Latexdame Jannette Latex- und Ledergeschichten

Die Geister von Hargreave Manor

von William A. Lemieux

Alle Rechte und weitere Nutzung beim Autor.

Übersetzung: Jannette

Kapitel 6

Irgendwann musste ich das Bewusstsein verloren haben. Als ich wieder zu mir kam, lag ich am Fuße der Treppe. Die Reitgerte war nicht zu sehen. Ich betastete meinen Körper und war glücklich darüber nicht ernsthaft verletzt zu sein. Kein Knochen war gebrochen. Aber mein Gesicht glühte genauso wie mein Hintern. Trotzdem kam es mir so vor, als ob ich die Schläge genossen hätte.
Ich war überzeugt, dass es in der oberen Etage ein Geheimnis gab, welches ich nicht entdecken durfte.
Langsam erhob ich mich, strich die Kleidung glatt und versuchte den Staub abzuwischen. Dann wandte ich mich von den rätselhaften Treppen ab, um die andere Seite des Korridors zu erforschen. Ich ging an den fünf Räumen vorbei, die ich bereits erforscht hatte, ließ die breite Treppe links liegen, und wählte die erste Tür zu meiner rechten Seite. Ich hielt kurz inne.
Mein Herz hämmerte.
Was waren das für Geräusche gewesen, die ich bei meinem ersten Besuch gehört hatte? War jenes köstliche Stöhnen der Lust vielleicht doch keine Einbildung meinerseits gewesen? Da ich bereits eine Hälfte des Hauses erforscht hatte, waren die Geräusche vielleicht von jener Seite gekommen. Und wie, und warum hatte es die Statuen unten in der Halle geschafft zu verschwinden und wieder zu erscheinen? Ich konnte mir keinen Reim darauf machen. Mein letzter Rest von klarem Verstand sagte mir, dass ich besser sofort das Haus verlassen und nie wieder zurückkehren sollte. Aber andererseits konnte es sein, dass ich derart schöne bizarre Sachen erleben würde, die keinem anderen vergönnt wären.
Ich konnte nicht anders. Ich war meiner ‚Unnatürlichkeit’ verfallen, Sklavin meiner Sehnsüchte. Ich konnte dem Mysterium nicht mehr entfliehen. Ich war am ‚Punkt ohne Wiederkehr’ angelangt. Ich nahm all meinen Mut zusammen und öffnete die Tür, doch der Eintritt wurde mir verwehrt. Ich sah das verrückteste Ding, das ich jemals gesehen hatte.
Direkt hinter der Tür befand sich eine schwarze Membran aus dem mir bekannten Gummi.
Eigentlich sah es aus, wie eine riesige... ich mag es kaum ausdrücken... wie eine Vagina. Dieses Gummiding versperrte mir den Weg. Jedenfalls sah es zunächst so aus. Um den Raum betreten zu können, hätte ich mich durch das widerliche Portal hindurch zwängen müssen. Doch ich hatte nicht die Absicht dies zu tun. Ich konnte also nicht in Erfahrung bringen, was dahinter lag, und ich war mir überhaupt nicht sicher, ob ich es wirklich herausfinden wollte. Da bemerkte ich die Feuchtigkeit, die aus dem Schlitz tropfte.
Ich war derart schockiert von dieser obszönen anatomischen Erscheinung, dass ich die Tür panikartig zuschlug. Mein Atem ging sehr schnell, und ich stürzte zur nächsten Tür, bevor mein innerer Drang das Haus sofort zu verlassen überhand nahm.
Ich beruhigte mich wieder als ich in einen normalen Raum schaute. Allerdings standen in dem Zimmer mehrere bizarre Apparate. Einige erkannte ich auf Anhieb. Außerdem sah ich schöne opulente Möbel, sowie drapierte Vorhänge und Tücher. Ich hatte den Eindruck, als ob ein perverser Wohnungseinrichter sich nicht entscheiden konnte aus dem Raum ein Bordell oder Wohnzimmer zu machen.
