Latexdame Jannette 'historische' Korsettgeschichten

Der Große Aufstand

von Stephen

Alle Rechte und weitere Nutzung beim Autor.

Übersetzung: Jannette

Kapitel Drei

Miss Badsteel wartet in ihrem Zimmer. Sie wirkt noch steifer als gewöhnlich. Sie steht hinter ihrem Schreibtisch, mit dem Rücken zur Wand. Sie trägt ein dunkelbraunes Wollkostüm, dessen Jacke fest auf ihrer schmalen Taille anliegt. Ihre Arme hängen gerade an den Seiten herunter, aber immer wieder spreizt sie nervös ihre Finger. Sie schaut stur geradeaus. Ihre Kopfhaltung sieht hochmutig aus, denn ihr Kopf wird wegen des steifen und hohen ‚Würgekragens’ etwas angehoben. Sie hat Mühe schlucken zu können. Sie wartet offensichtlich auf etwas oder auf Jemand.

Hinter ihr, auf der anderen Seite der Wand, wo sich der Schrank für Schreibwaren befindet, warten derweil Gertie, Netta und Giuliana.

Giuliana hatte einen großartigen Einfall, der sofort mit all seinen Folgen in die Tat umgesetzt wurde.

Jetzt haben die Mädchen die Kontrolle über Muss Badsteels Taille, eine wahrhaft strenge Kontrolle! Miss Badsteel kann weder etwas dagegen unternehmen, noch ahnen was und wann etwas geschehen könnte.

Am Vortag hatten die Mädchen vom Hausmeister ein Loch in die Wand bohren lassen, etwas höher hinter Miss Badsteels Schreibtisch. Vorher musste der Mann die Papiere und die Holzbretter aus dem Schrank entfernen, damit ausreichend Platz geschaffen werden konnte. Als letzten Akt ließen sie ihn zwei Metallhaken an der Wand montieren. Die gleichen stabilen Haken wie im Tanzsaal, um dort die Seile für die Lampen zu sichern.
Dann begaben sich Gertie und Giuliana daran die Rückenteile von Miss Badsteels brauner Anzugsjacke sowie ihrer gerüschten Spitzenbluse zu modifizieren. Sie schnitten dort Löcher hinein, genau auf Höhe der Taille. Anschließend vernähten sie die Löcher, damit die Stoffe nicht ausfransen würden. Netta hatte eine zusätzliche Idee, und so nähte Giuliana die Ärmel von den Schultern bis zu den Ellenbogen an der Jacke fest. Netta hatte gesagt: „Es ist nicht gut, wenn sie mit den Armen zuviel Bewegungsfreiheit hat.“

Alle Vorbereitungen sind abgeschlossen. Unter dem braunen klassischen Kostüm trägt Miss Badsteel das fürchterliche schwarze Lederstrafkorsett, in dem sie normalerweise Mädchen einsperrt, welche ihrer Meinung nach einen Fehler begangen haben. Die Korsettschnur ist aber nicht wie gewohnt geschnürt. Die Enden führen jetzt durch die Löcher ihrer Kleidung und dem Loch in der Wand zum anderen Raum hinüber. Dort ist die Korsettschnur an den beiden Wandhaken gesichert. Jederzeit können Netta und Giuliana an der Schnur ziehen und somit Miss Badsteels Taille noch enger schnüren. Das Gleiche geschieht, wenn Miss Badsteel sich von der Wand entfernen will. Hinter den beiden Mädchen steht Gertie, die treibende Kraft des Mädchen- Aufstands, und belauscht das Gespräch der Schulleiterin. Falls nötig wird sie den anderen beiden ein Zeichen geben, damit diese an der Korsettschnur ziehen. Miss Badsteel steht wie festgenagelt an der Wand. Sie kann nicht einmal ihren Schreibtisch erreichen um eine geheime Nachricht zu schreiben.

„Disziplin“, hatte Gertie ihr frech gesagt, als sie die Schulleiterin an der Wand positionierte, „ist sehr wichtig. Das haben sie uns ja immer wieder gesagt.“

Es klopft an der Tür. Da Miss Badsteel ihren Kopf nicht mehr als fünf Grad drehen kann, verdreht sie ihre Augen. Sie kann soeben die Tür erkennen.
„Ja?“
Sie vernimmt die Stimme einer Magd. „Herr Godfrey Scruttle möchte sie sehen, Madame.“
„Ich erwarte ihn. Schicken sie ihn bitte herein.“
Die Mädchen stehen angespannt hinter ihr im Schrank, als sie hören wie eine Tür sich öffnet und schwere männliche Schritte den Raum durchqueren. Netta erschaudert, denn sie erkennt die Schritte ihres Vaters.
„Guten Morgen, Herr Scruttle“, vernehmen sie Miss Badsteels Stimme. „Setzen sie sich bitte hin.“
„Nein, nein, nach ihnen“, antwortet Godfrey Scruttle, wie es sich für einen Gentleman gehört.
„Ich, äh, ich ziehe es vor zu stehen“, sagt Miss Badsteel.
„Warum?“, fragt Godfrey mit neugierig klingender Stimme.
„Also, ich befürchte, äh, mein Korsett erlaubt mir heute keine derartigen Bewegungen.“

Das ist mehr als die Wahrheit! Die drei Mädchen im Schrank kichern ganz leise und stoßen sich an. Dann ziehen sie leicht an der Korsettschnur.

