gewusst dass er nicht gut genug für dich ist.“
„Das nimmst du sofort zurück!“, sagte Kristin. „Ich wollte Korsetts tragen. Und da gibt es nichts 'Passives' daran. Es war meine Idee. Ihm gefiel es. Ich schlug vor dass wir heiraten. Er war damit einverstanden.“
„Aber er hätte nicht zugestimmt, wenn du nicht in einem Korsett eingeschnürt wärst.“
„Ich, er...“
„Also nicht. Ich verstehe. Du hast ein Problem, und du musst schnell da heraus kommen. Und deshalb helfe ich dir diesem Apparat zu entkommen.“
Das Gespräch geriet außer Kontrolle. Kristin musste dem schnellstens Einhalt gebieten.
„Mama!“, sagte sie. „Wann hast du geheiratet?“
„Neunzehnhundertsechzig, aber...“
„Ja. Sag mal, ich habe die Bilder von dir gesehen. Du hattest eine sehr ordentliche Figur unter dem langen und eng anliegenden Hochzeitskleid. War da nicht noch etwas unter dem Kleid, etwa eine kleine Hilfe?“
„Worauf willst du hinaus?“
„Du weißt genau was ich meine“, sagte Kristin voller Befriedigung. „Ein Korsett.“
„Gut, ich...“
Pause.
„Erzähl weiter!“
„Ich hatte eins mit Reißverschluss, aber nicht sehr eng...“
„Ja! Siehst du? Du bist nicht besser als ich! Der Unterschied liegt nur in dem Grad der Taillenreduzierung. Wäre es beunruhigend, wenn ich einen Hüftgürtel tragen würde?“
„Ein wenig, denke ich...“
„Warum? Hast du nicht all die Jahre einen getragen?“
„Kristin!“
„Erwäge nicht mich anzulügen. Ich weiß es. Hasst du etwa geglaubt ich würde mir nicht deine Unterwäsche anschauen, als ich noch ein kleines Mädchen war? Ich wusste genau wo du diese Sachen hingen um zu trocknen. Du hast immer angenommen dass man sie nicht sehen würde, was? Und wenn du das vor zwanzig Jahren getan hast, dann wette ich dass du es heute noch tust. Verstehst du jetzt, was ich meine?“
„Kristin, worüber sprichst du?“
„Über Scheinheiligkeit“, sagte Kristin triumphierend. „Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen!“ Kristin lies den Bettpfosten los und zog so gut sie konnte an der Korsettschnur, bis das Korsett eng genug war um sie ausreichend zu stützen. Dann machte sie schnell einen Knoten und ging auf ihre Mutter zu. Die nach vorne gedrückten Brüste sahen fast bedrohlich aus. Laetitia Campbell schaute verunsichert zur Seite.
„Kristin, was tust du?“
Ihre Stunde war endlich gekommen. Ihre Mutter war sprichwörtlich in die Ecke gedrängt. Einem plötzlichen Einfall folgend fragte sich Kristin, ob Evangeline sehen konnte was gerade geschah. Sie öffnete die Messingknöpfe der eng anliegenden roten Kostümjacke. Ihre Mutter versuchte zaghaft sich zu wehren, aber Kristin klopfte auf ihre Hände und öffnete die Kostümjacke und anschließend die Bluse. Dann suchte sie nach dem Reißverschluss des eng anliegenden gerade geschnittenen Rocks und zerrte ihn nach unten. Sie enthüllte einen Longline- BH, sowie ein kräftiges Höschenmieder. Dazwischen drückte sich eine kleine Fettwulst heraus.
„Ich bin jedenfalls nicht so verlogen“, sagte Kristin höhnisch.