Ich schlich vorsichtig hinein, jederzeit bereit wieder hinauszulaufen falls mich etwas anspringen sollte. Die komplizierten mechanischen Konstrukte nahmen den meisten Platz in dem Raum ein. Mir war zwar klar dass sie dafür gedacht waren einen menschlichen Körper zu befriedigen, aber wie genau das geschehen sollte, konnte ich bei den meisten Geräten nicht auf Anhieb erkennen. Jedes Gerät war anders, und ich konnte den Verwendungszweck nur bei zweien verstehen.
Links stand ein einfaches Pferd mit gepolsterten Fesselriemen, über dem ein Körper gebogen zu liegen käme. Dahinter stand ein kompliziertes Gerüst aus Metallrohren, mit Gurten und Schnallen. Es war sogar mit Girlanden geschmückt. Wie jenes Gerüst funktionieren sollte, blieb für mich ein Geheimnis. Ein anderer Gegenstand, der mit Ketten an der Decke hing, zog meine Aufmerksamkeit etwas länger auf sich. Er erschien mir wie eine angenehm weiche Fesselvorrichtung für eine Person. Diese Vorrichtung bestand aus sehr weichem weißem Leder und hatte ähnliche Umrisse wie eine ägyptische Mumie. Außerdem besaß das Teil zahlreiche Gurte, Schnürungen und Schnallen. Ich entdeckte daran sogar Gummischläuche, die zu fahrbaren Tanks führten. An den Tanks sah ich Ventile und andere Schläuche.
Die findigen und komplexen Geräte machten mich nervös, und ich verließ den Raum nach meiner flüchtigen Inspektion.
Als ich die nächste Tür öffnete, musste ich ein paar Mal mit den Augen blinzeln, um sicher zu gehen, dass ich nicht träumte. Ich sah einen einladend gestalteten Raum. Dieses Zimmer war schöner und angenehmer als alle Zimmer, die ich in jenem Haus gesehen hatte. Es war eine Art von Schlafraum. Das Zimmer hätte aber auch der Rauchsalon eines Mannes sein können, denn ich sah einen Kamin, schwere Vorhänge, zwei Bücherregale, einen großen Leuchter, ein paar kleine Tische, und zwei Ohrensessel, die zum Kamin ausgerichtet standen. Das riesige Bett war kaum zu sehen, denn es stand in einer dunklen Ecke des großen Zimmers. Die Einrichtung war eindeutig männlich. Auf dem ersten Blick empfand ich es als sehr angenehm. Ich schaute mich genauer um und dann bekam ich es doch mit der Angst zu tun.
Weder das grimmige Gesicht des großen Bärenfellteppichs, noch das prasselnde Kaminfeuer, was eigentlich nicht sein durfte, überraschten mich. Es waren vielmehr das Weinglas und die halbvolle Flasche Wein, die mein Herz fast zum Stehen brachten. Der Wein oder Portwein, oder was immer es war, leuchtete im Schein des Feuers wie Blut. Eigentlich erschreckten mich nicht die Weinflasche und das Glas, welche auf einem kleinen Tisch zwischen den beiden Ohrensesseln standen, sondern die Tatsache, dass sich die Flüssigkeit leicht bewegte.
Die Flüssigkeit schwappte leicht vor und zurück, als wäre das Glas gerade erst dort abgestellt worden. Das war absolut unmöglich. Unmöglich, wenn das Haus wirklich unbewohnt sein sollte. Jedenfalls hatte ich bis zu jenem Moment stets diesen Eindruck gehabt. Ich begann das Unerwartete zu erwarten. Ich blieb vor Schreck stehen und wartete.

„Kommen sie bitte näher, Miss Swanson, und machen sie es sich bequem.“

Ich bin stolz sagen zu können, dass ich nicht bei den ersten Worten laut schreiend aus dem Haus gelaufen bin, obwohl dies mein erster Impuls gewesen war. Ich glaube, dass meine entfachte Neugier trotz oder wegen der vielen Kuriositäten stärker geworden war als meine Angst. So blieb ich einfach stehen.
Die Stimme war tief und volltönend. Sie klang weder unfreundlich noch unheimlich.