„Dann wäre es unhöflich von mir mich hinzusetzen. Darf ich beginnen, Miss Badsteel?“
„Ich bitte darum. Ich nehme an, es geht um Netta?“
„In der Tat. Ihre Briefe, die sie nach Hause schickt... sie haben sich verändert. Seitdem sie hier ist, schrieb sie bis vor einem Monat stets Beschwerden über ihr Figurtraining. Halten sie das jetzt bitte nicht für eine Kritik! Ich war immer erfreut zu lesen, was sie alles mit ihr anstellten. Es ist eine Familientradition, wir glauben dass Mädchen so eng wie möglich geschnürt werden sollten. Außerdem kann man nicht früh genug damit anfangen. Netta wurde diesbezüglich niemals vernachlässigt, wie es mit ihrer Mutter einst geschehen ist. Wir wollten nicht dass bei ihr der gleiche Fehler getan wird und sorgten dafür dass sie einen guten Anfang bekommt. Ich wusste dass sie hier hart daran arbeiten das Beste aus jedem Mädchen heraus zu holen. Wenn sie angefangen hätte darüber zu schreiben, dass sie das Training genießen würde, wäre es sehr schön gewesen. Aber sie hat aufgehört darüber zu schreiben. Gibt es etwa Probleme bei der Ausbildung?“
Im Schrank hämmert Netta das Herz bis zum Hals. Sie wirft einen erschreckten Blick auf Gertie, die ruhig wie immer hinter ihr steht. Gertie klopft ihr beruhigend auf die Schulter. Dann ballt sie die Fäuste und gibt ein Zeichen. Die anderen zwei Mädchen wissen, was es bedeutet. Sie lösen schnell die Korsettschnur von den Haken und ziehen stark an der Schnur. Nicht sehr stark und hastig, aber dennoch stark genug um Miss Badsteel zum Keuchen zu bringen. Das soll sie daran erinnern, wer das Sagen hat.
„Netta ist eine beispielhafte Schülerin“, vernehmen sie Miss Badsteels Stimme, welche aber wesentlich kraftloser klingt. „Sie und ihre zwei Freundinnen, Gertrude Fitzcollins und La Contessa Giuliana di Fioretti, haben mir in der Vergangenheit viel Mühe gemacht, aber sie haben jetzt die Angelegenheiten fest in die Hand genommen und alles ist unter ihrer Kontrolle.“
Giuliana schaut Gertie an. Dabei hebt sie fragend ihre Augenbrauen. Gertie versteht ihre Geste und nickt. Sofort wird stark an der Korsettschnur gezogen. Augenblicklich scheint Miss Badsteel sich zu besinnen und sagt: „Wenn sie aufgehört hat über ihr Korsett oder das Training zu schreiben, müssen wir annehmen dass sie gelernt hat sich damit...“
„Geht es ihnen gut?“, fragt Godfrey mit einem seltsamen Klang in der Stimme.
„Meine Gesundheit ist so wie sie sein sollte.“
„Warum gestikulieren sie dann so?“
„Gestikulieren? Ich weiß nicht worüber sie sprechen, Herr Scruttle.“
„Sie bewegten ihre Hände so, als ob sie mich zu ihnen heranwinken wollten, und jetzt halten sie ihre Hände abwehrend...“
Die drei Mädchen haben den gleichen Gedanken und ziehen sofort ganz stark an der Korsettschnur, sodass es laut knarrt. Miss Badsteels Keuchen ist sogar in dem anderen Zimmer zu hören.
„Was wollen sie mir sagen, Miss Badsteel?“
„Enger!“, zischt Gertie, und die beiden anderen Mädchen müssen jeweils ein Knie gegen die Wand stemmen, da sie mit aller Macht an der Korsettschnur ziehen. Sie hören wie Miss Badsteel ein schmerzhaftes Grunzen von sich gibt, da ihr fast die ganze Luft aus den Lungen gedrückt wird. Nach einer kurzen Weile, die Schulvorsteherin hat sich wieder einigermaßen gesammelt, sagt sie atemlos: „Ich denke... Ich hätte wohl besser... nicht darüber gesprochen. Mein Korsett... es scheint... zu eng... Ich kann auch kaum sprechen.“
„Verdammt! Sie will das Gespräch beenden“, flüstert Gertie.
Netta schüttelt ihren Kopf und nickt Richtung Wand. Sie flüstert: „Halte den Mund und höre zu.“
Sie hören lange Zeit nichts. Dann vernehmen sie wieder Godfreys Stimme, und er hört sich ganz anders an: „Sicher. Miss Badsteel, auch wenn sie zu eng geschnürt wurden und deswegen nicht sprechen können, möchte ich dennoch die Chance ergreifen ihnen etwas zu sagen, dass ich ihnen schon seit zwanzig Jahre sagen wollte.“
„Ich verstehe nicht“, sagt Miss Badsteel mit kraftloser Stimme.
Wieder ist es lange Zeit still.
Dann beginnt Godfrey mit leiser, aber gefühlsvoller Stimme: „Mein Vater, er bestand immer auf Vervollkommnung. Meine Mutter und meine jüngeren Schwestern wurden in Korsetts geschnürt als sie alt genug dafür waren. Es war für mich damals wunderbar, umgeben zu sein von all diesen eng geschnürten weiblichen Wesen. Dann verkündete mein Vater dass die Mädchen persönliche Ausbildung bräuchten, und dass er eine junge Gouvernante einstellen wollte. Eine Gouvernante, die ebenso leidenschaftlich über Korsetts dachte wie er. Sie sollte willensstark sein und alles aus seinen Töchtern herausholen. Ich war von der Idee einer hart schnürenden Gouvernante sehr angetan und sehnte mich nach dem Tag, an dem sie ankommen würde, um meine jüngeren Schwestern fest in die Hand zu nehmen. Und dann erschien jene Gouvernante, und jene Gouvernante waren sie.“
„Natürlich“, krächzt Miss Badsteel. „Ich war dort.“
Godfrey lächelt. „Sie sind sehr zurückhaltend, und dennoch freut es mich bei ihnen zu sein! Sie müssen wissen, dass ich mich mein Leben nach einer Person gesehnt habe, einer Person wie sie es sind. Ich hätte sie so gerne geheiratet, aber meine Eltern erlaubte es nicht. Meine Eltern bestanden darauf jemand aus einer guten Familie zu heiraten, einer reichen Familie... Oh, ich denke dass ich Patricia liebe, und sie schnürt ihre Taille sehr eng, schön aussehend, aber nicht mit dem Antrieb, den sie immer an den Tag gelegt haben. Sie sind diejenige, von der ich immer geträumt habe. Sie sind diejenige, die ich immer haben wollte.“
Im Schrank flüstert Gertie: „Hast du das gewusst, Netta?“
„Auf gar keinen Fall“
Durch die Wand dringt eine auf alle schwer lastende Stille. Möglicherweise schauen sich die beiden gerade voller Emotionen an. Nichts ist zu hören. Dann fängt Godfrey wieder an zu sagen: „Miss Badsteel, niemand wird uns hier stören. Ich weiß wie sehr sie ihren Stab und die Schülerinnen dominieren und das alle Angst vor ihnen haben. Wir sind jetzt endlich wieder seit so langer Zeit zusammen. Sie wollten doch nicht dass ich für weitere drei Jahrzehnte mich vergebens nach ihnen sehne, oder?“
Wieder ist es still. Man hört lediglich Schritte.
„Herr Scruttle“, krächzt Miss Badsteel, „erinnern sie sich bitte, dass sie ein Gentleman sind!“
„Ich bin ein Gentleman, und das bedeutet, dass ich mich zu benehmen weiß. Aber bedenken sie bitte, dass es auch bedeutet dass ich ein Mann bin, Corinna.“
Die Schritte nähern sich, und die Korsettschnur bewegt sich, als ob Miss Badsteel daran zappelt. Die Schritte bleiben stehen, und es entsteht eine unangenehme Pause. Dann sagt Godfrey: „Oh, Corinna, ihr Korsett ist sooo eng!“
„Ja“, sagt Miss Badsteel. Sie hat Schwierigkeiten zu sprechen. „Das IST es.“ Innerlich hofft sie dass die Mädchen auf der anderen Seite der Wand Schuldgefühle bekommen, aber ihre Hoffnung wird zerschlagen.

