Am nächsten Tag saß Tante Polly in ihrem Wohnzimmer und überprüfte die
Haushaltskonten, als es an der Tür klopfte.
„Wer ist da?“, rief sie.
„Braithwaite, Miss de la Coudière. Lady Patricia möchte ihnen etwas sagen.“
„Schick sie rein!“
Draußen auf dem Flur waren Schritte und leise Stimmen zu hören. Dann öffnete
sich geräuschlos die Tür, und Patricia schlich in das Zimmer hinein.
Die treffende Beschreibung für ihre Erscheinung war ‚gezüchtigt’. Patricia stand
aufrecht, ihr Gesicht war blass und verweint. Sie bewegte sich steif und mit
sehr kleinen Schritten. Das Knarren des schweren und steifen Lederkorsetts unter
ihrer eng anliegenden Tageskleidung war nicht zu überhören. Sie hielt ihre Hände
gefaltet vor dem Körper und blieb vor der Tante stehen. Patricia wartete auf
Erlaubnis sprechen zu dürfen.
„Und, Patricia?“
Patricias noch kleiner Busen wurde wegen des engen Korsetts nach oben, gegen die
enge Bluse gedrückt, als sie Luft sammelte um sprechen zu können. Nach mehreren
mühsamen Atemzügen sagte sie: „Bitte, Tante Polly... Ich möchte mich... für mein
gestriges... schlechtes Benehmen entschuldigen.“
„Gut.“
Für eine Weile herrschte Schweigen, nur gestört von dem Knarren zweier sehr eng
geschnürter Korsetts. Dann sagte Patricia: „Und ich bitte darum dass mein
Korsett etwas gelockert wird, wenn das möglich wäre.“
„Es ist nicht möglich“, antwortete Tante Polly und schlug das Geschäftsbuch lau
zu. Dann schaute sie ihre Nichte an.
„Aber, Tante Polly! Ich habe...“, sie keuchte stark, „gesagt dass es mir Leid
tut, und ich werde auch immer tun was du von mir verlangst. Tanzunterricht...
Ich bitte nur darum dass mein Korsett gelockert wird. Bitte!“ Sie brach ab und
schnappte nach Luft. Dabei drückte sie ihre Hände gegen ihren Magen. Ihr Korsett
knarrte lauter als vorher.
Tante Polly hob ihre sorgfältig gezupften Augenbrauen hoch. „Das ist nicht
ausreichend, Patricia.“
„Was... Was soll ich denn noch sagen?“
„Wenn du es nicht weißt, dann hast du deine Lektion immer noch nicht begriffen.
Es geht hier nicht um den Tanzunterricht. Ich möchte sehen dass du deine ganze
Haltung veränderst.“
„Meine Haltung? Wozu?“
„Denk an das, was gestern geschehen ist, und vielleicht wirst du es begreifen.
Gehe jetzt und lasse mich in Frieden, bis du ein Einsehen hast. Patricia, du
kannst jetzt gehen.“
„Aber ich...“
„Du sollst gehen, Patricia!“
Patricia stand mit geöffnetem Mund da, als ob sie lauthals protestieren wollte,
aber der Atem war ihr ausgegangen. Sie drehte sich um. Tante Polly öffnete
wieder das Geschäftsbuch und tat so als wenn sie arbeiten würde. „Schließe die
Tür hinter dir zu, Patricia“, sagte sie ohne aufzublicken.
Patricia wollte an jenem Tag nichts essen.
Eine Zofe erschien bei Tante Polly, machte einen tiefen Knicks, und sagte dass
Lady Patricia sich nicht gut fühlte und im Bett liegen würde.
Tante Polly hob nur leicht ihre Augenbrauen, war aber der Meinung dass sie nicht
reagieren müsste. Das undankbare Mädchen würde sich schon erholen, wenn sie in
ihrem Verbesserungskorsett nur lange genug eingeschlossen verbleiben würde.