Ich erkannte, dass jemand in einem der Sessel saß. Die hohe Lehne hatte ihn vor meinen Anblick verborgen. Das flackernde Licht des Kaminfeuers ließ die Schatten der Sessel unruhig tanzen. Ich musste näher heran treten. Ich musste um den Sessel herumgehen. Ich musste vor dem Kaminfeuer stehen, um sein Gesicht zu sehen.
Da war noch etwas, das mich nachdenklich stimmte. Woher wusste diese Person meinen Namen? Das war schlicht unmöglich, da ich unter falschem Namen angereist war. Niemand in Harrowgate wusste meinen richtigen Namen.
„Bitte... das ist... bitte, ich verstehe nicht“, sagte ich und schämte mich gleichzeitig über meine nervös klingende Stimme. Ich war vierundzwanzig, eine Erwachsene! Es durfte nicht sein, dass ich wie ein kleines Mädchen zitternd vor dem Schuldirektor stehe! Aber genau das tat ich. Ich konnte mich weder nach vorne bewegen, noch aus dem Raum hinaus fliehen. Letzteres hatte ich mir sogar gewünscht. Es fühlte sich an als ob meine Kleidungsstücke, die bereits sehr einschränkend waren, plötzlich aus Eisen bestehen würden. Ich war vor Angst wie gelähmt.
„Kommen sie, kommen sie meine Teuerste“, ertönte wieder die sentimental klingende Stimme. Mit einem Male klang sie väterlich- vertraut.
„Ich werde ihnen nicht wehtun... Das wäre das Letzte, was ich ihnen antun würde. Schließen sie bitte vorher die Tür. Es zieht.“
Plötzlich fühlte ich mich wie ein dummes Mädchen. Ich hatte jeden bürgerlichen Anstand missachtet. Ein Ruck ging durch meinen Körper, und ich ging zur Tür um sie zu schließen.
„Ah, sehr gut. Ich danke ihnen. Dieses alte Haus ist ziemlich zugig, und abends kühlt es sich aus. Möchten sie sich mir anschließen und am Feuer erwärmen?“
Ich hatte keine Absichten mich ihm anzuschließen, aber ich wollte endlich wissen mit wem ich sprach, und was er in dem Haus machte. Ich schritt langsam um den leeren Sessel herum und wollte mir die Person anschauen. Als ich dort stand, bemerkte ich dass es in dem Raum immer dunkler wurde. Ein Blick in den Kamin bestätigte meine Vermutung: Das Feuer ging auf unerklärliche Art und Weise aus.
„Oh, das tut mir Leid. Meine nächtlichen Gewohnheiten haben mich an dunkle Zimmer gewöhnt. Ich fürchte dass ich ungastlich bin. Licht!“
Ich sah, wie sich ein Arm bewegte und eine blasse Hand zum Vorschein kam. Augenblicklich fing der Kronleuchter an zu leuchten.
Diesmal zuckte ich doch heftig zusammen.
„Ich bitte vielmals um Entschuldigung. Ich wollte sie nicht erschrecken. Aber jetzt ist es viel heller, nicht wahr?“
Trotz der verbesserten Beleuchtung, sein Sessel wurde nun von hinten beleuchtete und nicht mehr von vorne, war es wirklich unmöglich zu sagen wer oder was in dem Ohrensessel saß. Ich beschloss in die Offensive zu gehen.
„Wie haben sie das angestellt?“, fragte ich.
„Was angestellt?“, fragte er mit sanfter Stimme.
„Das, das... mit dem Kronleuchter.“
„Ein einfacher Trick. Nichts Schlimmes, das versichere ich ihnen. Ich beschäftige mich nebenbei mit der Studie von... unerklärlichen... Dingen. Ab und zu lerne ich etwas, das der Bequemlichkeit dient, eben so etwas wie Licht an und ausschalten, nichts Besonderes.“
Seine Stimme war beruhigend, beruhigend und vertraut, und ich glaubte seiner Erklärung. Ich entspannte mich sogar mehr als ich vorgehabt hatte. Es schien, dass seine Stimme mit meinem Körper sprach, nicht zu meinen Ohren.