Gertie macht eine weitere Geste, und die Korsettschnur wird mit einem Ruck angezogen, damit die Schulleiterin nicht vergisst wer das Sagen hat. Gertie ist aufgeregt. Sie ahnt, dass sie kurz vor dem großen Geheimnis des Erwachsenenalters steht. Außerdem genießt sie das Gefühl der Kontrolle über Miss Badsteel, welche ihrerseits es ebenfalls genossen hat Gertie den Qualen des Strafkorsetts auszusetzen.

Godfrey redet weiter. Seine Stimme füllt sich mit Entzücken: „Ich fühlte immer, dass es kein größeres Vergnügen gibt, als mit einer Dame zusammen zu sein, deren Korsett sehr eng geschnürt ist... Ihr Korsett, es ist wirklich zu eng geschnürt, nicht wahr?“
„Ja, das ist es...“, keucht Miss Badsteel.
In diesem Moment sind sich die Mädchen sicher, dass die Schulvorsteherin jeden Moment ohnmächtig werden könnte.
„Ich fürchte, sie fällt gleich um!“, sagt Netta.
„Sollen wir es lockern?“, fragt Giuliana ganz leise.
„Nein!“, zischt Gertie zurück. „Wenn sie umfällt, tun wir das, was wir vereinbart haben. Zieht fester!“
Und so ziehen die Mädchen heftig an der Korsettschnur.
Miss Badsteel gibt ein röchelndes Keuchen von sich.
„Ah“, sagt Godfrey, und seine Tochter kann den Teufel in seiner Stimme hören. „Sie wollen mich ebenso sehr wie ich sie, nicht wahr? Hier und Jetzt!“
Und dann hören die Mädchen wie er die Schulvorsteherin küsst.
„Herr Scruttle... bitte...“
„Sie wissen genau dass sie es wollen, sonst würden sie mir entfleuchen.“
„Bitte! Herr Scruttle! Warten sie bitte damit bis zum Ball!“
„Sie können mich ruhig Godfrey nennen.“
„In Ordnung. Godfrey, bitte, nicht jetzt. Nach dem Ball.“
„Nein, ich kann nicht warten. Dann können wir nicht allein sein. Jetzt sind wir allein, und ich habe nicht vor meine Chance nach all diesen Jahren zu versäumen!“
Miss Badsteel keucht verzweifelt. Durch das Loch in der Wand hören die Mädchen wie die Korsettschnur laut knarrt, als wenn sie kurz vor dem Zerreißen stände. Die Schnur, als auch das Korsett sind bis zum Zerreißen gespannt.
„Herr Scruttle, ich werde gleich ohnmächtig werden!“
„Dann werde ich sie in meinen Armen auffangen.“
„Nein, nein, das wäre eine Katastrophe“, keucht sie. „Wenn ich ohnmächtig werde, verliere ich meine Selbstkontrolle. Und wenn ich diesen Fehler mache, wird mein Korsett bersten! Sie wollen das doch nicht geschehen lassen, nicht wahr? Ich, ohne mein Korsett?“
Diese Worte bringen ihn in die Realität zurück. „Nein, sie haben Recht. Ich nehme an, dass ich gehen sollte.“
Das rasende Keuchen geht weiter, während die Schritte den Raum durchqueren. Dann bleibt er stehen. „Eine Frage. Warum gingen sie damals so plötzlich? Es brach mein Herz... Ich habe mich niemals davon erholt.“
„Das...“, sagt Miss Badsteel, „ihr Vater hat mich schwören lassen niemanden davon zu erzählen.“
Wieder entsteht eine drückende Pause, und die drei Mädchen wünschen sich dass sie die Gesichtsausdrücke der zwei Erwachsenen in dem anderen Raum sehen könnten. Dann öffnet sich die Tür und die Schritte werden leise.

Mehrere Minuten lang bleiben die Mädchen still stehen und lauschen. Alles, was sie hören können, ist das Knarren von Miss Badsteels Strafkorsett, während sie nach Luft ringt. Schließlich sind die Schritte von Godfrey Scruttle nicht mehr zu hören. Die Mädchen, als auch Miss Badsteel wissen, dass sie sich erst wieder bewegen können, wenn er wirklich außer Hörweite ist. Die Schritte werden schwächer und schwächer, und dann hören sie wie eine weitere schwere Tür geschlossen wird. Godfrey Scruttle hat das Gebäude verlassen.

„Mädchen, bitte“, hören sie eine kaum wahrnehmbare Stimme. „Lassen sie mich gehen! Bitte!“
„Sollen wir?“, sagt Gertie.
„Wir müssen ihr Korsett etwas lockern“, antwortet Netta. „Ich will nicht, dass sie ohnmächtig wird. Sie wird uns noch einige Fragen beantworten müssen.“

Die einst so grausame und selbstsichere Schulvorsteherin, die sie hassten, existiert nicht mehr, als die Mädchen das Büro betreten. Sie finden eine ältere Frau vor, welche in einem viel zu engen Kostüm und einem viel zu engen Korsett nach Atem ringt. Ihr Gesicht ist rot angelaufen und vereinzelte Tränen laufen über ihre rosigen Wangen. Irgendwie hatten alle angenommen, dass Miss Badsteel ohne jene Art von Emotion geboren wurde, blind und taub für die Gefühle anderer Menschen. Die Mädchen sind betroffen, als sie sehen wie die Frau weint. Den Mädchen kommt es so vor als wenn in dem Raum die Sonne aufgeht. Sie erscheint ihnen in einem völlig neuem Licht. Sogar Gertie bekommt für einen kurzen Moment Mitleid mit der Frau. Sie will nicht jemanden bestrafen, der so verletzlich aussieht. Doch dann erinnert sie sich warum sie den Aufstand gegen Miss Badsteel angeführt hat. Sie will das Ruder nicht aus der Hand geben.

Das Erste, was ihre geschätzte Schulvorsteherin sagt, ist: „Bitte, befreit mich aus dem Ding.“
„Warum sollte wir?“, sagt Gertie strenger klingend als sie sich fühlt.
„Sie verstehen es nicht.“
„Vielleicht könnten wir es verstehen. Warum behandeln sie uns so schlecht?“, schimpft Netta.
Miss Badsteel gibt einen leisen Seufzer von sich. „Ich tu doch nur was getan werden muss, was ihre Eltern wollen.“
„Komm mir nicht mit solch einen Sch...“
„Bitte, Gertie, sei nicht so ordinär!“
Ein weiterer leiser Seufzer. „Ich versuche nur euch zu helfen. Ich versuche Mädchen einen guten Start ins Leben zu geben, um das ich betrogen wurde.“
Netta bemerkt dass selbst in diesem Zustand der Verzweiflung Miss Badsteel sich bemüht würdevoll zu sein. „In Ordnung. Sagen sie uns worüber sie reden wollen und vielleicht lassen wir sie dann aus das Korsett heraus.“
„Nicht aus dem Strafkorsett!“, fordert Giuliana.
„Nicht aus dem Strafkorsett!“, fordert auch Gertie. „Niemals. Wir brauchen sie unter unserer Kontrolle. Aber wir werden sie von der Wand losbinden wenn sie uns alles erklärt hat.“
Wieder seufzt die Frau. „Es ist eine lange Erzählung. Möchten sie nur die Kurfassung oder wollen sie den ganzen Überblick haben?“
„Die ganze Geschichte. Wir haben viel Zeit.“ Gertie setzt sich langsam hin und kreuzt ihre Beine unter ihrem weiten Rock. Sie macht das ganz bewusst, denn sie weiß wie sehr Miss Badsteels Füße in den engen und steilen Stiefeln schmerzen. Sie genießt sogar ihren Vorteil gegenüber der Frau.

