Latexdame Jannette 'historische' Korsettgeschichten

Der Große Aufstand

von Stephen

Alle Rechte und weitere Nutzung beim Autor.

Übersetzung: Jannette

Kapitel Fünf

Der Ballabend ist gekommen, und der einst verhasste Schultanzsaal, in dem üblicherweise ein schlecht gestimmtes Klavier zu hören ist, wird von den Klängen eines wirklich guten Streichquartetts aufgewertet. Girlanden aus mit roten Schleifen gebundenem Efeu dekorieren die Wände. Ein paar Mädchen stehen bereits in dem Saal. Man sieht ihnen an wie sie in ihren Korsetts leiden müssen. Der Revolution- Triumvirat des großen Aufstandes hat angeordnet, dass alle Mädchen am Anfang des Balls erscheinen sollen. Sie tragen ihre Ballkleider und darunter die eng geschnürten Abendkorsetts. Sie müssen alle feststellen, dass es große Mühe kostet in dem Ballsaal herum gehen zu können.

Netta, Giuliana und Gertie schleichen immer wieder nach draußen um Ausschau nach Gästen und den Eltern zu halten. Sie sind wahrlich schön anzusehen, mit ihren eng geschnürten Taillen. Sie haben sich bis kurz vor der Ohnmacht schnüren lassen. Dazu tragen sie edle, Nackenfreie Abendkleider. Dennoch stehen sie sehr unruhig. Es ist sehr offensichtlich dass es ihnen nicht sehr bequem ist.

„Ich werde hier bleiben, bis mich meine Eltern gesehen haben“, sagt Netta und greift sich ins Dekolleté um an ihrem Korsett zu zerren. „Aber nicht eine Minute länger. Dann verdufte ich schnell zum Umkleideraum um mich auszuruhen.“
„Was für ein schlechter Ausdruck“, sagt Gertie hochnäsig.
„Gertie, du musst mehr Verständnis aufbringen“, tadelt Giuliana. „Netta wird von ihrem Korsett ebenso geplagt wie ich. Du bist eben anders. Du kannst deine Gefühle besser verbergen.“
„So?“, spottet Gertie. „Jede bedeutende Dame fühlt sich unwohl wenn sie eng geschnürt zu einem Ball geht. Wenn es bequem wäre, würde es nur heißen sie hätte sich keine Mühe gegeben. Der Unterschied zwischen einer erfolgreich geschnürten Dame und einer Sonntagsträgerin ist der, dass sie trotzdem entspannt aussieht, egal welche Höllenqualen sie erleidet. Ich habe die Gabe, und du nicht.“
„Gertie, du weißt sehr genau dass du irgendwann während des Abends dein Korsett gelockert haben möchtest, so wie wir auch“, sagt Giuliana. „Du kann unmöglich mit deinen 34 Zentimeter durchhalten!“
„Woher weißt du das? Ich könnte mehr ertragen als jede einzelne von euch. Miss Badsteel behandelte mich immer ganz besonders, und ich denke sie hatte Recht es zu tun. Heute Abend werden wir es feststellen.“
„Du brauchst keine Miss Badsteel mehr um dich selber anzutreiben“, sagt Netta traurig. „Du bist genauso schlecht wie sie. Schlechter als irgendetwas. Du wirst ein oder zwei Pausen einlegen müssen. Was ist, wenn du ohnmächtig werden solltest?“
„Dann werde ich es romantisch tun, zart und feminin, in den Armen eines der schönsten Jungen im Raum. Wer könnte dem widerstehen?“
„Bah! Es bringt nichts mit ihr zu reden, Giuli... Komm, lass uns nachschauen wie es Miss Badsteel ergeht.“

Giuliana und Netta wenden sich ab und gehen laut rauschend in den Tanzsaal hinein. Die Gaslampen erhellen den Raum zur Ehre der großen Nacht, und die Luft ist schon ganz stickig. Genau das aber können die in den engen Korsetts steckenden Mädchen überhaupt nicht gebrauchen. Dieser Abend wird ein sehr anstrengender Abend werden. Die meisten Schülerinnen ziehen sich noch an. Niemand will zu früh fertig sein. Nicht weil sie keine Lust haben, sondern weil sie in den eng geschnürten Abendkorsetts anfangs zu lange still stehen müssen. Dann könnte es länger als die vereinbarten 20 Minuten sein, was nicht sehr angenehm ist. Man hat drei Gruppen gebildet. Jede Gruppen wird von einer der Anführerrinnen geleitet. So soll gewährleistet werden, dass immer zwei Gruppen anwesend sind.