„Kristin, sei nicht albern“, sagte ihre Mutter und schnappte sich den Rock. „das ist nicht das Gleiche.“
„Warum nicht? Weil du es sagst?“
„Du bist nicht mehr in der Lage deine Situation zu erkennen, weil du dich weit von der Realität entfernt hast. Ein Hüftgürtel, äh, drückt nur meine Fettrolle weg. Aber dein Korsett verändert deine Körperform dauerhaft. Ich bin mir sicher, dass das nicht gut ist.“
„Mama“, sagte Kristin, „ich bin nicht krank, und sobald mir schlecht davon wird höre ich sofort auf und lockere das Korsett, das verspreche ich. Bis dahin werde ich aber tun was mir gefällt. Du interessierst dich doch nicht wirklich für meine Gesundheit. Du bist doch nur sauer weil ich nicht so bin wie du es gerne hättest. Du wolltest doch immer dass ich den gleichen Weg einschlage wie all die anderen, etwas besser gestellten gutbürgerlichen Töchter. Dir hat es nie gefallen dass ich schlauer war als die anderen. Dir gefiel es nicht dass ich in Mathematik sehr gut war. Dir hatte es nicht gefallen als ich Finanzwissenschaft studierte, und dir gefällt Bruce nicht, weil er nicht der typische Mann mit den gleichen Veranlagungen und Interessen der breiten Masse ist. Jetzt werde ich heiraten, und an deiner Stelle würde ich mich damit abfinden dass ich endgültig mein eigenes Leben führe. Aber in der Zwischenzeit“, Kristin ging zum Bettpfosten zurück und streckte ihren Körper, „könntest du mein Korsett schnüren.“
„Kristin“, sagte ihre Mutter, „wie kommst du darauf dass ich dir dabei helfen werde?“
„Ganz einfach“, sagte Kristin. Sie ließ wieder den Bettpfosten los und suchte etwas in der Kommode. Aus der obersten Schublade nahm sie eine stabile und sehr scharfe Schneiderschere heraus. „Wenn du nicht willst, liebe Mama, werde ich dein Miederhöschen zerschneiden. Dann passt du nicht mehr in dein Kostüm hinein. Du musst dann, nur noch mit Slip und BH bekleidet, hier herumlaufen.“
„Das würdest du nicht machen!“
„Oh doch! Stelle mich nicht auf die Probe. Jetzt komm endlich her und schnüre mein Korsett zu.“ Sie ging zum Bettpfosten zurück und streckte wieder ihren Körper. Kristin wusste dass sie den Kampf gewonnen hatte. Als ihre Mutter leicht widerwillig zu ihr kam, den Knoten löste und anfing zu ziehen, fügte Kristin hinzu: „Und ziehe hart an der Schnur. Das ist ein besonderes Abendessen, zu Ehren des Besuches meiner Mutter, wie du dir denken kannst. Ich will ihretwegen eines meiner schönsten Abendkleider tragen. Ich bin sicher, dass sie mich perfekt gekleidet sehen will.“

Kapitel Zwanzig

Kristin wachte auf. Sie fühlte sich wie gerädert. Irgendwo in dem Haus war es sehr laut. Dann vernahm sie Schritte. Ständig lief da jemand hin und her. Möbel wurden verrückt, jedenfalls klang es so. Jemand gab Anweisungen. Kamen die Geister zurück, oder war es die Vorbereitung ihrer eigenen Hochzeit? Sie war sich nicht sicher. Kristin hätte sich nicht gewundert wenn plötzlich die alte Nancy Chiddom hereinkommen würde und es ihr ergehen würde wie der armen Evangeline.
Seit mehreren Tagen trug sie permanent Korsetts mit einer Taillenweite von 40 Zentimeter, sogar im Bett. Aber für diese Nacht hatte sie sich von Nicky bis auf 37 Zentimeter herunter schnüren lassen. Viel hatte sie nicht geschlafen. Die anderen Schlafkorsetts hatten sie schon schlecht schlafen lassen, aber dieses war noch schlimmer gewesen. Eigentlich hatte sie seit einer Woche nicht mehr richtig geschlafen. Der Hochzeitstermin war unaufhaltsam näher gekommen, und das hochgesteckte Ziel erforderte ein unbarmherziges Training. Sie wollte nicht riskieren die Hochzeit zu verschieben, wie es einst bei Evangeline geschah. Kristin wusste dass dies die einzige Gelegenheit war dem armen Gespenst zu helfen.