„Also. Ich wurde in einer ziemlich guten Familie geboren. Nicht vergleichbar mit ihren Familien, aber einer respektablen Familie. Mein Vater war Chirurg, was sie nicht wissen können. Er hatte Verbindungen zur gehobenen Gesellschaft und mehr als nur einmal das Leben eines Gentleman oder einer Lady gerettet. Er hatte stets gehofft mich in jene Kreise durch eine Heirat einführen zu können. Aber er konnte es nicht bewerkstelligen. So lehrten mich meine Eltern wie man sich in diesen Kreisen bewegt, tanzt, benimmt. Ich wurde gepflegt, damit ich immer hübsch aussehen würde. Natürlich wurde auch meine Figur ausgebildet. Meine Taille wurde immer enger geschnürt, bis ich den Punkt erreichte, wo mein Vater bedenken bekam ich könnte gesundheitliche Schäden bekommen. Er entfernte sogar meine untersten Rippen. Wissen sie eigentlich wie viele Mädchen das tun? Meine Eltern beliehen sogar ihr Haus, nur um mir prächtige Kleider für einen der Bälle kaufen zu können. Mein Vater fragte all seine begüterten Bekannten und sie gaben ihm positive Antworten. Er hoffte, dass ich, als die Jahreszeit begann, mit Einladungen überhäuft werden würde, und viele auch zu meinem Ball kommen würden. Aber daraus wurde nichts. Wir bekamen keine Einladung, nicht eine einzige. All die exquisiten Kleider, all jene mörderischen Abendkorsetts waren vergebens gekauft und lagen in den Kommoden, bereit für einen Ball der nicht kam. Und natürlich war jede allein stehende Person aus der gehobenen Gesellschaft, die mein Vater für meinen Ball einladen wollte, 'beschäftigt', oder sie antworteten nicht. Als mein Ballabend begann, waren nur meine Eltern und ein paar Freunde aus dem Krankenhaus, sowie verarmter Landadel und ein paar der örtlichen, mittleren Gesellschaft anwesend. Also die niedrigere Gesellschaft.“

Netta sagt leise: „So habe ich das nie gesehen...“
„Wer soll hier seine Geschichte erzählen?“, herrscht Miss Badsteel das Mädchen an. In ihrer Stimme klingt wieder die alte Kraft. Netta ist sofort still, als ob eine Bedrohung des Strafkorsetts und des Wiener Trainingsgürtels für sie bestimmt wäre.
Miss Badsteel fährt fort: „So war das damals. Keine glänzenden Abende und kein Vergnügen für ein armes Niemand wie Corinna Badsteel. Kein Tanz im Kerzenlicht in einem wunderbaren Abendkleid im Arm eines schönen jungen Majors. Ich konnte noch nicht einmal unter Meinesgleichen verheiratet werden, da mein Vater sich wegen mir hoch verschuldet hatte. Er hatte Tausende von Pfund ausgegeben, nur um mir die schönsten Ballkleider kaufen zu können. Ich war schöner als all die anderen Schönen der höheren Gesellschaft. Meine Taille war enger geschnürt als deren Taillen. Und nach dieser Saison waren all die Kleider wieder aus der Mode gekommen. Mein Vater hatte kein Geld mehr um mich zu Hause halten zu können. Er musste sehr sparsam leben und viel arbeiten, damit er nicht Bankrott ging. So musste ich fortgehen und ich musste mein Auskommen selber verdienen. Und so wurde ich eine Gouvernante.“
Sie verstummt und schaut einfach geradeaus.

