Immer, wenn sich Corinna an jenen Abend erinnerte, überkam sie das Gefühl der
Ohnmacht.
‚Panzerknacker- Jack’ war ein schlechter und ordinärer Mann gewesen, dessen
einziger Vorzug darin bestand den Safe öffnen zu können, damit sie an die
Geschäftsbücher herankommen konnte. Nach einen kurzen Studium der Bücher
krachten ihre Pläne wie ein Kartenhaus zusammen. Sie hatte erwartet ein großes
Vermögen vorzufinden, welches sie gemeinsam mit Godfrey nutzen könnten um ein
prachtvolles Leben zu führen. Stattdessen musste sie feststellen, dass sich auf
Godfreys Namen ein Berg voller Schulden angehäuft hatte. Es gab Hinweise, dass
Godfreys Ruin kurz bevor stand. Sofort hatte sie Godfrey auf die Gefahr
hingewiesen, dass er, gutgläubig wie er war, kurz davor stand alles zu
verlieren.
Godfrey und Corinna packten in aller Eile ihre Taschen. Die zehntausend Pfunde,
die sie ebenfalls im Safe fanden, verteilten sie in ihre Taschen. Das Geld
verbrauchte soviel Platz, dass sie nicht sehr viel von ihren anderen Sachen
mitnehmen konnten. Schließlich verbrauchten Corinnas Kleider, vor allen Dingen
ihre Korsetts, viel Platz in den Koffern. Sie, und noch viel mehr Godfrey,
hatten auf Letzteres bestanden. Viele andere nützliche Gegenstände mussten
zurück gelassen werden.
Sie schlichen unbemerkt durch einem Hintereingang des Gebäudes nach draußen.
Dann gingen sie im Schutz der Büsche und Bäume nach Osten. Godfrey wusste von
einem kleinen Tor, welches Patricia kurz nach deren Einzug in das Herrenhaus in
die Grundstücksmauer hatte einbauen lassen. Es war zwar verschlossen, konnte
aber nicht vom Haus aus gesehen werden.
Die beiden hatten sich schon ein großes Stück des Weges vom Herrenhaus
entfernt, als sie eine Gruppe von Männern entdeckten, welche sich ihnen näherte.
Noch konnten die Beiden keine Gesichter erkennen, aber sie ahnten dass die
Männer gekommen waren, um die Schulden der Familie einzutreiben.
Godfrey tat das Herz weh, als er Corinna neben sich gehen sah. Sie schaute nach
unten und machte einen müden Eindruck. Vier Stunden waren vergangen, und nichts
hatte sich verändert. Hinter ihnen lag das Anwesen, und das Herrenhaus
verschwand nur langsam am Horizont. Schließlich stieg der Boden unter ihren
Füßen wieder an, nach dem sie unten im Tal angekommen waren. Links oben auf der
Anhöhe befand sich das Herrenhaus Abbeyfield Hall. Rechts ging es nach Bymead.
Sie brauchten nicht lange zu überlegen wohin sie gehen sollten, denn aus der
Richtung von Bymead kamen ihnen die Männer entgegen. So mussten sie einen Umweg
gehen. Der Weg, auf dem sie sich befanden, war sehr uneben, und mit jedem
Schritt wurde es schwerer für die Beiden. Die Bäume wirkten dunkel und
bedrohlich. Während das Paar weiterging, kamen die dunklen Schatten der Bäume
immer näher. Schließlich wichen die Alleebäume einer Weide und das Paar blieb im
Licht der Sonne stehen.
Sie konnten aber nicht stehen bleiben und gingen langsam weiter. Corinna hatte
extra Stiefel mit flacheren Absätzen gewählt. Aber sie war es nicht gewohnt eine
derart lange Strecke auf unebenem Terrain zurückzulegen. Noch schaffte sie es
ihre Probleme zu verbergen, die ihr Godfrey eingebrockt hatte. Auch seine
Schritte wurden ungleichmäßig und er begann zu stolpern. Seine Atmung schien
ebenso kurzatmig zu werden wie bei Corinna. Ihr war es völlig Rätselhaft, warum
er, obwohl er kein eng geschnürtes Korsett trug, ebenso kurzatmig war wie sie.