„Ihre Füße müssen sicherlich ermüdet sein, wenn sie jene Stiefel lange getragen haben. Warum setzen sie sich nicht hin und ruhen sich aus? Ich versichere ihnen, dass ich mich wie der perfekte Gentleman benehme.“
Behutsam setzte ich mich hin und streckte meine eng geschnürten Beine wie zwei Stelzen aus. Trotz des Korsetts war das Sitzen leichter zu ertragen als erwartet, und ich lehnte mich gegen die unglaublich weiche Polsterung des Sessels. Unerklärlicherweise hatte ich das Gefühl im Wohnzimmer eines alten Freunds zu sitzen und über das Wetter zu reden, während ich mit kleinen Schlucken einen Sherry trank.
„Wer... wenn ich fragen darf“, stammelte ich immer noch unsicher, „ wer sind sie? Wohnen sie hier?“
„Aber natürlich! Das ist mein Heim! Was meinen Namen betrifft, so haben sie ihn bestimmt schon erraten. Leider kursieren die schlimmsten Gerüchte über mich. Aber egal. Wer ich bin, ist im Moment ohne Bedeutung. Wer sie sind, ist weitaus wichtiger. Wer sie gewesen sind ist fast genauso interessant. Aber wer sie werden wollen... Das ist jetzt wirklich interessant, und für mich von großer Bedeutung!“
„Ich verstehe nicht... Sie wussten meinen Namen...“
„Es gehört zu meinem Geschäft dass ich soviel wie möglich über meine Besucher in Erfahrung bekomme. Sie sind eine von mir sehr geschätzte Ausnahme, meine Teuerste. Wir empfangen nicht sehr oft Gäste. Sie haben unser Interesse geweckt.“
Seine Stimme beeinträchtigte meine Fähigkeit mich zu konzentrieren. Es fühlte sich wie Schwingungen an, die mit meinen Gefühlen im Einklang waren. Es war nicht unangenehm. Ich versuchte zwar immer noch die Offensive zu behalten, doch eine plötzliche und unerklärliche Sehnsucht blieb übrig.
„In Ordnung. Was ist mit den Statuen unten in der Halle? Als ich das erste Mal her kam, standen dort zehn erotisch- perverse Statuen in Reih und Glied. Als ich ging, waren sie fort! Und heute sind sie wieder zurück...“
Ich war nervös. Ich wollte Antworten, aber irgendwie wusste ich, dass ich nicht die richtigen Fragen stellte.
„Statuen? Ah, natürlich. Statuen. Die Eingangshalle. Alles zu seiner Zeit, meine Liebe, alles zu seiner Zeit. Ich befürchte, dass sie noch nicht darauf vorbereitet sind... Aber ich versichere ihnen, dass sie noch viel über die... Besonderheiten meines Hauses lernen werden. Eine Frage berührt mich. Warum sind sie vor einigen Tagen zu mir gekommen? Und wieso sind sie so... seltsam angezogen? Das ist sicherlich eine ungewöhnliche Mode für eine Frau, sogar in diesem progressiven Alter.“
Ich hörte ein leichtes Lächeln heraus als er sprach, und ich musste seine Antwort erstmal verdauen. Er war direkt zum Kern gekommen. Er hatte mich mit meinen Gefühlen konfrontiert, aber mit keinem Wort ausgesprochen was für Gefühle ich hatte. Ich war mir nun seiner Identität gewiss, obwohl es unmöglich erschien, denn dann müsste er über einhundert Jahre alt sein!
Was mein Herz etwas schneller schlagen ließ, war die Tatsache, dass der Mann bereit war mich so zu akzeptieren wie ich war. Ich nahm an, dass er meine Fragen bereits kannte und er mit seinen Antworten bei mir eine Reaktion hervorrufen wollte. Ich wollte ihm die Wahrheit sagen, aber dennoch war ich nicht fähig zu sprechen. Ich stammelte, setzte mehrmals neu an.