Gegen zwei Uhr kam Tante Polly gerade die große Treppe hinauf, als sie hörte
wie im Westflügel eine Tür geöffnet wurde. Sie hielt inne und schaute in den
langen Korridor. Sie sah Braithwaite aus dem kleinen Schlafzimmer kommen. Sie
hatte der Zofe aufgetragen sich um ihre Nichte zu kümmern. Sie sah, wie die Zofe
die schwankende Nichte stützte. Tante Polly nickte voller Zufriedenheit und
erlaubte sich ein kleines Lächeln. So schnell es ihr enger Rock zuließ, ging sie
wieder die Treppe hinunter und ging zum Wohnzimmer zurück.
Es dauerte ziemlich lange bis sich etwas tat.
Patricia trug noch immer ihren engen Lederunterrock mit der dünnen Kette im
Saum. Das machte Sinn, da ihre vorangegangene Ausbildung nicht vergebens sein
sollte, nur weil sie gerade bestraft wurde. Patricia war ganz schwach, da sie
seit vielen Stunden unter der extremen Strafschnürung litt. Sie war auch nicht
mehr fähig sich schnell zu bewegen.
Tante Polly hatte einige Papiere vor sich ausgebreitet, um ihrer Nichte
vorzutäuschen dass sie Wichtigeres zu tun hatte als sich um Patricia zu kümmern.
Ala Patricia sich dem Wohnzimmer näherte, saß ihre Tante kerzengerade auf ihrem
Stuhl und lauschte den näher kommenden Schritten. Schließlich hörte sie ein
Klopfen an der Tür.
„Ja, wer ist dort?“
„Es ist Braithwaite, Madame. Lady Patricia möchte noch einmal mit ihnen
sprechen.“
„Führ sie herein!“
Die Tür öffnete sich und Braithwaite geleitete Patricia in den Raum hinein. Es
sah ganz nach einem einseitigen Gespräch aus. Patricia war zu schwach um ohne
Hilfe der Zofe stehen bleiben zu können. Wegen des langen und steifen
Verbesserungskorsetts konnte sie sich auch nicht hinsetzen. Braithwaite müsste
sie stützen, bis das Gespräch beendet werden würde.
Tante Polly schrieb etwas. Sorgfältig schrieb sie mit ihrem Füllfederhalter und
ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. Die Tante wollte dass ihre Nichte begriff,
dass sie nicht die wichtigste Person sei. Als die Seite voll geschrieben war,
legte die Tante den Füllfederhalter zur Seite, trocknete die Tinte vorsichtig ab
und legte das Blatt zur Seite. Dann sagte sie: „Und, Patricia, du wolltest mich
sprechen?“
Patricia schaute sie wortlos an. Ihre Brüste hoben und senkten sich schnell.
Braithwaite gab ihr einen leichten Stoß. So sagte Patricia: „Tante Polly, ich...
äh... Ich entschuldige mich für das, was gestern geschah. Ich versichere dir
dass ich es nicht wiederholen werde. Von jetzt an wird es kein Ungehorsam mehr
geben.“
„Dass hoffe ich doch. Ist das alles?“
Patricia schaute betrübt drein. Braithwaite stieß sie wieder an. „Nein, Tante
Polly, das ist nicht alles. Ich, äh, ich...“ Es schien so, als wenn Patricia den
Faden verloren hatte. Braithwaite beugte sich leicht vor und flüsterte ihr etwas
ins Ohr.
Mit etwas sicherer klingender Stimme sagte Patricia: „Bitte, Tante Polly,
schnüren sie mich so eng, wie sie es für nötig halten.“
Das war der Schlüsselsatz!