Die beiden Mädchen durchqueren den Raum und gehen durch eine Serie von Türen, welche sie sorgfältig wieder hinter sich schließen. Sie befinden sich schließlich in einem langen, schmalen, fensterlosen Raum, dessen Wände mit unheimlichen Geräten für das Figurtraining bestückt sind. Es ist alles vorhanden, was sich eine moderne Schulvorsteherin wünscht, um ihren Schülerinnen die perfekte Wespentaille zu geben. Bis zum großen Aufstand hatte Miss Badsteel hier mit ihren Mädchen gearbeitet. Es wurden kleine Gruppen in den engsten Korsetts geschnürt und in die engsten Kleider und Röcke gezwängt, bevor sie zum Tanzsaal gehen durften. Die Abendkleider, welche für den Tanzunterricht angezogen wurden, waren nicht die Besten, da die Gefahr bestand dass sie beschädigt werden konnten. Ein Mädchen das nicht parierte, konnte leicht nach nebenan in den Trainingsraum geschickt werden für härteren ‚Verbesserungsunterricht’. Doch jetzt sind die Fixier- und Schnürvorrichtungen aus dem Weg geräumt. Stattdessen stehen jetzt ein Dutzend der wackeligen Metallbetten darin und mehrere Mägde lümmeln sich darauf herum.

„Sie wissen was sie tun müssen?“, fragt Netta die älteste und selbstsicherste der Mägde.
„Ja, Miss. Wenn ein Mädchen hier her kommt, müssen wir sie aufschnüren und sie auf eines der Betten legen. Wir müssen hier ihren Namen und die Zeit notieren.“ Dabei tippt sie mit dem Zeigefinger auf eine Kladde, in der früher Miss Badsteel die Taillenmaße ihrer Schülerinnen eingetragen hatte. „Und nach zehn Minuten müssen wir sie wieder schnüren und zurück schicken.“
„Genau. Passen sie auf, dass sich keine um ihre Pflicht drückt. Ich weiß, dass es eine schwierige Arbeit ist, aber jede die versucht heimlich hier zu bleiben, macht es für die anderen nur noch schwieriger. Ich verlasse mich auf sie und hoffe dass sie es gut machen.“
„Ich werde mein Bestes geben, Miss“, sagt die Magd, mit einem leichten Knicks und einem besorgten Ausdruck, der alles zu sagen scheint (‚Egal was wir machen, es wird eine Katastrophe.’).
„Ja, geben sie ihr Bestes.“
Netta dreht sich um und verlässt den Raum. Dann geht sie zu einer anderen Tür. Eine Öffnung befindet sich in der Mitte der Tür. Zwei unter Zug befindliche Schnüre gehen durch das Loch und sind an den Seiten an stabilen Haken befestigt.
„Das gehört zu ihr, nicht wahr?“
„Das ist sie“, bestätigt Giuliana. „Ihre Taille ist bis auf 40 Zentimeter geschnürt.“
„Das ist bei ihr aber nicht sehr hart. Sollen wir sie nicht ein wenig enger schnüren?“
„Nein, Netta, wir wollen nicht dass sie vor Beginn des Balles schon ohnmächtig wird! Wir müssen sorgfältig sein.“
„Ich denke, du hast Recht. Lass uns herumgehen, um von der anderen Seite einen Blick auf sie zu werfen.“
Netta zupft an der gespannten Korsettschnur, die wie eine Gitarrensaite erklingt.
„G-Dur“, sagt Netta und dann gehen sie zur dritten Tür, welche zu dem Tanzsaal führt.