„Ich, äh, also... Es ist nicht leicht für eine Dame über derartige Dinge zu sprechen...“
„Unsinn!“, tadelte er mich sanft. „Reden wir nicht um den heißen Brei herum. Vom Standpunkt der gegenwärtigen Gesellschaft aus gesehen sind sie keine Dame, sonst hätten sie niemals ihren Weg hier her gefunden.“
Bevor ich etwas erwidern konnte, schnitt er mein Wort ab.
„Oh, schauen sie nicht so verletzt drein! Wenn man heutzutage von einer ‚Dame’ spricht, beschreibt man ein leeres, fragiles, hübsches und dekoratives Ding, was letztendlich ohne LEIDENSCHAFT und LEBEN ist. Es ist offensichtlich, dass sie keine errötende Jungfrau sind. Sie sehen aus wie eine Frau, die ein angenehmes Leben führt, aber trotzdem sind sie eine Ausgestoßene der Hautevolee. Sie haben den Weg der persönlichen Freiheit gewählt, den einer Freiheitskämpferin. Und für jene mutige Entscheidung beglückwünsche ich sie.“
„Aber ich... Ich bin nicht sicher, ob ich bereit dafür bin...“
„Gehen sie in sich. Ich weiß vielleicht mehr von ihnen, als sie von sich wissen. Sie müssen kein Urteil oder Diskriminierung von mir befürchten. Ich verstehe was sie antreibt. Es brennt ebenso in mir, wie in den Herzen all meiner... Gäste. Wie dem auch sei. Ich möchte es von ihren Lippen hören, sonst können sie keine weitere Gastlichkeit von mir erwarten. Ich frage sie noch einmal: Warum tragen sie solche seltsame Gewänder, und wo haben sie diese Sachen erhalten?“
In jenem Moment kämpfte ich mehr mit meinen Gefühlen, als in all den Jahren zuvor. Die gesellschaftlichen Zwänge hatten mich gelehrt mein Verlangen zu verstecken. Ich starrte in die erkaltete Glut des Kamins und spürte dennoch den fast greifbaren Blick meines Gastgebers. Als ich sprach, war es mehr ein Flüstern, und ich sprach mehr mit meinen Füßen als mit meinem Gastgeber.
„Es ist wahr. Ich bin eine Freiheitskämpferin. Aber... ich bin nicht wie die anderen Frauen, die einen gewissen... ‚Ruf’ haben. Ich habe sehr viele... seltsame... Verlangen... Widernatürlichkeiten würden manche sagen... Ich war schon immer so... Seit ich denken kann.“
Ich war den Tränen nahe. Ich war verwirrt. Ich hatte Liebhaber gefunden, von denen ich immer wieder gefesselt wurde. Ich hatte meine spitzen Absätze in die Rücken von Männern gegraben. Ich hatte Frauen geliebt, welche die perversesten Sachen mit meinen intimen Stellen taten. Warum nur hatte ich diesen Widerwillen meinen Fetisch zuzugeben?
Ich dachte für einen Moment nach.
Als ich früher meine Fantasien ausgelebt hatte, musste ich stets meine Liebhaber überzeugen dass es nur ein Spiel sei. Wir befassten uns mit Rollenspiele, um der Langeweile zu entfliehen. Ich hatte niemals zugegeben dass ich diese Dinge genoss, dass ich jenen Praktiken verfallen war. Ich war noch nie so nahe dran gewesen das Gewölbe meines Herzen gegenüber einem total Fremden so weit zu öffnen wie in diesem Augenblick. Ein Unbekannter dürfte, sollte, nun mein dunkelstes Verlangen sehen. Das war ein Furcht- erregender, aber auch spannender Moment.
„Sprechen sie weiter“, sagte er, nachdem meine Pause sich in eine unerträgliche Stille verwandelt hatte.
Jene Bitte ließ den Damm brechen, der meine Gefühle gefangen gehalten hatte.