„Ein gutes Mädchen“, sagte Tante Polly und stand auf. Sie kam näher und sagte:
„Wenn du gehorsam bist und das tust, was wir für dich geeignet finden, wirst du
herausfinden, dass alles viel leichter ist. Braithwaite, bringe sie nach oben
und lockere das Korsett auf 43 Zentimeter. Wenn du meinst dass alles gut
verläuft, kannst du sie auch in das normale Tageskorsett schnüren. Und,
Patricia, bist du jetzt zufrieden?“
„Ja, Tante Polly. Es ist...“ Sie machte eine Pause, als ob sie sich erinnern
wollte was sie zu sagen hatte. „... sehr liebenswürdig von dir.“
„So bin ich. Das tat doch nicht weh, oder? Es ist nicht das
Verbesserungskorsett. Es ist die Änderung deiner Haltung, die ich wollte. Und
ich hoffe, dass du dich daran hältst und nicht wieder zu deinem Trotz und der
Dreistigkeit zurückkehrst. Sehr gut, Patricia, du kannst jetzt gehen.“
Ihre Nichte drehte sich langsam um, damit sie den Raum verlassen konnte. Als sie
ging, zwinkerte Braithwaite ihrer wahren Herrin zu. Offensichtlich war die Zofe
verantwortlich für den Sinneswandel der Nichte. Sie musste das Mädchen ziemlich
lange und intensiv bearbeitet haben. Tante Polly konnte nur hoffen, dass es so
bleiben würde, und Patricia nicht wieder rückfällig werden würde.
Am nächsten Morgen war Patricia leicht verwirrt, denn es kamen Braithwaite
und Tante Polly gemeinsam in ihr Schlafzimmer. Das lange Kleidungsstück, welches
sie mitbrachten, entpuppte sich als ein in Tuch eingewickeltes langes
Ausbildungskorsett.
„Patricia“, sagte ihre Tante, „du hast aufgrund deines Verhaltens große
Fortschritte gemacht. Deine Figur hat sich verbessert und deine Manieren als
auch deine Körperhaltung lassen nichts zu Wünschen übrig. Trotzdem hast du noch
einen langen Weg vor dir. Du leidest ganz besonders stark unter einer gebeugten
Haltung. Wahrscheinlich hätte man dir in jüngeren Jahren mit einem
Rückhaltebrett helfen können. Aber dafür ist es jetzt zu spät. So müssen wir
wirksamere Maßnahmen anwenden.“
Patricia zitterte leicht. Sie hatte eine Ahnung, dass die ‚wirksameren
Maßnahmen’ nicht sehr angenehm sein würden.
„Oh, Tante Polly, bitte... du willst mich doch nicht wieder das
Verbesserungskorsett tragen lassen, nicht wahr?“
„Nein, Patricia, außer du benimmst dich schlecht. Es wäre eine Zweckentfremdung
wenn ich dich immer das Verbesserungskorsett tragen lassen würde, und dann würde
es nicht mehr den wahren Sinn und Zweck erfüllen.“
Patricia war der Meinung dass sie NIE wieder derart gefoltert werden wollte,
aber die vermied eine Bemerkung zu machen.
„Ich habe gelesen, dass dies eine sehr gute Methode ist den Körper gerade zu
halten. So habe ich eines deiner Ausbildungskorsetts verändern lassen, um es
anzuwenden. Sei jetzt ein gutes Mädchen und unterlasse dein albernes Getue.“
„Was werdet ihr mit mir machen?“
„Das wirst du schon sehen. Zuerst muss dich Braithwaite anziehen.“
Tante Polly legte das zusammengerollte Korsett auf das Bett. Patricia schaute es
nervös an, wagte aber nicht es ohne Erlaubnis auszupacken. Sie ließ ohne etwas
zu sagen sich von Braithwaite ausziehen und anschließend die Unterwäsche
anziehen. Dann war es Zeit für das Korsett. Tante Polly ging zum Bett und packte
feierlich das Tuch aus, um Patricias blaugrünes Ausbildungskorsett zu enthüllen.
Eigentlich sah es aus wie immer. Sie übergab es Braithwaite, welche die
Korsettschnur lockerte und Patricia half hinein zu schreiten. Es fühlte sich wie
immer an, also nicht besonders schön. Eigentlich hatte sie schreckliche
Veränderungen erwartet. Aber wo war der Unterschied?