Die beiden Mädchen treten in den Lichterglanz hinaus und wenden sich der mittleren von drei Seitentüren zu. Diese eine Tür ist verschlossen, denn davor steht Miss Badsteel. Sie steht mit dem Rücken daran, sehr aufrecht und sehr steif. Sie trägt ein schönes lilafarbenes Seidekleid mit Rüschen, welche ihre hoch gedrückten Brüste bedecken. Das Kleid hat einen zusätzlichen hohen Kragen, der ebenfalls mit Rüschen endet. Der Kragen endet fast an den Ohren und lässt ihren Hals lang und schmal wirken, und gibt ihr eine anmutige Kopfhaltung. Natürlich wurde vorher der Kragen innen mit Leder und Korsettstäben versteift, damit sie wieder Mühe beim Sprechen bekommt. Ihre Gesichtszüge sind auffällig angespannt.
„Haben sie vor mich den ganzen Abend hier stehen zu lassen?“, fragt sie.
„Natürlich“, antwortet Giuliana. „Was für eine alberne Frage! Wie könnten wir sie frei herumlaufen lassen wenn unsere Eltern und die Kadetten anwesend sind?“
„Und nicht zu vergessen, es ist immer einer hinter ihnen auf dem Weg zum Ruheraum“, fügt Netta hinzu. „Wer auch immer es ist, man wird alles hören, was sie sagen, und dann wird es einen starken Zug an ihrem Korsett geben, falls sie sich schlecht benehmen. Achten sie also darauf was sie sagen.“
„Das werde ich ihnen nicht vergessen, kleine Ladies“, antwortet Miss Badsteel. „Mein Erinnerung an das Gespräch mit ihren Vater war sehr... anschaulich.“
„Ja... Möchten sie uns noch etwas über diese Geschichte mit dem Kind erzählen... sie wissen schon. Ich möchte mehr von meinem verlorenen Bruder oder Schwester wissen...“
„Schwester“, sagt Miss Badsteel und verstummt sofort. Dann sagt sie: „Meine Lippen sind versiegelt.“
„Wie ihr Korsett. Viel Spaß. Wir gehen jetzt um unsere Eltern zu empfangen.“

*****

Die Anwesenheit von Gästen hatte das Revolutionäre Triumvirat vor ein Problem gestellt. Wie sollten sie die Gäste austricksen, wenn keines der Mädchen fähig ist länger als eine halbe Stunde im Ballkleid auszuhalten? Der Ball sollte um acht Uhr beginnen.
Nach langer Beratung wurden Lakaien vor der Tür stationiert, um dafür zu sorgen dass niemand der Gäste vorher eintreten dürfte, egal ob reich, königlich, oder wütend. Netta war dagegen, denn sie befürchtete dass einige Gäste sehr gereizt eintreten würden, konnte aber die anderen nicht überzeugen. Um zehn Minuten vor Acht sollten alle Mädchen erscheinen. Es sollten alle drei Gruppen anwesend sein. Die Kleider und Korsetts mussten noch nicht vollständig geschlossen sein.

Als alle Mädchen erscheinen, treibt Netta die Mädchen in den Ruheraum, wo sie dicht gedrängt stehen oder sitzen. Dort werden die Mädchen der ersten Gruppe endgültig geschnürt und deren Kleider geschlossen. Netta ermahnt noch einmal die Mädchen, damit sie die Gäste vornehm Willkommen heißen. In der Zwischenzeit wird die zweite Gruppe vorbereitet. Die dritte Gruppe kann sich noch ausruhen. Es gibt ein leichtes Durcheinander, hier und dort fließen sogar ein paar Tränen, doch Netta überzeugt sie alle, sich zusammenzureißen.
Sehr zum Entsetzen von Giuliana erscheint plötzlich Gertie mit einem Strafkorsett und droht damit, falls eines der Mädchen sich weigern sollte sich bis auf das erforderliche Maß schnüren zu lassen. Das zeigt Wirkung und alle Mädchen gehorchen.

Netta ist eingeteilt die Gäste zu empfangen, wenn die Lakaien endlich die Türen öffnen. Es ist zwar kein kalter Abend, aber für die Launen der Damen ist es nicht förderlich, egal ob sie im Wagen sitzen oder mit ihren engen Abendschuhen stehen müssen. Die meisten Herren sind dagegen nicht gewöhnt sich von einem Diener etwas vorschreiben zu lassen.
Die Wartezeit wirkt wie ein zu enges Korsett.
Die Mädchen werden sich anstrengen müssen, damit der Ball nicht mit einem Eklat beginnt.