„Ich mag... Es gefällt mir gefesselt zu werden, und geknebelt zu werden, und gehalten zu werden... unbeweglich. Das erregt mich sogar noch mehr als jede Liebkosung eines Liebhabers. Ich genieße die einschränkende Kleidung aus dem gleichen Grund, wie eine Fesselung an einem Gegenstand oder Gestell. Ich liebe meine Korsetts und schnüre sie so eng wie möglich zu. Ich bin niemals ohne ein Korsett.“
Nach den ersten Worten konnte ich nicht mehr aufhören. Es kam wie ein Sturzbach aus mir heraus. Es war, als ob seine Stimme mich hypnotisiert hatte. Ich hatte das Gefühl als spräche eine andere Person, nicht ich, als ob eine geisterhafte Stimme mir jene Worte zuflüsterte.
„Ich liebe das Gefühl die Kontrolle über meinem Körper zu verlieren. Wenn ich sehr, sehr eng geschnürt werde oder einen entsprechenden Gürtel trage, liebe ich das Gefühl in der Mitte durchgeschnitten zu sein. Meine untere Körperhälfte scheint dann nicht mehr zu mir zu gehören. Meine Hüften schwanken und mein Gang wird ungleichmäßiger, die Muskeln verlieren ihre Kraft. Ich denke, dass es bei meinen hohen Absätzen ähnlich ist. Es ist sehr schwer auf wirklich hohen Absätzen gehen zu können. Ich fühle mich dann größer, mächtiger, während ich gleichzeitig um mein Gleichgewicht kämpfe. Wenn ich derart gekleidete bin, fühle ich jede Faser meines Körpers, muss mich konzentrieren aufrecht zu bleiben, und ich werde immer wieder daran erinnert, was ich trage.“
„Ja...“, murmelte mein Gastgeber ruhig. „Fahren sie fort.“
„Und, ja, und dann ist mein Libido viel, viel... intensiver.“
„Sie meinen, dass sie ein großes Verlangen nach Sex haben.“
Ich errötete. „Ja.“
„NEIN!“, herrschte er mich an. „Sie haben kein übergroßes Verlangen nach Sex. Verlangen verändert sich ständig, es hat kein permanentes Niveau. Jede Person hat ihr eigenes Verlangen und muss den Grad des Verlangens suchen, immer wieder neu definieren, so wie die Natur, die ständig neue Grenzen setzt. Sie sind über dem Durchschnitt des Verlangens, das ist wahr, aber das macht sie noch lange nicht zu einer perversen Person.“ Er kicherte. „Wenn dem so wäre, dann wären ich und all die anderen in diesem Haus pervers.“
Für diese Zurechtweisung musste ich den Drang bekämpfen ihn vor lauter Dankbarkeit zu küssen.
„Gut, ja. Stimmt“, gab ich zu.
„Und ihre Kleidungsstücke“, fragte er beharrlich. „Woher stammen sie.“
Ich nahm meinen Mut zusammen und schaute in den Schatten seines Sessels.
„Ich habe sie von ihnen weggenommen. Ich bin sicher dass sie das wissen.“
„Ja. Immerhin sind sie ehrlich.“
„Was ich gerne wissen möchte, warum passen sie mir so gut!“
„Was denken sie?“
Ich ging all meine Gefühle und Gedanken durch.
„Ich denke... Ich glaube, dass sie wussten, dass ich komme. Ich glaube, dass Sie mich vielleicht sogar irgendwie hier her gelockt haben.“
„Ihr Verstand ist besser als ihre Zügellosigkeit. Nun denn. Es ist wahr. Ich wusste, dass sie kommen. Ich... sah es voraus. Sie sind nicht der einzige Besucher ihrer Art, der zu uns kommt. Und sehr wahrscheinlich auch nicht der letzte. Dieses Haus beherbergt die Entwicklungsgeschichte der Sinnlichkeit.“
Er legte eine Pause ein, als wenn er seine Gedanken sammeln wollte. Dann fuhr er fort: „Sind sie mit der wissenschaftlichen Theorie der Gedankenübertragung vertraut?“
Ich sagte ihm, dass ich darüber gelesen hatte.