Tante Polly nahm eine kleines, schlecht gedruckte Magazin, welche bei dem
Korsett im Tuch gelegen hatte, zur Hand. Patricia spähte hinüber und las den
Titel des Magazins: The Tight- Lacing Times. Sie war erstaunt, dass der Inhalt
des Magazins für Mechaniker gedacht war. Was um Himmels Willen hatte Tante Polly
vor? Sie sah wie ihre Tante die Zeitschrift durchblätterte, bis sie zu einer
Seite kam, deren obere Ecke umgeknickt war. Sie nahm ihr Brillenglas und las
leise murmelnd die kleine Schrift, bis sie den Absatz fand, den sie suchte. Sie
sagte laut: „Richtig! Das haben wir getan.“ Dann las sie laut vor: „Nächster
Punkt: Schnüren sie jetzt das Korsett so eng wie möglich, damit die Bemühungen
nicht verloren gehen.“ Die Tante schaute hoch und rief: „Braithwaite!“
„Sofort, Miss de la Coudière“, sagte Braithwaite und begann ihre Tätigkeit.
Als sie fertig war, keuchte Patricia und das Korsett knarrte laut im Takt ihrer
kurzen Atemzüge.
Tante Polly sagte: „Schau nach unten, Patricia. Siehst du den Unterschied an
deinem Korsett?“
Patricia schaute nach unten, aber alles sah aus wie immer. Ihr Busen wurde wegen
des engen Korsetts nach oben gedrückt und bewegte sich heftig bei jedem Atemzug.
„Ich befürchte dass ich keinen Unterschied sehen kann, Tante Polly.“
„Weil du nicht richtig hinschaust. Komm her zu mir und schau in den Spiegel.“
Patricia gehorchte und ihre Tante zeigte auf die Front des Korsetts, zwischen
der Verschlussleiste und der kurzen vorderen Schnürung. Patricia war überrascht.
Jemand hatte eine stabile Metall- Öse am unteren Ende der Verschlussleiste
angebracht. Sie befühlte es und schaute ihre Tante an. „Wozu dient das?“
„Das wirst du gleich merken. Braithwaite! Hast du das Band?“
„Ja, Madame.“ Braithwaite hielt eine Karte hoch, auf der ein breites glattes
schwarzes Band aufgewickelt war. Sie sagte: „Ein Meter achtzig stabiles Band für
Hosenbunde, wie sie es bestellt haben.“
„Du weißt doch was du jetzt tun musst?“
„Ja, Madame. Soll ich jetzt beginnen?“
„Ja, Braithwaite. Patricia, wage jetzt nicht zu stören oder du kommst sofort
wieder in ein Verbesserungskorsett. Diesmal aber in ein Neues, das bis weit
unter 40 Zentimeter geschnürt werden kann. Ist das klar?“
„Absolut klar, Tante Polly.“ Patricia stand ganz still, während Braithwaite das
Band von der Karte abwickelte. Dann beugte sie sich vor, sodass ihr eigenes
Korsett laut knarrte, und fädelte das Band durch die neu angebrachte Öse. Als
beide Enden fast gleichlang, links war das Band etwas länger, von der Öse
herunterhingen, erhob sich die Zofe und trat einen Schritt zurück. Sie
überprüfte es und trat wieder vor. Sie hob die beiden Enden hoch und führte die
Bänder über Patricias Hüften nach hinten, wo sie sich genau an der schmalsten
Stelle der Taille, über dem Knoten der Korsettschnur kreuzten. Dann führte sie
die Enden hinauf und über die Schultern wieder nach vorne und führte das längere
Ende über Patricias Hals zur rechten Seite, wo sich die beiden Enden des breiten
Stoffbands trafen.
„Ich bin fertig, Madame“, sagte sie. „Möchten sie dass ich die Enden verbinde?“
„Noch nicht, Braithwaite. Ziehe die Bänder nach.“
Braithwaite tat es. Dabei wurde Patricias Kopf nach hinten gedrückt.
„Hey!“, rief sie. „Du erwürgst mich!“
„Das ist nicht Sinn und Zweck dieser Vorrichtung, Patricia, nur eine
unerwünschte Nebenwirkung wenn man es nicht richtig macht. Halte deinen Kopf
aufrecht und den Hals gerade, dann ist es ganz bequem.“
„Aber ich...“
„Sei ruhig, Mädchen. Braithwaite, ein wenig strammer.“
Braithwaite tat wie ihr geheißen und zog an dem Band. Da das breite Band wieder
Patricias Hals einschnürte, hob sie ihren Kopf noch mehr an und legte ihn weiter
in den Nacken.