„Ist das die Erzählung?“, fragt Giuliana. „Wo trafen sie Nettas Vater?“

„Ich komme dazu, Mädchen, wenn sie mir Zeit geben! Die Familie, die mich aufnahm, war eine der gehobenen Gesellschaft, aber mehr so am Rande. Immerhin war sie aber dennoch hochgestellt, eine bessere Anstellung hätte ich mir nie erträumen können. Trotzdem war da ein bitterer Beigeschmack, da diese Leute sich für etwas Besseres als mich hielten und mich nur als ihre Dienerin betrachteten.“
Sie spricht die letzten Worte so scharf aus, dass die drei Mädchen leicht zusammenzuckten. Miss Badsteels Stimme klingt fast so kräftig, wie in den schlimmsten Tagen.
„Es gab drei Kinder in der Familie. Ich sollte auf die Mädchen aufpassen, welche die jüngeren waren. Ihr Vater war besonders scharf darauf dass sie Körperhaltung, Tanz und all die anderen Dinge unterrichtet bekamen, die ich für meinen vergeblichen Eintritt in die höhere Gesellschaft gelernt hatte. So war meine Erziehung nicht gänzlich sinnlos gewesen. Außerdem war der Vater ein bedeutender Verehrer von sehr eng geschnürten Taillen. Er wollte die Figuren seiner Töchter entsprechend ausgebildet haben, und ich glaube dass es der Anblick meiner Taille war, weswegen ich die Stelle bekam. Denn vorher hatte ich mich so eng wie möglich schnüren lassen, als ich das Elterliche Haus verließ. Außerdem trug ich das Kleid, welches genau zu meiner sehr eng geschnürten Taille passte. Meine Figur war also die schönste, die er je gesehen hatte. Ich glaube nicht, dass ihr euch vorstellen könnt was das bedeutet. So wurde ich auf der Stelle eingestellt und musste auf Maud Maria und Louisa Jane aufpassen.“

Plötzlich stöhnt Netta und reißt ihre Augen auf, als ob sie zu eng geschnürt wurde.
„Netta, Liebes, du wirst doch nicht ohnmächtig werden?“, sagt Gertie besorgt.
„M… ei… meine Familie!”, ruft Netta. „Meine Tanten! Tante Maud und Tante Louisa!“
Miss Badsteel nickt ihr kaum wahrnehmbar zu, da ihr Würgekragen keine andere Bewegung erlaubt. „Genau, Netta. Jener Herr, der meine Taille bewunderte, war ihr Großvater, der Vater ihres Vaters und der zwei Mädchen, welche ihre Tanten sind. So wurde ich auch zwangsläufig deren älteren Bruder Godfrey vorgestellt.“