Sie drückte eine Hand in ihrer Taille. Dabei fühlte sie die vielen Korsettstäbe.
Bald, so hoffte sie, würden sie eine Kutsche finden, die sie zu einem Hafen
bringen würde. Von dort würden sie nach Amerika reisen, weit weg von der
Obrigkeit dieses Landes. Mit dem kleinen Vermögen könnte sie wieder ihr Geschäft
aufblühen lassen. Schließlich würden Korsetts weiterhin Bestandteil der
Damenkleidung bleiben...
Patricia schaute durch ihr Fernrohr. Sie konnte sehen, wie Corinna Badsteel
ihre Hand an die Taille legte. Sie konnte es nicht richtig erkennen, da die
Figuren so klein waren. Doch sie wusste genau was da gerade vor sich ging. Die
Geste jener Frau, welche versucht hatte Patricia zu verdrängen, erinnerte sie an
ihre eigenen drückenden Korsettstäbe.
Patricia ließ das Fernrohr sinken und ging wieder in das Haus um gewisse
Angelegenheiten mit ihrem Partner, Herrn Stevenson, zu besprechen. Er war ein
spezieller Geschäftspartner ihres Vertrauens. Es hatte Godfrey ab jenem Moment
auf Schritt und Tritt überwacht, als dieser sich zur kleinen Liaison mit Corinna
Badsteel aufgemacht hatte. Schnell hatte er die tiefere Bedeutung des Treffens
erkannt und geschickt alles Weitere vorbereitet. Er hatte auch die Show
vorbereitet, sodass Godfrey und Corinna überzeugt waren, es kämen echte
Vollzugsbeamte zu dem Herrenhaus. Natürlich waren die Bücher, welche Corinna in
die Hände gefallen waren, gefälscht. Anstatt des riesigen Reichtums, den
Patricia seit Anbeginn ihrer Ehe angehäuft hatte, standen in den
Geschäftsbüchern nur Schulden, welche Godfrey, als den gesetzlich
Verantwortlichen, ins Gefängnis gebracht hätten.
Herr Stevenson hatte noch zwei weitere Aufgaben zu erledigen. Er musste den
‚Tod’ von Godfrey vortäuschen. Es sollte wie ein tragischer Schiffsuntergang
aussehen. Patricia gab ungern einen derart großen Geldbetrag aus, nur um den
angeblichen Tod ihres Mannes glaubwürdig darstellen zu können. Allerdings konnte
sie Godfrey nicht erlauben einfach so zu verschwinden. Seine Abwesenheit müsste
irgendwie erklärt werden, und nichts wäre so überzeugend wie sein Tod.
Das war eine Aufgabe, die nur Herr Stevenson vollbringen konnte, da er bereits
zur vollsten Zufriedenheit tätig gewesen war. Schließlich durfte es keinen
Skandal geben. Abgesehen davon war Herr Stevenson derart auf schmale Taillen
fixiert, dass er Patricia keinen Wunsch abschlagen konnte, weder in jenem
Moment, noch in der Zukunft...
Patricias Reitkleidung war komplett in schwarz gehalten. Entgegen ihrer
üblichen Kleidung war das Oberteil schlicht. Unter ihrem Rock trug sie eine
Reithose, sowie kniehohe Stiefel mit nur fünf Zentimeter hohen Absätzen.
Natürlich trug sie ein Reitkorsett. Es war steifer als gewöhnlich und für
körperliche Anstrengungen gedacht. Ihr Reitkorsett wurde nur bis auf 47
Zentimeter geschnürt. Dennoch gab es ihr eine ausreichende Stütze ohne sie beim
Reiten zu behindern. Trotzdem wünschte sie sich beim Reiten dass ihre Taille
nicht so locker geschnürt gewesen wäre. Sie hatte resigniert akzeptieren müssen,
dass es für das Reiten nicht ratsam war die Taille so eng wie möglich zu
schnüren.