„Das müsste reichen“, sagte Tante Polly voller Befriedigung. „Mach einen
Knoten.“
Braithwaite machte einen Knoten mit einer kleinen ordentlichen Schleife
obendrauf. Dann nahm sie eine Schere und schnitt die überschüssigen Enden ab.
Danach nahm sie ein Stück Schneiderkreide und machte ein Zeichen auf dem Knoten.
„Miss“, sagte sie, „falls sie den Knoten lösen sollten, kann ich das genau
anhand des Strichs erkennen. Verstehen sie jetzt wie es funktioniert? Wenn sie
ihren Kopf oder Oberkörper nach vorne hängen lassen, wird es am Hals unbequem.
Solange sie ihren Kopf aufrecht halten und ihre Schultern zurückziehen, bekommen
sie keine Probleme. Haben sie das verstanden?“
Patricia wusste was von ihr erwartet wurde. „Ja. Ich werde nicht daran
herumspielen, Tante Polly.“
„Gut“, sagte ihre Tante. „Braithwaite, ziehe Patricia jetzt schnell an. Nimm den
engeren Unterrock, den ich verändern ließ. Sie macht immer noch zu große
Schritte.“
„Ja, Miss de la Coudière“, sagte Braithwaite und holte den Rock, während
Patricia stocksteif im Raum stand. Mehr als Warten konnte sie nicht tun.
Und so wurde eine neue Erschwerung ihrem Leben hinzugefügt. Sie verbrachte den Tag wie gewöhnlich. Es war eine Mischung aus Verhaltensregeln und körperlichen Anstrengungen wie: Tanzunterricht, Spaziergang und Körperhaltung. Die junge Dame litt still vor sich hin. Ihre Schuhe drückten, ihre engen Röcke und Ärmel behinderten sie bei jeder Bewegung, ihr enges und steifes Trainingskorsett nahm ihr die Luft zum Atmen und machte jede Bewegung noch schwieriger. Und zu allem Überfluss kam dann noch das Haltungsband hinzu. Die ganze Zeit musste Patricia ihre Schultern nach hinten drücken und den Kopf gerade halten, sonst nahm das breite Band, welches die Zofe um das Trainingskorsett geschlungen hatte, ihr das letzte bisschen Atem.
Schließlich war es Mittag, und Patricia wollte sich nur noch hinlegen und
verschnaufen. Sie setzte sich auf einen der Stühle im Esszimmer, diese Stühle
hatten eine hohe Lehne. Patricia lehnte ihren Oberkörper an, um sich zu
entspannen.
Aber Tante Polly erlaubte es ihr nicht. „Nein, Patricia“, sagte sie streng.
„Damen lehnen sich niemals an. Du musst stolz und aufrecht sitzen. Oder willst
du wieder das Verbesserungskorsett tragen?“
„Nein, Tante Polly“, sagte Patricia erschöpft, und setzte sich wieder gerade
hin.
Und so ging es den ganzen Nachmittag weiter. Schließlich konnte sie nicht
mehr. Sie sollte ihrer Tante zu einem anderen Raum folgen und blieb zurück.
„Patricia! Trödel nicht herum! Ich weiß dass dein Rock eng ist, aber das ist
keine Entschuldigung so langsam zu gehen!“
„Entschuldige, Tante Polly“, sagte Patricia und erschien mit rot angelaufenem
Gesicht in der Tür.
Ihre Tante schaute sie mit einem durchdringenden Blick an. „Patricia, was hast
du getan?“
„Nichts, Tante Polly.“
Die Tante wurde misstrauisch. „Du sagst mir nicht die Wahrheit!“
„Doch, wirklich. Es ist nur wegen dem Rock. Er ist enger als gewöhnlich. Ich
kann damit nicht so schnell...“
„Komm her!“
Patricia näherte sich ihrer Tante. Dabei hielt sie ihre Hände auf dem Rücken.