Netta ist sprachlos. Sie bewegt ihren Mund, aber kein Ton kommt heraus. Sie ringt um die richtigen Wörter.
„Davon hat sie uns aber nicht ein Wort erzählt“, sagt Gertie.
„Ich glaube nicht, dass sie es jemals gewusst hat, Gertie“, bemerkt Miss Badsteel. „Es war etwas, wie ein... Geheimnis.“
„Aber warum?“
„Nun, jetzt kommen wir zu dem wahrlich schändlichen Teil der Erzählung. DAS habe ich bisher noch niemand erzählt. Normalerweise käme ich noch nicht einmal auf den Gedanken es euch zu erzählen. Doch ihr habt mich viel zu eng in dieses brutale Strafkorsett geschnürt, und wenn ihr mich nicht bald heraus lasst, werde ich hier an der Wand sterben. Ihr Vater, Netta, brachte mir seine Zuneigung entgegen.“
„Ich kann mir nicht vorstellen warum er das tun sollte“, sagt Netta verbittert.
„Oh, seien sie nicht so zynisch, meine Teure. Dass ich in meinem Leben so streng geworden bin, liegt auch teilweise daran, wie mich ihr Vater behandelt hatte. Ich war sehr traurig darüber, dass ich nicht das Leben bekommen durfte, was ich mir so sehr erhofft hatte. Aber ich war nicht verärgert darüber und hatte auch nie versucht andere Menschen deswegen leiden zu lassen. Ich war ein hübsches Mädchen, und natürlich war meine Taille sehr, sehr eng geschnürt. Ihr Vater war genau wie sein Vater vor ihm. Er konnte keiner zierlichen Taille widerstehen. Und so hatte sich ihr Vater in mich verliebt, Netta.“
Netta stottert ein paar unzusammenhängende Silben und sackt schließlich mit dem Oberkörper gegen die Stuhllehne. Ihr Gesicht ist rot angelaufen. Giuliana zieht ihr Taschentuch aus dem Ärmel und beginnt mit einer unbeschreiblich eleganten Bewegung ihrer Freundin Luft ins Gesicht zu fächeln. Dabei sagt sie: „Netta, bist du dir auch sicher dass wir nicht doch dein Korsett lockern sollen?“
Netta schüttelt ihren Kopf und bleibt noch einen Moment, so bequem ihr das Korsett erlaubt, angelehnt sitzen. Trotzdem sieht man ihr an dass sie verzweifelt nach den richtigen Worten sucht. Sie wirkt weiterhin erschöpft und so übernimmt Giuliana die Führung. „Miss Badsteel“, sagt sie, „fahren sie bitte fort.“
„Tja, was soll ich noch sagen? Sie sind junge Damen aus behüteten Häusern, und ich will nicht eure Gedanken mit unschönen Erzählungen beschmutzen. Genügt es ihnen, wenn ich sage dass Nettas Vater mich verführte? Er hat mich nie dazu gezwungen. Er war zwar stets ein echter Gentleman, aber er war nicht stark genug der Versuchung zu widerstehen. Er überzeugte mich etwas sehr Böses mit ihm zu machen.“
„Was?“
„Darüber kann ich unmöglich reden. Allein die Tatsache, dass ich ihnen dass nie sagen kann, sollte ihnen verdeutlichen was es war.“
„...Oh...!“
„Genau. All unsere Aktionen haben stets ihre Konsequenzen in diesem Leben. Ich stellte fest, dass ich mich noch strenger, noch enger schnüren musste um die von mir ersehnte Taillengröße zu erreichen. Sonntags war es ganz besonders schlimm, denn ich hatte ein Sonntagskleid das ich nur tragen konnte, wenn ich das passende Sonntagskorsett trug. Der Hausherr bestand darauf dass ich es tragen sollte, wenn ich sonntags zu ihm kam um den Wochenbericht abzugeben und seine Anweisungen für die folgende Woche zu empfangen. Es bereitete ihn ein großes Vergnügen eine derart schmale Taille zu sehen. Da bin ich mir sehr sicher. Dann kam jener Sonntag. Während ich in mein Sonntagskorsett geschnürt wurde, bekam ich zwei Ohnmachtsanfälle, was mir bis dahin nie passiert war. Das Korsett fühlte sich unglaublich eng geschnürt an und ich schaffte es nicht das Korsett vollkommen schließen zu lassen. Trotzdem schaffte es das Dienstmädchen, allerdings nur mit großer Mühe, mein Kleid zu schließen. An jenem Tag hatte ich große Schwierigkeiten die Treppen hinunterzugehen um zum Büro des Hausherrn zu gelangen. Ich musste immer wieder stehen bleiben. Ich war mir absolut sicher, dass ich es nicht schaffen würde und auf dem Weg dorthin in Ohnmacht fallen müsste. Doch irgendwie schaffte ich es doch. Ich klopfte an seine Tür, und er rief mich herein. Da stand er, hinter seinem Schreibtisch, und schaute mich mit großer Zufriedenheit an. Ich stand in seinem Büro, viel zu eng geschnürt, und kaum fähig ausreichend Luft zu bekommen. Meine Beine waren ganz schwach. Ich wünschte mir nur dass das Gespräch nur schnell vorübergehen würde, damit ich endlich wieder das Korsett lockern konnte. ‚Guten Morgen, Miss Badsteel’, sagte er. ‚Guten Morgen, Sir’, sagte ich und machte einen Knicks. Dabei riss mein Korsett.“