Das Oberteil ihrer Reitkleidung lag ganz eng an. Es drückte sogar etwas gegen
ihren nach oben gepressten Busen und endete in einen langen, engen und steifen
Kragen, der bis an das Kinn reichte. An ihrem Kragen befanden sich zwei
dekorative Anstecknadeln. Eins hatte die Form eines Hufeisens und das andere
stellte das Wappen ihrer Familie dar. Ihr Haar war streng nach hinten frisiert
und auf dem Hinterkopf zu einem Haarknoten gebunden. Ein eleganter Reit- Hut
verdeckte den Dutt. Der Griff ihrer Reitgerte war aus Elfenbein und wie ein
Fuchs geschnitzt.
Patricia näherte sich mit ernstem Gesichtsausdruck ihrem Pferd. Ihr Gang
strahlte Vertrauen aus. Die meisten Menschen wären direkt neben einem solch
großen Tier eingeschüchtert gewesen, nicht so Patricia. Sie zeigte keine Angst
als sie sich dem großen Pferd näherte. Sie klopfte liebevoll auf seinem Kopf und
Hals. Sie sprach mit dem Pferd weich aber dennoch streng. Sie ließ es verstehen
wer das Sagen hatte. Es bestand kein Zweifel. Als das Pferd ihre makellosen und
absolut glatten Handschuhe sah, wurde es mit der entsprechenden Ehrfurcht
erfüllt.
Nachdem sie das Pferd gestreichelt hatte, bereitete sie sich darauf vor es zu
besteigen. Obwohl nur ein paar Diener anwesend waren, tat sie dennoch, als wenn
sie in Begleitung der höheren Gesellschaft wäre. Sie trat, in einer Hand ihre
Reitgerte, neben das Pferd. Ein Diener stellte eine kurze hölzerne Stehleiter
neben das Pferd. Mit anmutigen Bewegungen bestieg sie die Leiter, und setzte
sich dann auf den Sattel. Sie nahm die Zügel aus der Hand einer ihrer Diener.
Sobald sie entsprechend seitlich auf dem Damensattel saß, zog sie sanft an den
Zügeln und ihr Hengst bewegte sich vorwärts. Sie hatte schnell ihre Diener
verlassen, welche ihr ohne jeden Zweifel hinterher schauten. Sie drehte sich
nicht um, denn das gehörte sich nicht für eine Lady. Außerdem wusste sie nur all
zu genau, dass alle Diener auf ihrem Anwesen von ihrem Anblick verzaubert waren.
Schließlich ritt sie auf das große Tor zu. Der Pförtner öffnete es, ohne dass er
darum gebeten wurde. Sie schaute ihn dabei nicht einmal an. Sie verließ selten
das Herrenhaus. Dieser Ausritt war eine der wenigen Gelegenheiten aus dem
täglichen Trott ausbrechen zu können und ungestört an der frischen Luft zu sein.
Sie folgte dem Weg bis zu einer Gabelung. Dort entschied sie sich nach rechts zu
reiten.
Das Gebiet um ihr Herrenhaus war eine Mischung aus kleinen Wäldchen und großen Ackerflächen. Über Jahrzehnte hatte zuerst ihre Tante Polly und danach sie selber das Land Stückweise in Besitz genommen. Ihr Landbesitz war beträchtlich angewachsen. Wann immer sich ein Bauer in einer finanziellen Notlage befand, und Lady Patricia gerade entsprechende finanzielle Mittel übrig hatte, kaufte sie das verschuldete Eigentum. Sie erlaubte dann dem Bauer weiterhin mit seiner Familie wohnen zu bleiben. Allerdings mussten sie eine Pacht dafür zahlen. Mit diesem System konnte man nicht viel verdienen. Zu oft waren die Bauern in Zahlungsschwierigkeiten. Patricia betrachtete es mehr als ein Hobby. Aus einem gewissen Grund genoss sie sogar dass Schicksal jener Menschen in ihrer Hand zu haben.
Ihre Gedanken, wie sie die Menschen unter ihrer Kontrolle hielt, wurden unterbrochen als sie auf einen jener Landarbeiter traf. Ein junger Mann war gerade beschäftigt ein landwirtschaftliches Gerät zu reparieren. Patricia wusste nicht genau was er gerade reparierte. Es schien dazu zu dienen den Boden umzupflügen. Was auch immer es war, es war auf jeden Fall eine Arbeit, die unter ihrer Würde lag.