„Zeige mir deine Hände, Mädchen. Sofort!“
Patricia zeigte ihrer Tante ihre Hände.
„Ist das Kreide?“
„Ich weiß nicht.“
„Das ist Kreide, nicht wahr? Du hast versucht das Band zu lockern! BRAITHWAITE!“
schrie sie überraschend laut für eine eng geschnürte Dame.
Als die Zofe eintraf sagte Tante Polly: „Gehe sofort nach oben und bereite das
neue Verbesserungskorsett samt Vorhängeschloss vor!“
Braithwaite trippelte mit kleinen Schritten hastig los. Patricia griff derweil
an ihren Hals und löste das Band. Dann setzte sie sich auf einen Stuhl und
lehnte sich an. Sie hörte zwar ihre Tante laut schimpfen, nahm aber keine Notiz
davon. Sie hatte schon so derart große Probleme, da wollte sie sich nur noch
entspannen, so lange es ging.
„Patricia, lass dich nicht gehen!“
„Warum nicht?“, sagte Patricia mit geschlossenen Augen. „Was kannst du denn mir
noch antun?“
„Das wirst du schon sehen“, sagte Tante Polly mit drohender Stimme.
Da öffnete sich die Tür und Braithwaites laute Schritte wurden lauter.
„Ah, Braithwaite“, sagte die Tante. „Führe sie nach oben. Wir werden sie aber
besser in meine Gemächer bringen und das Schnürtrapez benutzen.“
„Sehr gut, Miss de la Coudière.“
Die beiden Frauen näherten sich Patricia. Sie hörte die beiden und fühlte deren
Präsens, aber sie sagte nichts. Da sagte Braithwaite: „Lady Patricia, kommen sie
freiwillig mit, oder müssen wir nach zwei kräftigen Diener rufen?“
Patricia seufzte leise, da das Ausbildungskorsett viel zu eng geschnürt war.
„Ich denke, dass ich das schon schaffe.“ Sie stand langsam auf und folgte ihrer
Tante. Braithwaite ging hinter Patricia her, mit dem steifen
Verbesserungskorsett in den Händen.
Patricia war noch nie in den Räumen ihrer Tante gewesen. Sie war nicht so
sehr über die Größe der Räume erstaunt, sondern mehr über die edle Einrichtung,
nicht protzig, aber kostspielig.
Es gab ein großes Himmelbett mit vier Pfosten. Sofort dachte Patricia dass die
Pfosten sehr gut für das Schnüren eines Korsetts dienlich wären. An der Wand
stand eine edle Frisierkommode. Darauf standen und lagen eine Haarbürste sowie
diverse Fläschchen und Flakons.
Zu weiteren Betrachtungen kam sie nicht, da sie von Tante Polly sofort in ein
Nebenzimmer geführt wurde. Dieses Zimmer hatte nur ein kleines Fenster. Patricia
konnte ein Teil des Anwesens sehen. Links und rechts hingen schwere
Samtvorhänge.
Von der Decke des Zimmers hing ein Seil herab. Dann teilte es sich und die
beiden Seilenden waren an den Enden einer hölzernen Querstange befestigt. Das
Seil verlief oben über eine Laufrolle zur Wand. An der Querstange waren mehrere
Haken und Ösen befestigt. Braithwaite ging zur Wand und löste das Seil. Dann
ließ sie die Querstange nach unten gleiten, bis diese auf Schulterhöhe hing.
„Kommen sie her“, sagte sie zu Patricia, „und halten sie sich daran fest.“
Patricia gehorchte und schaute verwirrt zu, wie die Zofe mit geübten Griffen
ihre Handgelenke mittels Ledermanschetten an der Stange befestigte.