Miss Badsteel erschaudert.
„Das war das einzige Mal in meinem Leben, das mir so etwas passiert ist. Da ich fast mein ganzes Leben lang eng geschnürte Korsetts trage, weiß ich wovon ich spreche. Jener Augenblick war der schlimmste Moment in meinem Leben! Die Knöpfe rissen ab, das Kleid zerriss, und ich war nicht mehr fähig ohne mein Korsett stehen zu können. Viel schlimmer noch: Er wusste sofort warum dies geschehen war, da seine Ehefrau natürlich ebenfalls streng geschnürt leben musste. Er hatte stets darauf bestanden dass sie so eng wie möglich geschnürt wurde, sogar als sie Schwanger war. Ihre verstorbene Großmutter, Netta, verlor auf diese Weise drei Babys. Das ist auch der Grund warum es nur ihren Vater und zwei Schwestern in der Familie gibt. Herr Scruttle- Senior erkannte also sofort den Grund. Ich versuchte zu lügen, doch er war ein strenger Mann, und ich stand schwach, mit einem ruinierten Korsett, vor ihm. So fand er heraus dass sein Sohn der Grund für mein schändliches Auftreten war. Wenn ihr der Meinung seid, dass ich schlecht zu euch war, wenn ihr mich verärgert habt, dann könnt ihr euch glücklich schätzen niemals Nettas Großvater erlebt zu haben. Seine Worte waren so scharf, dass sie einen fast töten konnten. Oh, es war schrecklich, so schrecklich!“
Sie verstummt, als wenn die Last ihrer eigenen Erzählung zuviel für ihr geworden ist.
Nach einer Weile sagt Giuliana zögernd und sehr vorsichtig: „Was haben sie daraufhin getan?“
Das eigene Ehrgefühl scheint die Schulvorsteherin wieder aufzurichten.
„Getan? Ich tat nichts! Ich doch nicht! Ich war doch nur eine Dienerin. Es gehört sich nicht für eine Dienerin sich vor dem Hausherrn zu rechtfertigen. Ich musste die ganze Zeit still stehen bleiben, während mir Vorwürfe an den Kopf geworfen wurden. Sie kennen doch das Gefühl. Genau so führe ich doch diese Schule. Man konnte mich damals nicht einfach entlassen, weil die Gefahr eines Skandals bestand. Außerdem hätte es Godfrey erfahren. Er hätte zu mir gehalten, ja, ihr Vater wollte es. Er wollte mich heiraten und aus mir eine gehobene Frau machen. Das hatte er mir gesagt. Und so hatte ich es gehofft. Aber davon wollte Herr Scruttle- Senior nichts wissen. Sein Sohn sollte keine einfache Gouvernante heiraten, welche den zukünftigen Stammhalter in sich trug. Die Familie beriet sich. Mich fragte niemand nach meinen Wünschen. Ich musste das annehmen was man mir gab. Schließlich dachten sie sich eine Lösung des Problems aus. Mir wurden eintausend Pfund gegeben, fünfhundert sollten für das Kind sein. Außerdem durfte ich Niemanden darüber erzählen und sollte sofort das Land verlassen. Ich durfte nur ohne das Kind wieder zurückkehren. Godfrey durfte mich niemals wieder sehen, und er sollte so bald wie möglich mit dem erstbesten, extrem geschnürten, Fräulein aus gutem Hause verheiratet werden. Auf Letzteres, einer extrem eng geschnürten Taille, hatte er bestanden. Seine Worte lauteten: ‚Ich heirate kein Mädchen mit der Taille eines Pferds.’ Für ihn lag Schönheit in der Taille, und nachdem er einst seine Hände um meine eng geschnürte Taille gelegt hatte, wollte er kein Mädchen, um dessen Taille er nur seinen Arm legen konnte. So entdeckten seine Eltern ein unbekanntes Mädchen einer unbekannten Familie, welches eine wahrlich schmale Taille hatte. Dass Mädchen war Lady Patricia, ihre Mutter, Netta. Ich dagegen musste tun was man mir befohlen hatte. Ich nahm ein Schiff nach A... in ein anderes Land und brachte dort mein Baby zur Welt. Als es kaum ein Jahr alt war, gab ich es einer wohlhabenden Familie, die mein Vater kannte. Sie hatten keine Kinder, da die Ehefrau unfruchtbar war. Sie versprachen mir mein kleines Mädchen zu lieben, als ob es ihr eigenes Kind sei. Ich brauchte ihnen kein Geld zu geben und konnte somit alles, was mir gegeben wurde, behalten. Dann kehrte ich nach England zurück und hatte das Kapital diese Schule zu gründen.“