Da klopfte es an der Tür. „Liebling?“, rief Bruce vom Flur. „Bist du wach?“
„Ich fürchte.“
„Gut. Es wäre schön wenn du jetzt aufstehen würdest. Ich gehe nach unten zum Pub, um mich dort umzuziehen. Wir dürfen uns nicht im gleichen Haus umziehen, du weißt schon.“
Früher hätte Kristin etwas Lustiges geantwortet und ihn somit ermahnt nicht zu viel vor der Zeremonie zu trinken, aber nun hatte sie nicht mehr die Kraft dazu. „Okay“, sagte sie leise. „Würdest du bitte Nicky zu mir schicken?“
„Ich denke nicht, da sie nicht da ist. Das faule Ding!... Ich habe aber bei ihr angerufen und ihrer Mutter gesagt dass sie ihre Tochter aus dem Bett schmeißen soll.“
„Vielen Dank.“ Kristin lag auf dem Bett und hörte wie seine Schritte immer leiser wurden. Da inzwischen ein Teppich im Flur lag, hörte es sich an wie einst, als sie das Gespenst zum ersten Mal hörte. Das war in jener Nacht, als Evangeline für ihr Hochzeitskleid vorbereitet wurde.
Als Bruce Schritte verklungen waren, dachte sie an Dr. Hassenpflugs Anatomisches Korsett und dem gut einen Zentimeter breiten noch offenen Spalt an der Schnürleiste...
Kristin rappelte sich trotz des engen Trainingskorsetts vom Bett hoch, nahm Evangelines rostfreies Bade- Korsett und ging zum Badezimmer. Sie konnte kein Bad mit dem gegenwärtigen Korsett nehmen. Erst müsste Nicky kommen und ihr helfen das Korsett zu wechseln. In der Zwischenzeit erledigte sie aber andere Aufgaben.

Kapitel Einundzwanzig

Kristins Bad war kein leichtes Unterfangen, und sobald sie wieder heraus war, wurde es noch schwieriger. Das ständige Tragen von immer enger werdenden Korsetts, um ihre Taille bis auf das gewünschte Maß, 35 Zentimeter, zu reduzieren, hatte zur Folge dass sie ihren Körper nicht mehr ohne ein stützendes Korsett aufrecht halten konnte. Aus jenem Grund musste sie beim Baden das rostfreie Korsett tragen. Dieses Korsett war im frühen Neunzehnten Jahrhundert speziell dafür entworfen worden. Aber nach dem Bad musste ihr natürlich wieder das Korsett abgenommen werden. Also lag sie vor der Badewanne auf einem großen, aber sehr rauen Badehandtuch. Kristin hatte es ebenfalls bei Evangelines Aussteuer gefunden. Nicky schnürte ihr das Badekorsett auf. Als das Korsett entfernt war, blieb Kristin liegen, nackt und unfähig sich wenigstens hinzusetzen. Nicky rollte sie auf dem Badehandtuch herum und trocknete ihren Körper. Obwohl ihre Figur sich zu einer beeindruckenden Sanduhrform entwickelt hatte, sogar ohne Korsett, war Kristin nicht besonders stolz über jene Situation. Es ärgerte sie, derart abhängig von anderen zu sein. Dieser Aspekt ihres Figurtrainings gefiel ihr nicht sonderlich. Als ihr Körper abgetrocknet war, musste sie auf dem Handtuch liegen bleiben, während Nicky sich abmühte ihr die zahlreichen Schichten jener Edwardianischen Unterwäsche überzuziehen, bevor ihr endlich das ‚Dr. Hassenpflug Anatomische Korsett’ umgelegt werden konnte. Erst als es einigermaßen geschnürt war, und somit ihr Oberkörper wieder eine ausreichende Stütze erhielt, konnte Kristin aufstehen, natürlich nur mit Nickys Hilfe. Anschließend legte ihr Nicky das Teekleid um.
In jenem verführerischen Negligee, über dem bedrohlich aussehenden anatomischen Korsett, gekleidet, öffnete sie die Tür des sehr großen Badezimmers. Vor ihr stand eine Person, welche auf sie gewartet hatte.
„Hallo, Mama. Was gibt es?“
Ihre Mutter schien nervös zu sein. Sie trug einen Morgenrock. „Ich dachte du könntest... Hilfe gebrauchen.“
„Wie du siehst, habe ich Nicky.“
„Die Mutter der Braut sollte ebenfalls anwesend sein. Du hast mich eingeladen. Oder willst du mich jetzt ausschließen?“
Kristin überlegte was sie sagen sollte, fand aber nicht die richtigen Worte. Außerdem war da noch das steife anatomische Korsett, welches ihren Körper von den Brüsten bis zu den Oberschenkeln zusammendrückte. Ihr Taillenumfang betrug 42 Zentimeter, enger hatte es Nicky im Badezimmer auf dem Fußboden nicht schnüren können. Kristin war stolz darauf, stolz über dieses spektakuläre Gefühl der Einengung und Körperformung, welches aus ihrer Sicht dennoch als Bequem zu bezeichnen war. Kristin war stolz darauf es bald allen zu zeigen, dass sie eng genug geschnürt werden konnte, um Evangelines Hochzeit tragen zu können! Sie bemerkte aber auch die innerliche Zerrissenheit ihrer Mutter, wie sie fieberhaft versuchte wieder ihrer Tochter näher zu kommen. Kristin war jedoch noch nicht so weit.