„Und haben sie bemerkt, oder haben sie gehört, dass Personen die Fähigkeit besitzen Gedanken oder Gefühle eines anderen zu empfangen? Wie, denken sie, kann das möglich sein? Ich habe Forschung getrieben, Versuche angestellt... Ich bin zu der Überzeugung gekommen, dass unsere Gedanken und Emotionen durch unser Universum schweben. Und wenn sie intensiv genug sind, können sie von anderen, welche von Natur aus dazu befähigt sind, empfangen werden.“
Bei jenen Worten hatte ich das Gefühl, als ob er mich intensiv anstarren würde, und errötete.
„Die Menschen, die hier über Jahre hinweg leben, haben ihre imaginäre Freude an, äh, ihre Außenwelt weiter gereicht. Deswegen wird dieses Haus von einer kräftigen Aura umgeben, einem psychischen Duft von Vergnügen und Schmerz. So breiten sich die Gedanken der verbotenen Freude, der Sinnlichkeit, ja, sogar des Perversen, aus. Oh, verzeihen sie. Ich werde senil.“
Letzteres konnte ich ihm nicht abnehmen. Seine klare und tief volltönende Stimme strahlte Männlichkeit, Kompetenz, und meisterlicher Ausschweifung aus.
„Bezüglich ihrer Kleidungsstücke haben wir eine wahre Armee von außergewöhnlichen Schneidern, Schmieden, Schustern, und Korsettmachern. Die Gewänder, die sie fanden, waren nur für sie angefertigt worden. Ich wollte ihnen eine Gelegenheit geben alleine zu entdecken, was alles möglich ist. Und sie haben es herausgefunden.“
„Ich... ich bin ihnen sehr dankbar. Das versichere ich ihnen. Aber dann änderten sich die... Ich konnte sie nicht ausziehen...“
„Richtig. Sobald sie jenen Raum verlassen hatten, konnten sie die Kleidung nicht entfernen, außer sie taten mir den Gefallen das Amulett zu tragen.“
„Aber... die Korsettschnur verschwand einfach! Der Kragen vom Anzug, und der Bund des Rocks... Es war wie Magie.“
„Ja... Es muss sie überrascht haben. Aber das war meine Absicht, das können sie mir glauben. Ich wollte sicher gehen, dass sie die richtige Person waren. Ein weniger... interessierte Frau wäre in Panik geraten. Sie hätte vielleicht sogar die Gewänder zerschnitten um wieder frei zu sein. Auf jeden Fall haben sie genossen, was die Kleidung mit ihnen angestellt hatte.“
Ich errötete, aber beharrte auf meine Frage. „Aber wie geht das?“
„Sie müssen sich keine Gedanken um die Spezifikationen machen. Vielleicht werde ich ihnen später einmal in ein paar meiner Geheimnisse einweihen. Aber es stimmt schon. Magie, Wissenschaft, was macht schon den Unterschied? Sie können es halten wie sie es wollen. Bei jeder Wissenschaft ist stets auch ein bisschen Magie mit im Spiel. Wo wir gerade über das Amulett sprechen. Ich bemerke, dass sie es nicht tragen. Wo ist es?“
Die Frage klang fast ungezwungen, aber etwas in seiner Stimme ließ mein Herz bis zum Hals hoch schlagen.
„Ich... ich...“ Ich schaute mich um, bereit jeden Moment davon zu laufen.
„Emily“, sagte er. Seine Stimme klang viel freundlicher. „Was ist geschehen?“
„Ich habe es verloren!“, platzte es aus mir heraus. Ich bereute sofort meine Ehrlichkeit.
„Ah. Dachte ich mir. Ich spürte ihre Erregung als sie sich heute Morgen dem Haus genähert hatten. Ich hatte so eine Ahnung.“
„Wollen sie damit sagen... Sie sind nicht böse?“
Ich hatte befürchtet, dass er sich fürchterlich aufregen würde.