„Hey!“, rief sie. „Tante Polly, was geht hier vor?“
„Sie tut genau das Richtige, Patricia“, erwiderte ihre Tante. „Sie stellt nur
sicher dass du nicht gehen kannst bevor deine Einschnürung fertig ist. Ist alles
fest, Braithwaite?“
Braithwaite zerrte an den Manschetten. Sie waren fest angezogen. „Fest, Madame.“
„Dann kannst du ihr das Verbesserungskorsett umlegen und die Stange hochziehen.“
„Sofort, Madame.“ Braithwaite öffnete so weit wie nötig Patricias Kleidung und
schnürte das Trainingskorsett auf. Sie nahm es ab und legte Patricia schnell das
Verbesserungskorsett aus Leder um. Dann ging sie wieder zur Wand und zog an dem
Seil. Die Querstange wurde immer höher gezogen, bis Patricia mit nach oben
gestreckten Armen auf den Zehenspitzen stand. Sie stand ziemlich unsicher. Wären
ihre Handgelenke nicht an der Querstange befestigt gewesen, sie wäre umgefallen.
Mit zufriedenem Gesichtsausdruck kam Braithwaite zu Patricia zurück und begann
an der Korsettschnur zu ziehen. „Soll ich Noakes und Lettsom herkommen lassen?“,
fragte die Zofe Tante Polly, als das Korsett immer enger wurde. „Soll ich sie
schnüren bis sie ohnmächtig wird?“
„Schnüre sie nicht bis zur Ohnmacht. Nicht wenn sie an der Stange befestigt ist.
Das gibt nur unnötige Probleme, wenn man sie schnell herunterlassen muss. Höre
kurz vorher auf zu schnüren.“
Je stärker das Verbesserungskorsett knarrte und ächzte, da es Patricias Taille
unbarmherzig zusammendrückte, desto verzweifelter wurde sie. Sie musste
irgendwie aus dieser Situation herauskommen. Sie wollte nicht dass es so
weiterging. Irgendwie musste sie dafür sorgen dass man aufhörte...
Patricia gab einen leisen stöhnenden Laut von sich, ließ die Stange los, sodass
sie nur noch mit den Handgelenken in den Ledermanschetten hing, ließ ihren Kopf
zur Seite fallen und schloss die Augen.
Sofort wurde der Schnürvorgang unterbrochen und Braithwaite sagte: „Oh. Glauben
sie dass sie ohnmächtig geworden ist, Madame?“
„Ich weiß nicht. Patricia? Wenn du uns was vormachst, wird es für dich nur noch
schlimmer werden!“
Patricia blieb schlaff hängen und betete darum dass man sie rasch befreien
würde. Ihre Arme fingen an vor Anstrengung wehzutun, da sie noch nie mit dem
vollen Körpergewicht daran gehangen hatte. Außerdem konnte sie ja nicht ihre
Beine zwecks Abstützung benutzen. Schließlich wollte sie so überzeugend wie
möglich wirken.
„Ich denke dass sie wirklich ohnmächtig geworden ist, Miss de la Coudière“,
sagte Braithwaite.
„Das werden wir gleich sehen“, antwortete Tante Polly. Sie öffnete eine
Schublade und wühlte darin herum. Es klapperte laut. Dann sagte sie: „Ah! Da ist
es ja!“
„Ich verstehe“, sagte Braithwaite. Patricia konnte sie leise lachen hören. „Das
sollte funktionieren.“
Tante Polly stellte sich vor Patricia und sprach: „Patricia, zum letzten Mal,
bist du wach?“
Patricia ließ sich immer noch kraftlos hängen.
„Gut.“
Plötzlich stach etwas in ihrem rechten Arm und Patricia zuckte heftig zusammen.
Sie riss die Augen auf und schaute auf ihre Tante, welche triumphierend eine
Hutnadel in der Hand hielt. Sie schaute aber ihre Nichte voller Verachtung an.
„Patricia“, sagte sie, „du bist ein sehr törichtes, unmögliches, ungehorsames
und völlig unartiges Mädchen. Ich hatte mir nie vorstellen können dass ich dies
zu Lebzeiten sagen müsste, aber ich finde es wirklich schwierig mir die
richtigen Strafen auszudenken, um dich zur Vernunft zu bringen. Braithwaite,
schnür das Korsett enger!“