Der junge Mann schaute kurz von seiner Tätigkeit hoch, als sich Patricia
näherte. Er wollte weitermachen, aber er blickte wieder auf als sie immer näher
kam. Er dachte gar nicht mehr daran mit seiner Arbeit weiter zu machen. Er stand
nur so da und starrte sie an. Es war offensichtlich, dass seine Augen auf ihrer
Taille gerichtet waren.
Patricia drosselte das Tempo und blieb mit ihrem Pferd neben dem Mann stehen.
Sie betrachtete den jungen Mann. Er hatte hellbraune Haare, ein kantiges Kinn
und eine stolze Nase. Seine Arme und Beine waren unglaublich muskulös. Er war
die Personifizierung eines Mannes. Er war das genaue Gegenteil von Godfrey.
Als Patricia vor ihm stand, schaute er zu Boden und zog seine Mütze.
„Du, ist das dein Bauernhof?“, fragte sie.
Der junge Mann zuckte, als sie ihn ansprach. Er blieb kurz still, doch dann hob
er den Kopf und sagte: „Nein, meine Dame, das ist der Bauernhof meines Vaters.“
„Du meinst MEINEN Bauernhof!“
„Ja, meine Dame.“ Der junge Mann schien eingeschüchtert zu sein.
Patricia lächelte innerlich. Sie fühlte das Gefühl der Macht über jemanden, der
körperlich stärker war als sie. Wenn sie wollte, könnte sie diesen jungen Mann,
sowie seinen Vater samt dessen Familie mit einem Wimpernschlag verjagen lassen.
Der Gedanke der Macht ließ andere Gefühle in ihr emporsteigen. Sie leckte sich
über ihre Lippen. Der vor ihr stehende junge Mann war ein schönes Exemplar der
Männlichkeit. Als sie ihn sich anschaute, kam ihr in den Sinn dass eine echte
Lady keine derartigen Gedanken und Gefühle hegen dürfte.
„Ist dein Vater anwesend?“
„Nein, er und die Familie sind vor einer Stunde nach Bymead gegangen.“
Patricia lächelte boshaft. Sie schaute den jungen Mann an, wie eine Löwin ihre
Beute...
Es war schon sehr lange her, seitdem Patricia es im Heu getrieben hatte. Das
letzte Mal, als sie mit Godfrey Liebe gemacht hatte, war schon lange her
gewesen. Vor ihrem 'verstorbenen' Ehemann hatte sie keine Liebe machen dürfen.
Und nun lag sie im Heu, neben ihr ein junger Mann der nur halb so alt war wie
sie. Seine Arme waren um ihre Taille geschlungen und sein Kopf ruhte auf ihrer
Schulter. Sie empfand ihn so niedlich. Es war beinahe süß wie er von ihr
bezaubert wurde. Seine Augen waren geschlossen, aber als sie wieder offen waren,
sahen sie aus wie die Augen eines Hündchens, erfüllt mit diesem treuen Blick,
voller Verehrung.
Er mochte zwar schüchtern wirken, aber als sie intim waren, hatte er sich wie
ein rasender Bulle verhalten. Seine Art zu Lieben war der totale Gegensatz zu
Godfreys Bemühungen. Godfreys Aufführung im Schlafzimmer glich eher einer zarten
Blume. Außerdem verbrachte Godfrey die meiste Zeit mit dem Liebkosen und
Streicheln ihrer zarten Taille. Patricia hatte noch nie eine derartige Zuwendung
bekommen wie von diesem jungen Mann. Sie wünschte sich dass Godfrey sich ähnlich
verhalten hätte. Der junge Mann war natürlich auch von ihrer zarten Taille
verzückt gewesen, doch das hinderte ihn nicht das restliche Liebesspiel mit
ganzer Kraft weiterzuführen.
Patricia fuhr mit ihrer Hand über das Korsett, bis sie die Hände des jungen Manns berührte. Sie nahm eine seiner Hände und drückte sie lächelnd. Da nun Godfrey und seine kraftlose Art aus dem Weg geräumt war, nahm sie sich vor endlich richtig leben zu können. Sie wollte all jene Gefühle erforschen, die ihr so lange verwehrt geblieben waren.