„Böse? Nein. Vielleicht enttäuscht. Es war ein nicht sehr wertvolles Geschenk. Sie waren unvorsichtig, müssen aber keine Repressalien befürchten. Sie standen nicht unter meiner... Obhut als es geschah.“
Ich stieß einen Seufzer der Erleichterung aus als er weiter sprach. Obwohl ich mir bei ihm noch nicht ganz sicher war, glaubte ich ihm. Ich fühlte mich aus irgendeinem Grunde zu ihm hingezogen. Vertraute ich ihm? Nein.
„Ich möchte, dass sie sich hier willkommen fühlen. Das Zimmer, in dem sie sich zuerst umgezogen hatten, steht ihnen bis zum Ende ihres Aufenthalts zur Verfügung... Wenn sie es wünschen. Wir fühlen uns sehr geehrt sie unter uns zu haben.“
„Ich... Ich bin nicht sicher...“
„Sagen sie bitte noch nichts. Denn wenn sie bleiben, gehen sie eine Verpflichtung ein. Ich würde sie nicht fragen, wenn sie ihre Gefühle gerade erst entfacht hätten. Sie stehen am Eingang zu einer seltsamen und wunderbaren Welt, unserer Welt. Aber noch sind sie nicht Teil davon. Und bis es soweit ist, müssen sie draußen bleiben, wie ein Kind, dass durch die Scheibe in ein Bonbongeschäft schaut. Ich würde mich aber freuen, wenn sie sich uns anschließen... unserer Familie beitreten... Haben sie noch eine Frage?“
„Sie sagen ‚uns’, ‚wir’, und so fort. Sie sind aber der einzige, den ich bisher gesehen habe. Leben hier noch andere? Und falls dem so ist, wo sind sie?“
„Oh ja! Es gibt noch andere... wenige Auserlesene. Meine Geliebten, meine geliebten Mistress, Sklaven und Master. Genauso wie ich, haben sie nächtliche Gewohnheiten, aber sie sind hier. Sie werden sie treffen, eine von ihnen werden, wenn sie es vorziehen hier zu bleiben. Eigentlich haben sie sie gesehen, sie wussten es nur nicht.“
Mir lief es kalt dem Rücken hinunter, da ich befürchtete zu wissen was er meinte.
Er fuhr fort: „Ich sehe, dass ich ihnen zuviel zugemutet habe. Sie haben einen langen Tag gehabt. Sie sollten sich jetzt ausruhen. Wir werden Morgen wieder miteinander sprechen.“
Ohne irgendein erkennbares Zutun öffnete sich die Tür des Zimmers.
„Ich denke, sie kennen den Weg zu ihrem Zimmer. Ich hoffe, dass es ihnen zusagt. Dort ist es bequem, wie sie sich sicherlich erinnern können.“
Eine blasse Hand zeigte zur Tür, und mir wurde klar, dass ich entlassen worden war. Das glich fast einer Beleidigung, aber ich war froh jener hypnotischen Stimme zu entkommen.
Nebenbei bemerkt hatte seine Anwesenheit eine enorme erregende Wirkung auf mich gehabt. Als ich an der Tür stand, vernahm ich direkt hinter mir seine sanfte Stimme: „Emily.“
Ich drehte mich um, aber da war niemand. Als seine Stimme wieder erklang, kam sie von dem Ohrensessel. Ich dachte mir, dass es eine Laune der Raumakustik sein müsste. Schließlich war ich eine gebildete Frau, und sollte nicht ans Übernatürliche glauben.
„Emily, mein Angebot habe ich nicht leichtfertig ausgesprochen, und es wird nicht sehr lange gelten. Eine Frau wie sie trifft man nicht alle Tage. Hier werden sie unter jenen sein, die das Leben erleben wie sie es tun. Wenn sie uns noch einmal verlassen, werden wir niemals wieder zusammentreffen. In jenem Fall befürchte ich, dass sie für den Rest ihres Lebens ihre Vorlieben alleine ausleben müssen. Denken sie daran und schlafen sie gut. Morgen sprechen wir uns wieder.“
Mit jenen Worten verlosch das Licht, und der Raum versank in Dunkelheit. Ich schloss die Tür etwas zu hart und floh über dem Korridor bis zu ‚meinem’ Raum.

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