„Sie haben eine Tochter...“, sagt Giuliana verwundert. „Sie müsste etwas älter als ich sein, nicht wahr? Älter als Netta... vielleicht im gleichen Alter wie Gertie. Was wurde aus ihr?“
„Das kann ich nicht sagen“, sagt Miss Badsteel und presst ihre Lippen zusammen.

Gertie überlegt. Nach einer Weile sagt sie: „Das macht Vieles klarer. Aber da ist noch etwas, was ich nicht verstehe. Warum haben sie immer die Mädchen so schlecht behandelt? Sie unterrichten uns so hart. Sie sagen uns immer dass es nur für unsere Bestes sei. Sie sorgen sich stets um unsere Zukunft... Wenn sie doch wissen wie hart das Leben sein kann, wieso verwandeln sie unser Leben zu solch einem Elend?“
Miss Badsteel schaut sie erstaunt an. „Ich habe euer Leben nicht schwer gemacht, oder doch?“
„Ja, das taten sie!“, rufen alle drei Mädchen einstimmig.
Miss Badsteel blinzelt mit den Augen. Dann sagt sie: „Ich will es anders ausdrücken... Ich denke dass ich euch deswegen so hart fordere, weil ich in euch meine alten Träume erfüllen möchte. Was ich selber nicht erreicht habe, versuche ich durch euch zu schaffen. Ihr sollt den Weg in die gehobene Gesellschaft finden und dort anerkannt werden. Wenn ich das geschafft habe, weiß ich dass meine Ausbildung richtig ist und ich kann stolz darauf sein. Ich will es der höheren Gesellschaft zeigen, dass ich in gewisser Weise dazu gehöre. Versteht ihr das?“
„Ja“, sagt Giuliana, „aber warum müssen sie dennoch so schlecht zu uns sein? Wenn sie stolz auf uns sind, sollten sie liebenswürdig uns gegenüber sein. Sie sollten uns lieben. Sie benehmen sich aber, als ob sie uns hassen würden. Warum nur hassen sie uns so?“
„Ich hasse sie nicht, Liebes...“
„Ja, das tun sie!“, ruft Gertie dazwischen.

Miss Badsteel scheint es die Stimme verschlagen zu haben.

Dann fährt Gertie fort: „Ich kann es dir erklären, Giuli. Sie beneidet uns. Das ist das Problem. Sie beneidet die Mädchen, die alles tun können, von dem sie nur geträumt hat. Und genau deshalb misshandelt sie uns Tag für Tag. Denn eines Tages sind wir ihre Vorgesetzten. Und genau davor fürchtet sie sich und schnürt uns deswegen so hart wie möglich in unsere Korsetts. Ich nehme auch an, dass sie es genießt wie die höhere Gesellschaft sie darum bittet ihre Töchter von ihr erziehen zu lassen. Das gibt ihr ein gewisses Gefühl der Macht über jene Gesellschaft, die sie abgelehnt hat.“
„Ich... Das ist eine unverschämte Beleidigung!“, platzt es aus Miss Badsteel heraus.
„Meinen sie nicht, dass es doch zutreffend ist?“, fragt Netta mit einem böse funkelnden Blick. „Warum nicht?“
„Es... es ist nicht... Ihr würdet es nicht verstehen... Es hat nichts mit mir zu tun!“
„Ich verstehe. Es ist was Anderes, nicht wahr? Sie wird es uns nicht sagen, Gertie. Aber du hast Recht. Das passt zu ihr... wie ein Strafkorsett! Wir können sie jetzt befreien. Wir müssen uns noch was für den Abschlussball einfallen lassen.“

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