*****

Netta setzt ein Lächeln auf ihr hübsches Gesicht und begrüßt die Gäste: „Guten Abend... Ja, das tut mir so Leid... Nein, es gab ein kleines Problem rechtzeitig fertig zu werden... Guten Abend... Aber sicher, sie bekommen sofort einen Weinbrand. Sie brauchen es nur dem Personal sagen... Es tut mir Leid... Das ist sehr bedauerlich, aber ich muss ihnen leider mitteilen dass wir nicht rechtzeitig fertig wurden... Schließlich ist es unser erster Ball... Ja, ich weiß, wir müssen unser Bestes geben wenn wir zu einem Ball einladen... Ich bitte um Entschuldigung, aber wir lernen ja noch... Immerhin ist dies eine Schule, wo wir aus Fehlern lernen können.... Guten Abend... aber natürlich freue ich mich sie zu sehen... Es tut mir so Leid... Ich bitte vielmals um Entschuldigung... Da stimme ich ihnen voll und ganz zu.... Natürlich, sie haben ja so Recht.... Guten Abend Mama und Papa.“

Godfrey Scruttle und seine Ehefrau, Lady Patricia, sind erschienen und Netta ist ziemlich erleichtert darüber, da sie nun nicht den verärgerten Gästen ausgesetzt ist. Schließlich wird es niemanden was ausmachen wenn sie mit ihren Eltern spricht.