„Komm schon, Krissie, Schatz. Möchtest du nicht dass ich dir helfe?“
Keine Antwort.
„Oh, Krissie. Warum lehnst du meine Hilfe ab?“
Kristin musste antworten. „Weil, Mutter, weil du mich nur ausschimpfen wirst wenn mein Hochzeitskorsett geschnürt wird.“
Es entstand eine kleine Pause.
„Und wenn ich verspreche es nicht zu tun?“
„Ich würde dir nicht glauben.“
Eine weitere Denkpause.
„Gibt es kein anderes Kleid, welches du ohne dieses Ding tragen kannst?“
„Nein.“
Wieder eine Pause.
„Bist du dir sicher?“
„Um Himmels Willen, Mama! Meinst du nicht dass es ein bisschen spät ist ausgerechnet am Hochzeitsmorgen meine Wahl bezüglich des Brautkleids zu kritisieren?“
Ein Seufzer.
„Ich denke du hast Recht. In Ordnung, Krissie. Ich verspreche dir hoch und heilig dir keinen Ärger zu bereiten. Ich werde tun was auch immer mir gesagt wird. Ich möchte nur nicht von dir ausgeschlossen werden, bitte.“
Kristin stemmte ihre Hände auf die Hüften. Sie war sich sehr wohl bewusst dass sie dadurch das Negligee gegen das Korsett drückte und man sehr gut die Form ihres eingeschnürten Körpers sehen konnte. „In Ordnung. Aber wenn du nur ein falsches Wort sagst, oder sonst was tust, fliegst du raus. Also reiß dich zusammen. Hast du mich verstanden?“
„Habe ich.“
„Ich meine das wirklich ernst, Mama. Dieser Tag bedeutet mir sehr viel. Ich habe monatelang trainiert um in dieses Kleid zu passen.“ Kristin sah wie ihre Mutter Luft holte um etwas zu sagen und beeilte sich fortzufahren. „Sage jetzt lieber nichts! Du hast dich selber in dein Hochzeitskleid hinein gehungert, also hast du jetzt nicht das Recht mich zu kritisieren!“ Kristin drehte sich um und blickte Nicky in die Augen. „Das gilt auch für dich. Du hast keine Ahnung wie man sich modern kleidet. Du läufst ständig wie eine Schlampe herum!“
„Wenn sie mich jetzt beschimpfen wollen“, sagte Nicky, „gehe ich nach Hause!“
„Nein, wirst du nicht“, sagte Frau Campbell schnell. „Du wirst hier gebraucht. Schließlich bist du eine Brautjungfer. Du musst verstehen, sie ist deshalb so kratzbürstig, weil es ein ganz besonderer Tag ist. Sie ist nur nervös. Lasst uns jetzt zu dem hinteren Schlafzimmer gehen. Da willst du dich doch umziehen, oder? Und jetzt lasst uns wieder einander vertragen.“
Als sie über dem langen Flur gingen, kam Kristin plötzlich ein wichtiger Gedanke in den Sinn. „Was ziehst du denn eigentlich an, Mama? Sollen wir es nicht vorher aus deinem Zimmer holen?“
„Äh... Ich nahm mir die Freiheit, es in das hintere Schlafzimmer zu bringen. Ich dachte, ich könnte es dort anziehen, während du eingekleidet wirst, und...“
„Das klingt ja wie ein Einsehen, oder irre ich mich?“
„Ja, jetzt schimpfe nicht mit mir! Ich war richtig fertig. Und ich verspreche dir zu helfen und gut zu dir zu sein.“ Sie zog Kristin näher an sich heran, sodass dass Korsett laut knarrte und gab ihrer Tochter einen Kuss auf die Stirn.

Kapitel 16 bis 18     Kapitel 22 bis 24