„Netta“, sagt ihre Mutter, „was um Himmels Willen geht hier vor? Warum mussten wir die ganze Zeit draußen warten? Mein Rock hat schreckliche Falten bekommen!“
Sie zupft an dem Seidentaftrock, um ihn wieder glatt zu streichen. Über der Taille liegt ihr Kleid ganz eng an, sodass man ihre sehr schmale Taille gut erkennen kann. Sie schaut ihre Tochter mitleidig an.
„Es tut mir wahrlich Leid, Mama. Wie ich bereits jeden Gast gesagt habe, hatten wir Probleme rechtzeitig fertig zu werden. Du weißt schon, unsere Korsetts und so.“
Patricia lächelt geflissentlich. „Ich weiß, Schatz, aber bis zu deinem ersten echten Ball musst du noch besser werden. Das ist noch nicht gut genug. Ich hoffe dass eine gute Unterhaltung uns entschädigen wird.“
„Da bin ich mir sehr sicher. Es wurde an nichts gespart. Miss Badsteel hat erhebliche, äh, Geldmittel zur Verfügung gestellt, und die Weinhändler waren sehr beschäftigt gewesen. Außerdem hat die hier anwesende Militärakademie einige der Kadetten hergeschickt, sodass auch viele schöne junge Männer anwesend sind. So können wir auch heute Abend viel tanzen, nicht wahr?“
„Netta“, unterbricht Godfrey, „wir müssen uns über dein Korsett unterhalten. Was ist eigentlich mit dem Gesundheitskorsett, von dem du mir geschrieben hast? Du weißt, wie sehr ich an der Entwicklung von neuen eng geschnürten Korsetts interessiert bin.“
Netta muss sich auf der Stelle eine Lüge einfallen lassen, was sie allerdings nicht sehr gut kann. „Oh, äh, das habe ich wirklich vergessen. Nein, Miss Badsteel hat sie nicht bestellt.“
„Warum nicht?“
‚Er sei verdammt’, denkt sie und antwortet: „Oh, sie war der Meinung dass diese Art von Korsett uns nicht genug fordern würde. Diese Korsetts sind entworfen worden, damit das enge Schnüren bequemer sei.“
Netta mag zwar keine gute Lügnerin sein, aber sie kennt ihren Vater. Und so weiß sie wo sie ansetzen soll.
„Oh, tatsächlich? Ich verstehe. Ich glaube, dass sie die richtige Entscheidung traf.“ Dann geht er fort, um sich mit einigen der anderen Väter zu unterhalten.
Das Gespräch droht in gefährliche Bahnen zu gelangen, und Netta würde jetzt viel lieber oberflächliche Gespräche mit den Gästen halten um sie wegen der Wartezeit zu besänftigen, aber ihre Mutter steht bei ihr.
Eine Weile schaut sie Netta an. Sie betrachtet ihre Tochter von Kopf bis Fuß, sagt aber noch nichts. Netta versucht ruhig stehen zu bleiben, doch sie fühlt sich wie ein Schmetterling, der mit Nadeln festgeheftet im Schaukasten ausgestellt ist. Lady Patricia nimmt Nettas Kinn in ihrer Hand und hebt ihren Kopf leicht an. Dann sagt sie: „Du stehst leicht gebeugt. Lass das sein.“ Sie dreht sanft den Kopf ihrer Tochter zur Seite, um ihr Antlitz und die Ohrringe zu betrachten. „Ordinär. Zu prahlerisch für ein Mädchen deines Alters. Woher hast du die Ohrringe?“
„Papa hat sie mir geschickt, Mama.“
„Tatsächlich? Ich werde ein Wörtchen mit ihm darüber reden müssen. Sie werden wieder zum Juwelier zurück geschickt, nachdem du die Schule beendet hast.“
Dann ergreift sie Nettas Hände und überprüft den Sitz der engen Lederhandschuhe. Netta ist sich ziemlich sicher dass ihre schulterlangen Handschuhe richtig sitzen, denn zwei Mägde brauchten eine Viertelstunde um ihr die Handschuhe anzuziehen. Doch Lady Patricia entdeckt eine kleine Falte am Handgelenk und nörgelt darüber. Sie versucht die Falte weg zu drücken. Danach überprüft sie den Sitz des Kleids und ihr Blick ist leicht missbilligend. Sie legt ihre Hände an Nettas Taille. „Ts, ts, ts. Du hast doch nicht das Figurtraining vernachlässigt, oder?“
Nettas Gesicht wird leicht rot. „Natürlich nicht, Mama! Ich habe trainiert bis ich fast in zwei Hälften zerschnitten wurde!“
„Nicht hart genug. Du solltest ohne Probleme das erforderliche Taillenmaß erreichen. Ich weiß es genau. Sage mir nicht, dass deine Taille in Ordnung ist. Ich sehe das ganz genau. Dein Kleid spannt sich dort viel zu stark. Die Knöpfe sind kurz davor abzureißen, und dein Korsett sitzt nicht richtig. Deine Taille ist bei weitem nicht so wie sie sein sollte. Dein Korsett ist für dieses Kleid nicht eng genug geschnürt, und dennoch ist es dir jetzt schon zu eng. Du wirst nicht die ganze Ballnacht durchhalten können.“
„Mama, sprich bitte nicht so laut!“
„Es ist egal ob ich laut oder leise spreche, Netta. Das ändert nichts an den Tatsachen. Du hast mich im Stich gelassen, und ich bin sehr enttäuscht.“
Netta versucht sich zurück zu halten und sagt: „Ich habe das ganze Jahr hart an meiner Figur gearbeitet! Du glaubst ja gar nicht, was ich durchgemacht habe...“
„Ich weiß es, mein Schatz. Was auch immer du erlitten hast, meine Tante Polly tat es mit mir noch viel schlimmer. Glaube mir, niemand meines Alters hat so stark gelitten wie ich.“
Netta kann nur schwer ihr Temperament zügeln und sagt: „Mama, ich habe eine der schmalsten Taillen in dieser Schule! Ich glaube, dass nur Gertie eine schmalere Taille hat als ich. Natürlich musste niemand jemals so hart leiden wie du. Das weiß fast ganz England. Aber ich glaube nicht, dass man sich nicht für eine Taille von 38 Zentimeter schämen müsste!“
Lady Patricia ist nicht von Nettas Worten beeindruckt. Sie erwidert: „Ich befürchte dass es dennoch nicht ausreichend ist. Wenn du eines Tages im Heiratsfähigen Alter bist, wirst du feststellen müssen, dass in dieser Gesellschaft das Korsett eines der überzeugendsten Argumente ist einen guten und reichen Ehemann für dich zu gewinnen. Wenn du wieder zu Hause bist, werden Schritte unternommen, die ich mir eigentlich nicht für dich gewünscht habe. Und jetzt gehen wir. Ich will dass du mich all deinen Freunden und Lehrerinnen vorstellst.“

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